„Der jüngste Tag“: Über Schuld und Wahrheit

„Der jüngste Tag“ von Ödön von Horvath hat am Samstagabend das Jahr 2018 im Stadttheater Mödling eröffnet: In Peter M. Preisslers stringenten Inszenierung der bedrückenden Tragödie geht es um Schuld, Verantwortung und Wahrheit.

„Der jüngste Tag“

„Der jüngste Tag“ von Ödön von Horvath im Stadttheater Mödling. Regie: Peter M. Preissler. Mit Christian Kainradl, Christina Saginth, Jörg Stelling, Georg Kusztrich, Susanne Preissl, Leopold Selinger u.a., Vorstellungen bis 27. Jänner sowie am Theater Scala in Wien von 13. Februar bis 3. März.

Das Bahnhofsschild am Bühnenrand ist nur teilweise zu entziffern: „SDORF“ steht auf der rechten Hälfte, die linke ist unsichtbar (Bühne: Julia Krawczynski). Von Absdorf bis Ziersdorf ist da vieles vorstellbar. Der Zug hat Verspätung. Kein Wunder, ätzen die wartenden Fahrgäste, wird doch überall nur noch abgebaut und rationalisiert. Wie hellsichtig: Personal in Provinzbahnhöfen würde man heute überhaupt vergeblich suchen.

Den pflichtgetreuen und dennoch durch eine von ihm verschuldete Zugkollision ins Bodenlose stürzenden Stationsvorstand Hudetz spielt Christian Kainradl mit phlegmatischer Verzweiflung, Christina Saginth gibt seine strapaziöse Ehefrau, Jörg Stelling deren distinguierten Bruder, Susanne Preissl die neckische Wirtstochter Anna, die Hudetz betört, ihn zunächst vor Gericht deckt und schließlich durch ihn zu Tode kommt.

Horvath Der jüngste Tag Stadttheater Mödling

Bettina Frenzel

Horvaths „Der jüngste Tag“ im Stadttheater Mödling mit Matthias Messner, Jörg Stelling, Christian Kainradl und Susanne Preissl (v.l.)

Manches mag ein wenig dick aufgetragen sein, doch die atmosphärische Enge und rasch wechselnde Gesinnungslage speziell dörflicher und kleinstädtischer Gemeinschaften kommen deutlich zur Geltung. Da ist die ebenso geschwätzige wie neugierige Frau Leimgruber (Angelika Auer) ein Prototyp an Taktlosigkeit, richtet der Dorfwirt (Georg Kusztrich) sein Fähnchen nach dem Wind, erweist sich Annas Verlobter, der Fleischhauer Ferdinand (Valentin Frantsits), in seiner stumpfen Eifersucht als entfernter Verwandter des Fleischhauers Oskar in den „Geschichten aus dem Wiener Wald“.

Ein Anti-Märchen ohne Ausweg

Zwischendurch spielt eine leibhaftige Blaskapelle der Feuerwehr auf, sorgt Theaternebel für düstere Wolfsschlucht-Stimmung, treten die untoten Unfallopfer als Zombies in Erscheinung. Eineinhalb Stunden apokalyptische Zuspitzung - ein klaustrophobes Anti-Märchen ohne Ausweg.

Ewald Baringer, Austria Presse Agentur

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