Aufnahmestopp in Traiskirchen

Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen (Bezirk Baden) werden ab Mittwoch keine Asylwerber mehr aufgenommen. Das hat Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) am Dienstag bekanntgegeben.

In der Asylerstaufnahmestelle Traiskirchen gilt ab Mittwoch ein Aufnahmestopp. Landeshauptmann Pröll bestätigte am Dienstagvormittag, dass er der Bezirkshauptmannschaft Baden den Auftrag erteilt habe, einen entsprechenden Bescheid zuzustellen. Ziel der Maßnahme sei es, keine weiteren Asylwerber aufzunehmen und die Belagszahl in Traiskirchen zu senken.

Für den „Akt der Notwehr“ gebe es menschliche und sicherheitstechnische Beweggründe, betonte Pröll. Der nun gesetzte Schritt komme auch „nicht überfallsartig“. Der Landeshauptmann erinnert daran, bereits am 25. Juni angekündigt zu haben, einen Aufnahmestopp ins Auge zu fassen. Seither habe sich die Situation in Traiskirchen nicht nur nicht gebessert, sondern im Gegenteil „zusätzlich verschärft“.

Im Interview mit Claudia Schubert vom ORF Niederösterreich bestätigt Pröll, dass der angekündigte Aufnahmestopp ab Mittwoch umgesetzt wird.

Pröll: Wir haben die Situation mit dem heutigen Vormittag noch einmal überprüft, und die Situation hat sich nicht gebessert. Das ist auch der Grund, warum ich nunmehr den Auftrag an die Bezirkshauptmannschaft Baden erteilt habe, einen Bescheid zu erstellen mit dem Aufnahmestopp für das Lager Traiskirchen. Diese Entscheidung wurde von mir aus menschlichen Gründen und vor allem aus sicherheitstechnischen Gründen getroffen. Aus menschlichen Gründen deswegen, weil es unzumutbar ist - sowohl für die Menschen, die sich im Lager befinden, als auch für die gesamte Region, dass in diesem Lager, obwohl für 450 vorgesehen, nunmehr 1.400 untergebracht werden müssen. Das ist in etwa so, als würde ein Pkw, der für fünf Personen zugelassen ist, plötzlich mit 15 Personen an Bord über die Landstraße fahren.

Noch dazu mit Menschen, die zum Teil ja traumatisiert sind durch die Vorkommnisse in ihrer Heimat, das ist undenkbar. Auf der zweiten Seite, aus sicherheitstechnischen Gründen: Es kann niemand die Verantwortung dafür übernehmen, dass sich unter Umständen in einem Katastrophenfall dort Tote oder Verletzte befinden. Das ist weder dem Bürgermeister noch der Behörde zumutbar, und sicherlich auch nicht uns und mir im Land zumutbar. Daher habe ich, nachdem ich schon frühzeitig darauf hingewiesen habe, dass es notwendig und wichtig ist, dass es zu einer Verlagerung der Asylanten kommt, im gesamten Bundesgebiet, nun diesen Schritt setzen müssen.

noe.ORF.at: Wie soll das jetzt konkret ausschauen, und wie lange soll dieser Aufnahmestopp dann auch dauern?

Pröll: Das wird mit Sicherheit nicht übermorgen wieder beseitigt sein, sondern die Aufgabe besteht jetzt darin, dass die Republik dafür sorgt, dass diejenigen, die jetzt zusätzlich ins Land kommen, dass die auch entsprechend aufgeteilt werden, über das gesamte Bundesgebiet. Und gleichzeitig ist in diesem Bescheid auch vorgeschrieben, dass die Belagszahl gesenkt werden muss.

