Doyen der Volksmusik: Walter Deutsch wird 95

Walter Deutsch, Musikwissenschaftler und Doyen der österreichischen Volksmusikforschung, begeht am Sonntag seinen 95. Geburtstag. Der gebürtige Südtiroler moderierte für den ORF zahlreiche Fernseh- und Radiosendungen.

Walter Deutsch, geboren am 29. April 1923 in Bozen, studierte nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft Komposition bei Alfred Uhl und Dirigieren bei Hans Swarowsky. Zunächst als freischaffender Komponist, dann als Ballettkorrepetitor an der Wiener Volksoper tätig, gründete er das Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst (vormals Hochschule für Musik und darstellende Kunst) in Wien, das er von 1965 bis 1993 leitete. Von 1992 bis 1999 war Walter Deutsch Präsident des Österreichischen Volksliedwerkes, seit 1999 ist er dessen Ehrenpräsident.

Deutsch profilierte sich an der Hochschule als Autor und Herausgeber zahlreicher Werke. Als sein wissenschaftliches Hauptwerk gilt die Herausgabe der mehrbändigen Gesamtausgabe der Volksmusik in Österreich, dem „Corpus Musicae Popularis Austriacae“, das Monumentalwerk wird in Fachkreisen COMPA genannt.

Der „Marcel Prawy der Volksmusik“

Seine umfangreiche Publikationsliste enthält neben wissenschaftlichen Arbeiten zahlreiche Unterlagen für den praktischen Gebrauch. Für Niederösterreich wären u.a. Sing- und Spielhefte, Weihnachtsliederhefte und die Sammelmappe „Lieder und Tänze aus Niederösterreich“ zu nennen. Wichtige Dokumente zum traditionellen Liedgut dieser Regionen sind die Liederbücher aus dem Wein-, Wald-, Most- und Industrieviertel (erschienen zwischen 1986 und 1998).

Walter Deutsch im Studio

ORF Niederösterreich

Walter Deutsch in der ersten Folge von „Fein sein beinander bleibn“, 1974

1967 übernahm Deutsch die Leitung des Referates für Volksmusik des neuen ORF-Landesstudios Niederösterreich. In ORF-Sendungen zur Volksmusik in Österreich (u.a. „Fein sein beinander bleibn“, „Sing mit“ und „Spiel mit“) erlangte er hohe Popularität und wird heute noch manchmal auch als „Marcel Prawy der Volksmusik“ bezeichnet.

Weniger bekannt ist sein kompositorisches Schaffen. Auf der CD „Halt es fest, das Leben“ etwa finden sich freitonal gehaltene Vertonungen von Texten Emil Breisachs. Über seine drei Opern sagte er ohne Groll: „Natürlich braucht die niemand auf der Welt und interessiert sich niemand dafür, das macht auch nichts. Aber wenn du eben schöpferisch veranlagt bist, dann schreibst du halt.“

Zahlreiche Preise und viele Ehrungen

Walter Deutsch erhielt zahlreiche Preise und wurde vielfach geehrt, u.a. mit dem Förderungspreis der Stadt Wien für Musik (1955), dem Theodor-Körner-Preis für Musik (1956), dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich (1974), der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold (1993), der Georg-Graber-Medaille (1996) und dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (2003).

Walter Deutsch im Studio

ORF Niederösterreich

Unermüdlich auch mit 95: Walter Deutsch

Im Jahr 2004 erhielt er den Würdigungspreis für Volkskultur und Kulturinitiativen des Kulturpreises des Landes Niederösterreich. In der Festschrift über die Kulturpreisträger schrieb Michaela Brodl über Deutsch: „Die Überlieferungsträger, die singenden, musizierenden und tanzenden Menschen, stellen für ihn die Primärquelle volksmusikalischen Wissens dar. Diese zu besuchen und zu befragen, ihre musikalischen Äußerungen aufzunehmen und zu dokumentieren, diente sowohl der wissenschaftlichen Forschung, der Lehre als auch dem Inhalt seiner Rundfunksendungen.“

Deutsch zu Ehren wurde 1994 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur der „Walter Deutsch-Preis“ geschaffen. Dieser Preis wurde bis 2014 alle zwei Jahre in Anerkennung besonderer Leistungen auf dem Gebiet der Volksmusikforschung verliehen.

Ein Festkonzert in Grafenegg

Aus Anlass des 95. Geburstages würdigt das Österreichische Volksliedwerk ihren Ehrenpräsidenten am Sonntag in der Reitschule von Schloss Grafenegg (Bezirk Krems). „Halt es fest, das Leben. Der Volksmusikforscher als Komponist“ lautet das Motto der Matinee mit Konzert.

Den musikalischen Teil des Vormittags gestalten Agnes Palmisano (Gesang), Günter Haumer (Gesang), Clara Frühstück (Klavier), das Trio Frühstück coro siamo und das Bläserensemble Pentaklang. Als Festredner sprechen Hausherr Tassilo Metternich-Sandor, Norbert Gollinger (Landesdirektor ORF Niederösterreich), Ursula Hemetek (Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) sowie die Landeshauptleute a.D. Josef Pühringer (Präsident des Österreichischen Volksliedwerkes) und Erwin Pröll (Aufsichtsratsvorsitzender der Kultur.Region.Niederösterreich).

Reinhard Linke, noe.ORF.at

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