„Arabischer Frühling“: Zwischen Skepsis und Hoffnung

Der Schriftsteller Nuruddin Farah ist Gast beim Festival Literatur im Nebel. Er ist einer der bedeutendsten afrikanischen Schriftsteller und sagt: „Ich bin nicht überzeugt davon, dass es schon einen ‚arabischen Frühling‘ gibt.“

Der Großteil von Farahs Werk widmet sich dem Zerfall des Staates Somalia und dem Kampf seiner Einwohner um das nackte Überleben. Im Gespräch mit der APA äußert sich Farah zu den jüngsten Entwicklungen im arabischen Raum, insbesondere zu den aktuellen Ereignissen in Libyen.

Libyen: „Land muss andere Richtung einschlagen“

„Ich sehe die Situation etwas komplizierter als die meisten. Gaddafi war jetzt jahrzehntelang an der Macht, und das gesamte Land muss nun eine andere Richtung einschlagen. Jetzt ist die Zeit für Ruhe, und man sollte aufhören damit, sich in die Angelegenheiten des libyschen Volks einzumischen. Die Übergangszeit ist sehr wichtig. Man muss dem Frieden eine Chance geben. Natürlich sind die Leute glücklich, dass Gaddafi abgesetzt und getötet wurde. Jetzt muss man sich aber fragen: Was will das libysche Volk?“

Auf die Frage wie er insgesamt den arabischen Frühling beurteile, gibt sich Farah optimistisch. Dass es schon einen arabischen Frühling gibt, davon ist er nicht überzeugt, sehr wohl aber davon, dass es Zeit und Hoffnung gibt, dass ein echter arabischer Frühling heraufdämmert, der ganz Afrika inspiriere. „Wir müssen mit uns selbst in Berührung kommen, uns den Problemen stellen. Europa und Amerika haben keine Veranlassung zu meinen, dass es nur einen einzigen Lösungsweg für Afrika gibt. Alles wird besser gehen, wenn die Menschen Demokratie anstreben, indem sie ihre Leben rekonstruieren. Die Individuen müssen sich ändern, weil es nicht damit getan ist, in bisher autoritär regierten Ländern die Führung auszutauschen.“

Nuruddin Farah

APA/DPA/Tim Brakemeier

„Niemand gibt etwas freiwillig her“

Vor allem die „normalen Leute“ müssten sich ändern, so Farah gegenüber der APA. Das betreffe die Beziehungen zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern, „alles muss sich ändern“. In Europa und Amerika sei das in den frühen 1970er Jahren geschehen. Vor der Bürgerrechtsbewegung habe es in Amerika keine Demokratie gegeben, so der Schriftsteller. „Und niemand kann mir erzählen, dass es in Österreich zuvor Demokratie gab. Und bis heute sind Frauen und Männer in Österreich nicht gleichgestellt. Da muss sich etwas verbessern. Gleichheit kommt nicht so einfach von selbst, niemand gibt etwas freiwillig her.“

Als Erzähler ist Farah an Geschichten von Menschen interessiert. „Es ist die persönliche Erzählung, die einen die Komplexität von allem verstehen lässt. So lange die Menschen wissen, wo sie hinwollen, und so lange sie um Gerechtigkeit kämpfen, für das Wohlergehen von allen, glaube ich, dass wir ankommen werden.“

„Leute kennen ja nicht einmal ihre eigene Literatur“

Dass afrikanische Literatur in Europa nicht sehr bekannt ist, dafür hat Farah eine Erklärung. „Es scheint so zu sein, dass die Europäer ein Problem mit afrikanischer Literatur haben. Aber die Leute kennen ja nicht einmal ihre eigene Literatur. In Österreich kennt man doch die österreichische Literatur nicht.“ Bevor man imstande sei, afrikanische Literatur zu verstehen, müsse man die eigene Literatur kennen. Die Menschen seien nicht wirklich offen für neue Gedanken, für die meisten sei das Leben sehr schwierig, man habe nicht viel Zeit.

Afrikanische Literatur sei sehr verschieden von anderen Literaturen. „Auch in Afrika wissen wir nicht viel über afrikanische Literatur. Wir alle müssen demütige Literaturstudenten werden, und so werden wir in unserem eigenen Leben ankommen.“

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