Der niederösterreichische Landeshauptmann Josef Pröll (ÖVP)

APA/EPA/Arno Burgi

LH Erwin Pröll

Das ist jetzt Aufgabe der Bundesregierung, und ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass etwa der Verteidigungsminister in einer derartigen Großzügigkeit mit der Sicherheitsfrage umgeht, wie er das gestern in einer Tageszeitung gemacht hat. Nämlich zu sagen, wenn die Innenministerin Kasernen brauche, dann solle sie welche kaufen, die leer stehen. Ich frage mich wirklich: Wo ist da auch die Aufgabe des Bundeskanzlers? Der ist von Gesetzes wegen verpflichtet, die Koordinationsaufgaben innerhalb der Bundesregierung wahrzunehmen. Da kann man sich nicht einfach von der Verantwortung wegstehlen.

Ich glaube, die breite Bevölkerung sieht, dass wir gerade in Niederösterreich bis an die Grenzen des Möglichen gegangen sind, weil wir natürlich auch wissen, dass wir eine humanitäre Aufgabe haben. Das ist überhaupt keine Frage. Aber man kann es sich nicht so leicht machen, einfach nur von Humanität und Gleichberechtigung zu reden, aber wenn es darauf ankommt, dann das Weite suchen. Das gilt sowohl für den Bund als auch Bundesländer, das gilt auch für die kirchlichen Institutionen, um das auch einmal klar zu sagen. Denn wenn dann die Nagelprobe im Hinblick auf Humanität gemacht werden muss, da ist plötzlich niemand mehr vorhanden - und zuzusehen, wie man hier sehenden Auges in eine Katastrophe hineingeht, das ist nicht meine Verantwortung.

noe.ORF.at: Wenn es den Aufnahmestopp gibt, ändert das kurzfristig wahrscheinlich nicht sehr viel. Wollen Sie auch kurzfristig Maßnahmen setzen?

Pröll: Mehr tun, als einen Aufnahmestopp zu verhängen, kann ich nicht. Aber es ist zumindest die Zuwanderung ins Lager gestoppt, und die Innenministerin versucht ja wirklich alles Menschenmögliche, auch in anderen Bundesländern Quartiere zu finden. Und jedes Quartier, das in nächster Zeit gefunden wird, entlastet natürlich Traiskirchen, das ist überhaupt keine Frage. Daher hoffe ich sehr auf die Solidarität innerhalb der gesamten Republik zwischen allen Gebietskörperschaften und vor allem auch zwischen jenen, die auf Humanität setzen.

Mikl-Leitner drängt weiter auf Nutzung der Kasernen

Als Zwischenlösung und vorübergehende Entlastung Traiskirchens drängt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) weiterhin auf die Nutzung leer stehender Kasernen, etwa eines leerstehenden Gebäudeteils in der Kaserne Ebelsberg in Oberösterreich. Allerdings gibt es einen Zwist mit Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) über die Kosten. „Eine Übergangslösung könnte darin bestehen, dass man leer stehende Kasernen zur humanen Betreuung von Asylwerbern verwendet. Denn auf der einen Seite haben wir Kriegsflüchtlinge aus Syrien und verschiedenen Krisengebieten, die wir unterbringen müssen, und auf der anderen Seite haben wir leer stehende Kasernen, die niemand nützt“, so Mikl-Leitner.

TV-Hinweis: Über den Aufnahmestopp in Traiskirchen hat auch die ZIB13 berichtet, zu sehen in der ORF TVthek.

Sie habe Verteidigungsminister Klug den Vorschlag der Nutzung der Kaserne am Montag unterbreitet, so Mikl-Leitner am Dienstag zur Austria Presse Agentur (APA). Das wäre eine „humane Lösung“, mit der auch der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) einverstanden sei - mehr dazu in Asyl: Nutzung der Kaserne Ebelsberg gefordert (ooe.ORF.at). Klug wolle allerdings, dass das Innenministerium für die Nutzung der Kaserne zahlt, was Mikl-Leitner ablehnt. „Der Verteidigungsminister hat vorgesehen, dass dafür Steuergeld gezahlt werden soll, obwohl diese im Eigentum der Republik und somit der Steuerzahler sind“, kritisierte sie.

