OGH: Homosexualität „gleich zu behandeln“

Ein Missbrauchsprozess in Wr. Neustadt wird neu aufgerollt. Ein Pädagoge soll Burschen zu sexuellen Handlungen gezwungen haben, mit der Drohung, ansonsten ihre schwulen Neigungen zu verraten. Laut OGH sei das aber keine Drohung.

Im Fall eines Pädagogen, der im April 2013 wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs an jungen Männern zu 14,5 Jahren Gefängnis plus Einweisung in eine Anstalt verurteilt worden war, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) Teilaspekte des Prozesses zur Neuverhandlung an das Landesgericht Wiener Neustadt zurückverwiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten wurde verworfen.

Homosexualität „nichts Ehrenrühriges“

In der 35-seitigen Entscheidung bezieht der OGH auch Stellung zur Homosexualität, die erstmals als „gleich zu behandeln“ betrachtet wird. Dem Pädagogen war in dem umfangreichen Prozess u.a. vorgeworfen worden, junge Burschen zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben, in dem er ihnen androhte, ansonsten deren Eltern über ihre schwulen Neigungen zu informieren. Genau diese Nötigungen stellen nach jüngster Ansicht des OGH nunmehr keine Drohungen dar. Eine gleichgeschlechtliche Orientierung könne nicht anders behandelt werden als eine heterosexuelle Ausrichtung des Lebens. „In ihr liegt nichts Ehrenrühriges.“

„Grundsätzlich ist diese Erkenntnis zur Homosexualität positiv zu beurteilen“, sagte Johannes Stephan Schriefl, einer der Opferanwälte, am Donnerstag zur APA. „Es ist aber auch nicht opferbeachtend“, warnte der Jurist. Man müsse sich in die jungen Burschen hineinversetzen, für die es damals (im Jahr 2009, Anm.) doch etwas bedrohliches an sich hatte und die deswegen die sexuellen Handlungen über sich ergehen ließen. Zudem befürchtete Schriefl, dass die Neuaufrollung von Teilaspekten des Prozesses wie diesen eine „drastische“ Strafreduzierung mit sich ziehen würde, auch wenn es bei einer generellen Verurteilung des Pädagogen bliebe. „Es wird aber zu einer anderen Strafbemessung kommen, wenn gewisse Nötigungsdelikte nun keine mehr sind.“

Noch steht kein neuer Verhandlungstermin fest. Laut dem Opferanwalt könnte es aber schon im April oder Mai zu einem Prozess kommen.

Schlagzeilen wegen Haftunfähigkeit

Der Fall hatte im Frühjahr 2011 für Schlagzeilen gesorgt, als es zu einer erneuten Festnahme des Pädagogen kam. Denn der damals 46-Jährige war - nach einer Ende Juli 2009 rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu vier Jahren Freiheitsstrafe - zunächst überraschend von einem Psychiater wegen Depressionen und Klaustrophobie für haftunfähig erklärt worden. Für die folgende U-Haft im Jahr 2011 spielte dies dann keine Rolle mehr, er wurde wieder untersucht und die Haftunfähigkeit aufgehoben.

Die Anklage im vergangenen Prozess umfasste ein Dutzend Vorwürfe, u.a. Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauch Unmündiger, Herstellung und Weitergabe von Kinderpornos sowie Stalking. Zudem soll er einen Buben mit einem Schlafmittel betäubt und missbraucht haben. Das Verfahren wurde damals auf Antrag des Beschuldigten unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt.