Experten warnen vor Cyber-Grooming

Experten warnen Kinder und Jugendliche vor „Cyber-Grooming“, dem gezielten Ansprechen von Kindern und Unmündigen im Internet. Wie häufig es dazu kommt, ist statistisch kaum zu erfassen. Die Polizei spricht aber von immer mehr Fällen.

Die Welt des Internets - die heutigen Jugendlichen kennen ein Leben ohne sie nicht. Sie sind so genannte Digital Natives (dt. digitale Eingeborene), also mit dem Internet aufgewachsen. Bis zu drei Stunden am Tag sind sie online. Sie haben nicht einige wenige, sondern oft mehrere hunderte Freunde - dabei lauern Gefahren. Sie fühlen sich sicher und anonym und genau das wird ihnen bei Cyber-Grooming zum Verhängnis. Dabei werden meist junge Mädchen von älteren Männern in Chaträumen kontaktiert. Irgendwann wollen die Männer, die sich oft jünger machen als sie sind und sich durchaus auch mit erfundenen Identitäten schmücken, ein Treffen. Nicht selten mit dem Ziel, wie es bei der Polizei heißt, Mädchen zu missbrauchen.

Grooming seit 2012 strafbar

Seit 2012 ist das gezielte Ansprechen von unmündigen, unter 14-jährigen Kindern mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte strafrechtlich verboten. §208a stellt Grooming sowohl in der virtuellen als auch der realen Welt unter Strafe.

Manchmal sind es aber auch die Jugendlichen selbst, die derartige Kontakte gezielt suchen, sagt Maximilian Schubert von der ISPA (Internet Service Providers Austria), einem Mitglied bei dem Projekt „Safer Internet“. Manche Jugendliche würden ganz gezielt Foren aufsuchen, wo sie mit Inhalten konfrontiert werden, die unpassend für sie sind, sagt Schubert, weil sie das gemeinsam als Mutprobe tun.

„Dann sitzen sie zu fünft vor dem Rechner und suchen quasi den Kick, was natürlich auch eine Form des Lernens ist. Schwierig ist es natürlich, wenn Personen unbedarft sind oder alleine diese Dinge tun, oder was leider sehr oft vorkommt, wenn sie niemanden haben, mit dem sie über Dinge sprechen können, die sie dann überfordern.“

Cyber Sujets

ORF

Wer steckt wirklich hinter einer „Bekanntschaft“ im Internet?

Auf aktuelle Fotos von Unbekannten bestehen

Wenn das Gegenüber nach kurzer Zeit von inniger Freundschaft spricht, auffallend viele Komplimente macht oder wissen will, ob man allein zu Haus ist und eine Internetkamera hat - all das können bereits Warnsignale sein. Experten raten, im Gespräch über Jugendthemen wie etwa Musikbands abzuklären, was das Gegenüber weiß und so vielleicht herauszufinden, wie das Gegenüber tickt. „Wenn es später einmal zu der Phase kommt, wo Fotos ausgetauscht werden, sollte man unbedingt darauf bestehen, dass es ein aktuelles Foto ist und dann vorschlagen, schick mir nicht irgendein Foto von Dir, sondern schick mir ein Foto von Dir, wie Du zum Beispiel die Maus neben das Ohr hältst“, sagt Schubert. Wichtig ist es, ein aktuelles Foto zu verlangen, das nicht vorher angefertigt werden kann oder aus einer Bilddatenbank heruntergeladen werden kann, so der Experte. „Seit jeder Laptop und jedes Handy über eine Kamera verfügt, sollte das kein Hindernis sein.“

Neben Cyber-Grooming, gibt es auch andere kriminelle Trends. Der aktuellste heißt Sexscam und zielt auf junge Männer ab. Sie werden von Internet-Bekanntschaften animiert sich vor der Webcam auszuziehen, dabei wird mitgefilmt und danach werden die jungen Männer erpresst. „Wir haben diesen Trend zuerst in Großbritannien ausgemacht und er kommt jetzt auch immer stärker nach Österreich. Es ist schwierig zu sagen, wie viele Personen betroffen sind, weil die Opfer große Hemmungen haben zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten“, sagt Schubert. Weil dahinter, so der Internetexperte, internationale Erpresserbanden stecken, sollten Opfer die virtuelle Welt verlassen und den Fall jedenfalls der Polizei melden.

noe.ORF.at: Wie kommt es, dass Jugendliche sich dazu hinreißen lassen, freizügige Fotos von sich zu verschicken. Sagen nicht viele Erwachsene, so etwas hätte man früher nicht gemacht?

Schubert: Ich denke, wir haben früher alle eifrig Briefchen geschrieben und die dann ausgetauscht. Das was früher Briefchen waren sind heute Selfies oder Fotos, die die Jugendlichen von sich aufnehmen. Dadurch ist natürlich auch die Hemmschwelle deutlich gesunken, Fotos von sich zu machen. Das ganze beginnt ja schleichend, am Anfang ist es vielleicht ein Träger der verrutscht ist, und man gleitet da relativ leicht hinein. Wie gesagt, die Schwelle ist niedriger.

noe.ORF.at: Gibt es ihrer Erfahrung nach viele Eltern die diese neuen Phänomene wie Cyber-Grooming, Sexting & Co. gar nicht kennen?

Schubert: Ich denke bei den Eltern besteht eine Art diffuses Unsicherheitsgefühl, das Internet als etwas Bedrohliches. Und wahrscheinlich fällt es den Eltern aus diesem Grund auch schwer zu verstehen, warum die Kinder da so unbefangen herangehen, aber die haben nie etwas anderes kennengelernt, die sind mit dem Internet aufgewachsen und haben konkrete Vorstellungen. Eltern haben mehr so eine diffuse Angst, die sie vielleicht letztlich davor zurückhält, sich wirklich damit zu befassen. Und das Internet einfach nur zu verbieten ist keine Strategie.

noe.ORF.at: Was können Eltern machen, wenn ihnen etwas Verdächtiges auffällt?

Schubert: Die Nachricht an die Eltern wäre wahrscheinlich, dass wenn sie darüber nachdenken mit ihrem Kind zu sprechen, sind sie wahrscheinlich schon zu spät dran. Wir sehen heute schon, dass die Drei - bis Sechsjährigen regelmäßig mit internetfähigen Geräten hantieren und quasi diese Trennung zwischen Offline- und Online-Welt dann nicht mehr kennen. Also wahrscheinlich sollte man schon im Kindergarten darüber sprechen, was es alles im Internet gibt und vor allem ganz wichtig: was tue ich, wenn ich etwas finde, was mich überfordert, was ich widerwärtig finde. Ganz klar sagen, es ist nicht Deine Schuld, dass Du das gefunden hast, wir reden darüber und schauen was wir machen.

Anna Wohlmuth, noe.ORF.at

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