Weltweit bis zu 20 positive EPO-Proben

Pro Jahr sind weltweit bis zu 20 EPO-Proben positiv, das sagt Günter Gmeiner. Er ist Leiter des Anti-Doping Kontroll-Labors in Seibersdorf. Sein Labor entwickelte auch jenes Analyse-Verfahren mit, das nun in Sotschi im Einsatz war.

Das österreichische Anti-Doping-Labor in Seibersdorf hat für die Nachweisbarkeit von EPO eine Spezialkamera und eine Spezialsoftware entwickelt, die weltweit eingesetzt wird. Bis ins Jahr 2000 war künstliches EPO nur im Blut und höchst unzuverlässig nachzuweisen. Der 48-jährige Günter Gmeiner ist Chemiker und seit 2002 Leiter des Doping-Kontroll-Labors in Seibersdorf. Der Wissenschaftler und Anti-Doping-Experte ist außerdem international in diversen Kommissionen tätig. Im Interview mit Anna Wohlmuth gibt er einen Einblick in die Anti-Doping-Forschung und erklärt, was es mit jener Substanz auf sich hat, die aktuell bei dem Langläufer Johannes Dürr nachgewiesen wurde - mehr dazu in Doping: Dürr positiv getestet.

noe.ORF.at: Johannes Dürr wurde in Sotschi positiv getestet, der Stoff EPO in seiner Probe nachgewiesen. Was ist EPO?

Günter Gmeiner: EPO ist die Abkürzung für Erythropoietin und EPO ist ein körpereigenes Hormon, das dafür zuständig ist das rote Blutkörperchen aufgebaut werden. Die werden dafür gebraucht, um den Sauerstoff in die entsprechenden Gewebe zu transportieren und je mehr rote Blutkörperchen man hat umso besser sind die Muskelgewebe mit Sauerstoff versorgt und desto eine längere Ausdauerleistung kann ein Sportler üblicherweise machen. Synthetisches EPO, also künstliches EPO wird gespritzt um hier die Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes zu erhöhen, nämlich durch mehr rote Blutkörperchen. Weil auch künstliches EPO regt die roten Blutkörperchen.

noe.ORF.at: Das heißt EPO ist ein Stoff der gespritzt wird?

Günter Gmeiner: EPO ist üblicherweise als Injektionspräparat erhältlich und wird gespritzt.

noe.ORF.at: Kann ein Sportler das alleine machen oder braucht er eine medizinische Anleitung, um das zu tun?

Günter Gmeiner: Nein, das kann ein Sportler alleine machen, weil die Spritze nicht in die Vene, sondern ins Muskelgewebe gesetzt wird. Selbst wenn es in die Vene wäre, kann sich das sicher auch jemand alleine spritzen.

Günter Gmeiner

privat/Gmeiner

Günter Gmeiner

noe.ORF.at: Jetzt fragt man sich natürlich, kann man das in der Apotheke kaufen oder wo bekommt man EPO?

Günter Gmeiner: Es ist an sich rezeptpflichtig, man kriegt es in der Apotheke nur mit Rezept. Aber es gibt natürlich im Internet heutzutage alles zu kaufen, so auch EPO-Präparate.

noe.ORF.at: Wie schnell nach der Einnahme ist EPO nachweisbar?

Günter Gmeiner: Also EPO selber ist relativ bald nach der Injektion nachweisbar, ich würde meinen, innerhalb von wenigen Stunden kann man hier analytisch das im Körper gebildete von dem synthetischen EPO unterscheiden.

noe.ORF.at: Binnen weniger Stunden ist es schon nachweisbar und wie lange ist es danach nachweisbar?

Günter Gmeiner: Ja das ist eine relativ komplexe Frage und zwar deswegen, weil es ungefähr zwischen 80 und 100 unterschiedliche EPO-Präparate gibt und da ist die Nachweisdauer, dieses diagnostische Fenster, sehr unterschiedlich. Das geht von wenigen Tagen bis hin zu einigen Wochen.

noe.ORF.at: Wird das üblicherweise im Blut oder im Urin diagnostiziert, wie sind die üblichen Verfahren?

Günter Gmeiner: Es ist sowohl über das Blut als auch über den Urin möglich, die große Mehrzahl aller EPO-Präparate werden im Urin nachgewiesen. Es gibt aber einige die nur im Blut nachweisbar sind, und nur sehr schwer, wenn überhaupt, im Urin.

noe.ORF.at: Im Fall von Johannes Dürr ist dieser zu Beginn und gegen Ende der Winterspiele in Sotschi gewesen, dazwischen war er in Österreich. Was den Zeithorizont der Nachweisbarkeit betrifft, spricht man da von Stunden, Tagen oder Wochen?

Günter Gmeiner: Je nachdem um welche Präparate es sich handelt und natürlich hängt das auch von der Dosierung ab. Wenn es sich um ein schnell abbauendes EPO-Präparat handelt, dann ist es nur wenige Tage nach der Injektion nachweisbar. Wenn es aber ein EPO-Präparat ist, das sehr lange in der Zirkulation bleibt, also eine sehr lange Halbwertszeit hat, dann ist dieses auch ein bis zwei Wochen lang analytisch nachweisbar – immer unter der Annahme, dass hier eine entsprechende Wirkdosis appliziert wurde.

Es gibt auch die Praxis, dass Sportler sehr rasch abbauende Präparate verwenden und diese mikrodosieren – das heißt, nur geringe Mengen, dafür aber kontinuierlich injizieren. Dadurch ist natürlich ein Nachweis erschwert, das heißt im Konkreten, dass hier das diagnostische Fenster dementsprechend kleiner ist. Aber ich würde meinen, dass eine EPO-Injektion selbst mit dem schnellstabbauenden EPO-Präparat innerhalb von zwei bis drei Tagen nach der Injektion noch nachweisbar ist, mit den Methoden die derzeit angewendet werden.

