Missbrauchsfälle: Erschütternde Details

Vor zwei Jahren hat die Aufdeckung von Missbrauchsfällen in Heimen für großes Aufsehen gesorgt. Das Land Niederösterreich richtete eine Opferschutzkommission ein. Eine Studie der Universität Wien offenbarte erschütternde Details.

200 Fälle von Misshandlung an Jugendlichen sind derzeit bekannt, und das alleine in niederösterreichischen Landesheimen. Es handelt sich um Fälle aus den 60er, 70er und 80er Jahren - mehr dazu in Immer mehr Missbrauchsopfer melden sich.

Noch immer melden sich im Schnitt jährlich 70 Zöglinge von damals. Nur acht wurden bisher von der Opferschutzkommission als unglaubwürdig abgelehnt, sagte der Koordinator der niederösterreichischen Opferschutzkommission Otto Huber: „Ich kann nicht abschätzen, wie lange die Kommission und der Beirat noch tätig sein werden.“

„20 Jahre dauert es, bis sich jemand outet“

Das Land Niederösterreich gab dazu eine Studie an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien in Auftrag, 58 Missbrauchsopfer nahmen daran teil, heißt es seitens der Studienautorin Brigitte Lueger-Schuster. „Für mich war sehr eindrücklich, dass es im Durchschnitt fast 20 Jahre gedauert hat, bis sich jemand geoutet hat.“

Die Studie der Universität Wien zeigt die extremen Auswirkungen der damaligen Misshandlungen. Alle Teilnehmer erfuhren demnach körperliche Gewalt, 54 in Verbindung mit psychischer Gewalt und 33, also mehr als die Hälfte der Befragten, mussten körperliche, psychische und sexuelle Gewalt ertragen. Die meisten litten noch heute unter Angststörungen, so Lueger-Schuster. „Wir haben niemanden gefunden, der es geschafft hätte, eine Matura zu machen oder ein Studium anzustreben. Viele sind schon in Frühpension, weil sie dieser Leidensweg krank gemacht hat.“

„Viele Opfer im Leben gescheitert“

Ein Drittel der Teilnehmer leidee unter der schwersten Form, der posttraumatischen Belastungsstörung, so Lueger-Schuster. „Das ist das, was man findet, wenn man mit Menschen Forschungen macht, die Folter überlebt haben oder schwere Vergewaltigungen.“

Der 56-jährige frühere Sportler Karl Hiess ist wegen solcher Traumata heute Frühpensionist. Er war das erste Missbrauchsopfer, das offen darüber sprach, vor allem über Vorfälle in Allentsteig in den 80er Jahren. „Viele sind gescheitert im Leben, sind kriminell oder auffällig geworden, haben Drogen missbraucht. Da sind so viele Existenzen gar nicht entstanden. So viele sind schon in ihrer Jugend gescheitert, und das ist eigentlich die Bestätigung. Und dann stellen sich die Verantwortlichen der damaligen Zeit hin und sagen: Wenn da was gewesen wäre, hätten wir was gemacht. Dabei hat jeder gewusst, was da passiert.“

Altes Foto von Allentsteig in schwarz-weiß

ORF

Neues Gesetz soll im Herbst beschlossen werden

Im Oktober soll ein neues Jugendhilfegesetz im Landtag beschlossen werden, das die Regeln noch weiter verschärft, sagte der zuständige Landesrat Maurice Androsch (SPÖ). Wichtig sei dabei mehr Transparenz und mehr Dokumentation, Eltern- und Kinderrechte sollen stärker herausgearbeitet werden, so Androsch, „damit die Jugendlichen und Kinder in den Jugendheimen bestens betreut werden und solche Fälle in Zukunft nicht mehr auftauchen können“. Bisher wurden fast zwei Millionen Euro an die Opfer ausbezahlt und mehr als 8.000 Therapiestunden finanziert.