Ein Leben mit Eisbären bei minus 50 Grad

In Churchill in Kanada leben 900 Einwohner, etwa 1.000 Eisbären und seit Anfang 2018 auch offiziell Claudia Grill aus Kirchau (Bezirk Neunkirchen). Die 35-Jährige verschlug es als „Eisbärforscherin“ an den Rand der Arktis.

Die kleine kanadische Stadt Churchill liegt abgeschieden im Norden Kanadas. Schule und Supermarkt sind derzeit wegen der eisigen Kälte geschlossen, die gefühlte Temperatur mit Wind beträgt minus 58 Grad Celsius. Churchill ist nicht mit dem Auto erreichbar, nur per Flugzeug oder Zug. Die nächste Stadt liegt 300 Kilometer entfernt. Das ist mit ein Grund, warum Lebensmittel teuer sind. Viele Einwohner gehen jagen.

Claudia Grill Eisbären Churchill Forschung

Claudia Grill

Churchill wird auch „Hauptstadt der Eisbären“ genannt

Seit Jänner 2018 hat Churchill eine neue Einwohnerin: Claudia Grill aus Kirchau in der Gemeinde Warth. Die 35-Jährige war 2010 zum ersten Mal nach Kanada gekommen. Im Zuge ihrer Doktorarbeit hatte sie untersucht, wie Menschen und Tiere zusammenleben. „Mich hat von klein auf immer der Norden fasziniert. Ich war schon immer eher für den Winter als für den Sommer, mag Schnee, Eis und Kälte“, sagt sie im Gespräch mit noe.ORF.at. „Ich wollte wissen, wie es ist, wenn man bei minus 50 Grad spazieren geht. Das weiß ich jetzt.“

Während ihrer Forschungsarbeit in Churchill war Grill mit Fallenstellern, Jägern und Hundeschlittenführern unterwegs. Sie beobachtete, wie Menschen damit umgehen, wenn etwa Eisbären in der Umgebung leben. Die „Eisbärenhauptstadt“ war dazu das perfekte Pflaster. „Direkt gegenübergestanden bin ich einem Eisbären noch nicht, das möchte man auch verhindern“, sagt sie. „Die Grundregel lautet ‚stay away‘. Aber es ist schon sehr imposant, wenn man mit dem Auto aus der Stadt fährt und nach ein paar Minuten Eisbären am Straßenrand sieht.“

Leben am Rande der Arktis

Claudia Grill hat Eindrücke vom Alltag in Churchill festgehalten. In der kanadischen Stadt leben mehr Eisbären als Menschen.

Eisbärenpolizei macht die Stadt sicher

In Churchill hat man gelernt, mit den Bären zu leben. Es gibt eine eigene Eisbärenpolizei, die dafür zuständig ist, nach Bären in der Stadt Ausschau zu halten. Wird ein Tier entdeckt, wird es betäubt, kommt für ein paar Tage in ein Eisbärengefängnis und wird anschließend mit dem Hubschrauber 50 Kilometer nördlich geflogen. Damit soll den Eisbären ein Denkzettel verpasst werden, dass sie in einer Stadt nichts zu suchen haben. Außerhalb der Stadt sind zudem für Besucher und Gäste Warnschilder aufgestellt: „Achtung Eisbär“.

Claudia Grill Eisbären Churchill Forschung

Claudia Grill

Eisbären-Warnschilder sind in Churchill Realität

Heimatbesuche in Niederösterreich nutzt Grill dazu, um über ihr Leben in der Arktis zu berichten, aber auch um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Die Zeit, in der sich das Eis bildet, habe sich nach hinten verschoben, die Eisschmelze nach vorne. „Insgesamt gibt es vier Wochen weniger Eis. Gerade für Eisbären ist das Eis aber sehr wichtig, damit sie auf Robbenjagd gehen können und sich eine Fettschicht anfressen können, um durch den Tag zu kommen.“ Die Zahl der Unfälle von Menschen, die auf der Jagd mit Schneemobilen im Eis einbrechen, steigt zudem, „weil die Eisdecke nicht mehr so dick ist, wie sie früher war“, erzählt Grill.

Schule in Kontakt mit Eisbären-Association

„Rückendeckung“ im Kampf gegen den Klimawandel bekommt Grill nun von ihrer ehemaligen Schule, der Neuen Mittelschule Scheiblingkirchen, wo sie erst kürzlich einen Vortrag hielt. „Wir beschäftigen uns in der Schule seit einem Jahr mit den ‚global goals‘", den Zielen zur Verbesserung der Menschheit und Rettung der Welt“, erklärt Schulleiter Bernhard Brunner. Die 1B, die den Klimawandel zum Thema hatte, lud Claudia Grill zu einem Vortrag ein. Mittlerweile arbeiten die Schülerinnen und Schüler an einem neuen Projekt und wollen Menschen in der Umgebung über die Folgen des Klimawandels und mögliche Lösungsansätze informieren.

Darüber hinaus gibt es einen ersten Kontakt zur Eisbären-Association. Laut Brunner sollen die Scheiblingkirchner Schüler die Homepage mitbetreuen, was den deutschsprachigen Auftritt betrifft. „Der erste Schulausflug nach Churchill wäre nach Willen der Schüler schon nächste Woche“, sagt Brunner. „Wir sind aber ernsthaft daran zu überlegen, ob eine Möglichkeit ist, dass zumindest ein paar von uns zu Claudia fahren und sich das vor Ort anschauen können.“ Mit den 7.000 Kilometern, die zwischen Scheiblingkirchen und Churchill liegen, wäre das mit Sicherheit der längste Ausflug in der Geschichte der Schule.

Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at

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