Doping Sujetbild

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noe.ORF.at: Kann man mit den heutigen Untersuchungsmethoden nur grundsätzlich sagen, ob EPO angewendet wurde oder auch wie lange und in welcher Intensität es genommen wurde?

Günter Gmeiner: Also die übliche Vorgehensweise, das was wir berichten, ist schon ja/nein – das unterscheidet den negativen vom positiven Fall. Ja - und zwar mit Sicherheit wurde hier neben dem körpereigenen EPO auch synthetisches gefunden, das ist das eine. Man hat aber vielleicht auch die Möglichkeit Rückschlüsse zu ziehen, um welches EPO-Präparat es sich gehandelt hat - das ist nicht immer möglich, in gewissen Fällen schon. Aber man kann nicht sagen, wie viel und wann und wie oft sich jemand EPO gespritzt hat.

noe.ORF.at: Sind für den Sportler, je nach Dauer und Intensität der Einnahme, grundsätzlich auch gesundheitsschädigende Auswirkungen möglich?

Günter Gmeiner: Das was hier am häufigsten diskutiert wird ist die Tatsache, dass wenn Sie mehr rote Blutkörperchen haben, und die roten Blutkörperchen boosten Sie ja mit einer EPO-Injektion, wird ihr Blut zähflüssiger. Das heißt, das Herz muss sich mehr anstrengen, um das Blut in der Zirkulation zu halten. Dementsprechend gehen gesundheitsschädigende Argumente eher in die Überlastung des Herzens und die dadurch eventuellen Langzeitschäden.

noe.ORF.at: Wie viele Tests werden denn in ihrem Labor in Seibersdorf jährlich gemacht und wie viele davon sind positiv?

Günter Gmeiner: Wie haben voriges Jahr an die 7.000 Proben analysiert und wir liegen in der positiven Statistik immer so bei ein bis zwei Prozent aller Proben, die positiv sind.

noe.ORF.at: Wie viele der positiven Proben stehen in Zusammenhang mit EPO?

Günter Gmeiner: Bei dieser Statistik schert man natürlich alle Sportarten über einen Kamm. Im Prinzip ist es so, dass in der positiven Statistik die anabolen Steroide noch immer Nummer eins sind, mit ungefähr 50 Prozent aller positiven Fälle. EPO selber wird nicht allzu häufig nachgewiesen. Was ich so in Erinnerung habe, sind es weltweit gesehen zehn bis 20 Fälle, die pro Jahr mit EPO positiv berichtet werden.

noe.ORF.at: Ist EPO ein klassisches Doping-Mittel für den Ausdauersport?

Günter Gmeiner: Ich würde es einmal so sagen, der leistungssteigernde Effekt, den EPO mit sich bringt, ist sicherlich für den Ausdauersport am geeignetsten, weil es hier um die Langzeitsauerstoffversorgung des Gewebes geht, durch mehr rote Blutkörperchen. Deswegen ist EPO in Ausdauersportarten sicherlich eine Zielsubstanz der Analytik und dort wird es auch am häufigsten gefunden, ich sage jetzt einmal beispielsweise im Radsport, im Langlauf oder auch im Biathlon.

EPO Mittel

APA/Georg Hochmuth

EPO-Mittel

noe.ORF.at: Ihr Labor in Seibersdorf, hat 2009 eine Spezial-Software entwickelt, die heutzutage in allen Doping-Labors weltweit verwendet wird. Kann man überspitzt sagen, die Erfindung aus Niederösterreich hat auch den Niederösterreicher Johannes Dürr nun in Sotschi überführt?

Günter Gmeiner: Ich habe keine Zweifel daran, dass diese Software, die bei uns entwickelt wurde, im Einsatz war bei der Auswertung von EPO-Proben im Welt-Anti-Doping-Labor in Sotschi. Man kann natürlich nicht sagen, dass die Software jemanden überführt, sondern die Software hat den Experten geholfen, die analytischen Daten so aufzubereiten, dass sie eine entsprechende Entscheidung fallen können.

noe.ORF.at: Was wird im Anti-Doping-Labor in Seibersdorf gemacht?

Günter Gmeiner: In der Seibersdorf Labor GmbH gibt es ein von der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditiertes Doping-Kontroll-Labor. Wir sind hier in Seibersdorf das einzige Labor in Österreich, es hat davor keines gegeben, wir waren das erste. Wir führen Analysen für Sportverbände und Anti-Doping-Agenturen durch, nach den sehr strikten Richtlinien der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Wir entsprechen in unserer Analytik den internationalen Standards.

Das hat zur Folge, dass die in Seibersdorf erhobenen Analyse-Ergebnisse international anerkannt werden, auch vom Internationalen Sportgerichtshof. Wir analysieren für die nationale Dopingagentur NADA, aber auch für andere Anti-Doping-Agenturen wie zum Beispiel Slowakei, Slowenien, Ungarn, Kroatien, auch von diesen Laboren bekommen wir Proben zur Analyse und auch von der UEFA.

noe.ORF.at: Seit wann beschäftigen Sie sich in ihrem Labor mit EPO?

Günter Gmeiner: Unser Labor wurde im Jahr 2002 akkreditiert und seit diesem Jahr beschäftigen wir uns mit der Analyse von EPO-Proben. Es wurde in unserem Labor ein Spezial-Analyse-Verfahren maßgeblich mitentwickelt, das für die Analyse von EPO auch internationaler Standard geworden ist und so auch in Sotschi im Einsatz war.

Das Gespräch führte Anna Wohlmuth, noe.ORF.at