Verdrängte Erinnerungen in Dokumentarfilm

Im Dokumentarfilm „Heil Hitler - Die Russen kommen“ blättert der im Weinviertel aufgewachsene Simon Wieland in den verdrängten Erinnerungen der Generation seiner Eltern - „damit sie nicht vergessen werden“, so der Regisseur. Am Freitag (27. Jänner) startet der Film regulär in den Kinos.

„Wir sind wie ein Geschichtsbuch. Aber auch in einem Geschichtsbuch muss man blättern“, sagt eine Zeitzeugin. Sie ist eine jener Menschen, deren Kindheit im Weinviertel vom Nationalsozialismus und der sowjetischen Besatzung nach Kriegsende geprägt war.

Zwischen sechs und 16 Jahren waren die Protagonisten des Films, als Adolf Hitler reichsdeutsche Wehrmachtstruppen in Österreich einmarschieren ließ. Viele von ihnen reisten damals nach Wien, erhoben ihre Hand zum Führer, „bis sie wehgetan hat“. In 13 Kapiteln erzählen sie von der anfänglichen Euphorie bis zur Ernüchterung, dem Verlust von Verwandten an der Front, der Einberufung junger Buben als Kindersoldaten und der kargen Nachkriegszeit.

Zeitzeugen im Interview

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„Die Aggression kam zurück“

Den ausführlichsten Teil des Films nehmen die Erzählungen über jene Repressalien durch die Rote Armee ein, die sie nach Kriegsende erleiden mussten. Die Frauen zeigen die Keller und Dachböden, in denen sie sich damals versteckt haben. Fast jede von ihnen wurde in dieser Zeit mindestens einmal von russischen Soldaten vergewaltigt.

Nach dem Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht in Osteuropa „kam die Aggression zurück“, so Wieland. „Die Bevölkerung im Osten Europas hat das am stärksten zu spüren bekommen.“ Es ist eine sehr einseitige Sicht der Dinge, die „Heil Hitler - Die Russen kommen“ wiedergibt. Nur kurz wird die Deportation von Juden abgehandelt, der Holocaust an sich wird nur gestreift. Archivmaterial wechselt sich mit Landschaftsaufnahmen ab, zusätzlichen Text zu den Erzählungen gibt es keinen. Kann man sich als Österreicher vor dem Hintergrund von rund sechs Millionen ermordeten Juden als Opfer darstellen? Nur das Bewusstsein, dass sie alle damals ihrem Umfeld ausgelieferte Kinder waren, lässt das mulmige Gefühl abschwächen.

Zeitzeugen im Interview

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„Es geht nicht um ein Aufrechnen oder darum, Schuld wegzuschieben“, betont Co-Regisseur Andreas Kuba bei der Premiere, „sondern darum, ein Vermächtnis gegen den Krieg abzulegen.“ Einige der Protagonisten zeigen sich überzeugt, dass „die Menschen bis heute nichts daraus gelernt haben“. „Es sind immer ganz wenige, die den Krieg wollen, und das Volk ist immer das Leidtragende“, so ein Mistelbacher. Eine andere Protagonistin hört gar „in einem aktuellen Politiker einer gewissen Partei“ Hitler sprechen, und sieht in den Anhängern der Partei jene, die einst den Nationalsozialismus gepriesen haben.

„Kein Anspruch, alle Perspektiven zu zeigen“

Um nah an die Protagonisten heranzukommen, filmte Wieland die Gespräche mit einer Handkamera. „Sie waren überraschenderweise sehr offen und sehr bereit, darüber zu reden“, erzählt er. Die spürbare „Schwere und Trostlosigkeit“, die Wieland bereits während seiner Kindheit in den 60er Jahren im Weinviertel gespürt hat, habe ihn zu dem Film inspiriert.

„Wir erheben keinen Anspruch, alle Perspektiven zu zeigen“, stellt er klar. Nur alle Zeitzeugen-Filme in ihrer Gesamtheit könnten ein akkurates Bild ergeben. „Heil Hitler - Die Russen kommen“ ist ein gerechtfertigtes Zeitdokument von „kleinen Geschichten hinter der großen Geschichte“, lässt aber im Film selbst eine (zumindest im Abspann schriftliche) Einordnung in das Gesamtbild schwer vermissen.

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