Freispruch: Staatsanwalt mit Aktenberg überfordert

Jener Wiener Staatsanwalt, der versucht haben soll, seinen Rückstand bei der Bearbeitung von Strafakten durch Fehleinträge zu kaschieren, ist in Wr. Neustadt freigesprochen worden. Ein Gerichtspsychiater hat dem Angeklagten ein massives Burn-Out-Syndrom attestiert.

Der Prozess gegen den Wiener Staatsanwalt läuft bereits seit dem Herbst 2011. Dem 51-Jährigen wurde angelastet, er habe seinen Rückstand bei der Bearbeitung von Strafakten kaschieren wollen, indem er im elektronischen Justiz-Register Verfahrensschritte als erledigt eintragen ließ, die in Wahrheit noch offen waren. Der Freispruch ist aber noch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab.

Angeklagter arbeitete oft bis in die Nacht hinein

Der Staatsanwalt war mit dem Anfall von Akten nicht zurecht gekommen. „Ich hatte in einem Jahr 725 Anzeigen auf meinem Tisch, also drei neue jeden Tag“, rechnete der Wiener zu Verfahrensbeginn vor. Dass er oft bis 3.00 Uhr in seinem Büro den Rückstand aufzuarbeiten versuchte, half nichts. Ebenso wenig die Tatsache, dass der Staatsanwalt sogar auf Urlaub verzichtete, um die Aktenberge abzubauen.

Daher soll er einen Kanzleimitarbeiter angewiesen haben, im Justiz-Register Verfahrensschritte einzutragen, die noch gar nicht getätigt worden waren. Zwar hatte der Staatsanwalt die Beschlüsse bereits fein säuberlich handschriftlich notiert, aber eben noch nicht in den Strafakt eingetragen.

300 unerledigte Akten gefunden

Als im Herbst 2009 die Behördenleiterin Nachschau im Büro des Staatsanwaltes hielt, lagen dort unerledigte Aktenteile entweder auf dem Boden verstreut oder in versperrten Kästen - laut Anklage 300 an der Zahl.

Eigene „Stapelsysteme“ hatte sich der Staatsanwalt zugelegt - der vorderste Stapel der dringendste, der letzte der am wenigsten pressierende. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde aktiv, der Staatsanwalt vorläufig suspendiert. Wegen Befangenheit der Wiener Kollegen wurde der Prozess an das niederösterreichische Gericht abgegeben.

Freispruch auch für mitangeklagten Kanzleimitarbeiter

Mitangeklagt war auch ein Kanzleimitarbeiter, der auf Anweisung des Staatsanwaltes die Eintragungen ins Justiz-Register vorgenommen hatte. Auch der 55-Jährige wurde freigesprochen.

Gerichtspsychiater diagnostizierte Burn-Out

Ausschlaggebend für den Freispruch war das Gutachten von Gerichtspsychiater Wolfgang Soukop. Dieser tat die Verantwortung des Beschuldigten, dass ihm aufgrund eines massiven Burn-out die Arbeit buchstäblich über den Kopf gewachsen sei, nicht als Ausrede ab.

Er beschrieb den Staatsanwalt als „hochintelligenten Mann“, dem allerdings „depressive Störungen“, und „Selbstwertzweifel“ zugesetzt hätten. „Aufgrund seiner Unsicherheit hat er das Mehr an Akten nicht geschafft, das andere locker abgearbeitet hätten.“ Auf der anderen Seite sei der Mann ein „Workaholic“ gewesen. „Ihm sind die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit verloren gegangen. Er hielt private und berufliche Termine nicht ein, dafür arbeitete er bis spät in der Nacht. Er litt an einer Realitätsverzerrung und glaubte, dass er jeden Akt tatsächlich rechtzeitig bearbeiten werden könne.“ Deshalb sei „ein Unrechtsbewusstsein bei dem Angeklagten nicht gegeben gewesen“, so der Psychiater.

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