1914/2014: Tagung über Alltag „fern der Front“

Nicht Schlachtpläne und Kriegstaktiken, sondern das Alltagsleben der Zivilbevölkerung „fern der Front“ des Ersten Weltkriegs soll ab Montag bei einer Konferenz auf der Schallaburg (Bezirk Melk) im Mittelpunkt stehen.

Von Montag bis Mittwoch diskutieren Historiker auf der Schallaburg, wo derzeit die Ausstellung „Jubel & Elend“ gezeigt wird, unter anderem die Agrarwirtschaft um Wien, die Schicksale von Flüchtlingen und Kriegsgefangenen und die Mobilisierung der Frauen - etwa mit dem „Liebesgaben“-System.

Kompanie, Erster Weltkrieg, unbekannte Herkunft

Archiv des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung

„Wir konzentrieren uns im Gegensatz zu den meisten anderen, oft kriegszentrierten Veranstaltungen auf den Alltag der Zivilbevölkerung im Hinterland. Das ist sicher ein gewisses Alleinstellungsmerkmal“, berichtet Organisatorin Elisabeth Loinig vom Niederösterreichischen Landesarchiv im Gespräch mit der APA. Neben dem Einzug der Kriegspropaganda in Presse, Film und Unterricht oder dem Schicksal von Kriegsflüchtlingen steht beispielsweise die Rolle der Frauen in Landwirtschaft und Industrie sowie ihre Mobilisierung im Fokus.

Fokus: Die Rolle der Frau während der Kriegsjahre

Mithilfe der Liebesgaben verschränkten sich Front und Heimatfront besonders eng: Die zuhause gebliebenen Frauen wurden aufgerufen, kleine Geschenke für die Soldaten an der Front zu sammeln, um sie an die Heimat zu erinnern und ihre Moral zu heben. Das konnten etwa Zigaretten, Feuerzeuge oder Zuckerl sein, aber auch Briefkontakte zu Kämpfern an der Front galten als Unterstützung. „Briefwechsel zwischen bisher unbekannten Soldaten und Frauen per Feldpost wurden durchaus gefördert“, so Loinig.

Ansichtskarte aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, 1914

Sammlung Glembay

Der Hunger und die Zwangsverpflichtung - auch von Frauen und Kindern - sorgten aber auch für Proteste: „Die Kriegsindustrie konnte nur auf dem Rücken der Arbeiter, vor allem auch der Frauen, richtig laufen“, erklärt Loinig. Dabei kam es infolge der schlechten Arbeitsbedingungen immer wieder zu katastrophalen Unglücken - besonders in der Munitionsproduktion -, die Hunderte Todesopfer unter den jungen Arbeiterinnen forderten. Der Kontrast zwischen boomender Kriegswirtschaft und Mangel bei der Zivilbevölkerung trieb die Menschen auf die Straße und war Mitgrund für Streiks und erste soziale Protestbewegungen.

Ein Vortrag widmet sich auch den Kriegsgefangenen und Vertriebenen. „In Niederösterreich gab es Massenlager mit einer Belegung von bis zu 30.000 Personen“, sagt Loinig. Sie alle seien auf Versorgung angewiesen gewesen - zu einer Zeit, als die einheimische Bevölkerung kaum mehr das Nötigste zu Essen hatte.

Konferenz: Regionale Themen und lokale Bezüge

„In allen Aspekten legen wir auch einen starken Regionalfokus und setzen lokale Bezüge“, meinte Loinig über die vom Niederösterreichischen Institut für Landeskunde und dem Institut für Geschichte des ländlichen Raumes veranstaltete Konferenz. So werden etwa auch die Pfarr- und Schulchroniken einzelner niederösterreichischer Gemeinden und neue Quellen des Landesarchivs auf die Ereignisse des Ersten Weltkriegs ausgewertet und die lokale Verwaltung, die landwirtschaftliche Produktion sowie das bäuerliche Leben rund um Wien beleuchtet.

Schwarz-weiß Bild von Frauen und Kindern im Krieg

ORF

Das Symposium begibt sich auch bereits auf die Meta-Ebene des Weltkriegsgedenkens und analysiert nicht nur Unterrichtsprojekte zum „Großen Krieg“, sondern in einem Round Table auch aktuelle Ausstellungsprojekte des Gedenkjahres. Selbst arbeitet man eng mit der großen Ausstellung auf der Schallaburg zusammen: „Wir wollen da ein bisschen wissenschaftliches Begleitprogramm bieten“, so Loinig.

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