Verständnis für Aufnahmestopp in Traiskirchen

Bis Mittwoch soll ein Notfallplan vorliegen, wo Asylwerber nach dem ab Mittwoch geltenden Aufnahmestopp im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen untergebracht werden können. Das sagte Innenministerin Mikl-Leitner nach einer Krisensitzung am Dienstag im Innenministerium vor Journalisten. Sie werde nun alle Optionen prüfen, um Notquartiere „so schnell wie möglich auf die Beine zu stellen“. Und dafür etwa auch mit der Kirche, Caritas und Diakonie sprechen. Für die Reaktion Niederösterreichs, einen Aufnahmestopp zu verhängen, zeigte sie „Verständnis“.

Erstaufnahmezentrum Traiskirchen

Hans Klaus Techt/ APA

Faymann sagt Mikl-Leitner Unterstützung zu

Nicht nur Landeshauptmann Pröll äußerte sich am Dienstag zum Thema Asyl – auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Verteidigungsminister Klug nahmen am Dienstag in Korneuburg beim Empfang jener Soldaten, die im Hilfseinsatz in Bosnien standen, Stellung zu dem Thema. Für Faymann sei klar, alle Bundesländer müssten ihren Beitrag leisten. „Der Regierungschef ist immer gefordert, aber wenn sechs Bundesländer das nicht einhalten, was sie unterschrieben haben, dann hat der Regierungschef die Ministerin dabei zu unterstützen - das tue ich aus Überzeugung“, so Faymann.

Jene Bundesländer die säumig sind, hätten ihre Verpflichtung zu erfüllen. "Da wird mit jedem einzeln gesprochen. Das macht die Innenministerin auch, und sie hat auch über Kasernen nachgedacht. Und der Verteidigungsminister hat da selbstverständlich das gesagt, was er zur Verfügung hat. Auch der Finanzminister hat zu Recht und richtigerweise erklärt, am Geld darf so etwas nicht scheitern.“

Klug beharrt auf Verkauf der Kasernen

Verteidigungsminister Klug bleibt unterdessen bei seinem Standpunkt: Die Kasernen, in denen Flüchtlinge untergebracht werden, verschenkt er nicht, sie müssen zuerst gekauft werden. „Ich werbe in diesem Zusammenhang für Verständnis, dass ich aufgrund der äußerst angespannten Finanzsituation beim Heer Kasernen verkaufen muss und nichts zu verschenken habe“, so Klug.

Eingangsbereich der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen

APA/Helmut Fohringer

Burgenland will Kasernen durch Kauf blockieren

Was die Nutzung leerstehender Kasernen betrifft, so erteilte auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) der Innenministerin eine klare Absage. Das Burgenland erfülle seine Unterbringungsquote mit knapp 90 Prozent „mustergültig“. Zu einer Unterbringung von Asylwerbern in Kasernen werde es vonseiten des Burgenlands „keine Zustimmung geben“, so Niessl in einer Aussendung - mehr dazu in Asyl: Widerstand gegen Mikl-Leitners Pläne (burgenland.ORF.at).

Die Kasernen in Pinkafeld und Oberwart sollten in burgenländische Hand kommen, teilte Niessl mit. Damit werde erreicht, dass die beiden Kasernen „jetzt und für die Zukunft nicht mehr als Asylquartiere zur Diskussion stehen“ - mehr dazu in Asyl: Land will Kasernen durch Kauf blockieren (burgenland.ORF.at).

Tirol und Vorarlberg wollen Quoten erfüllen

Das Land Tirol hat am Dienstag angekündigt, die 88-Prozent-Quote bis Jahresende erfüllen zu wollen. Nach Angaben der zuständigen Landesrätin Christine Baur (Grüne) sei man in ständigen Gesprächen mit dem Bund über die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. - mehr dazu in Tirol soll dringend Asylwerber aufnehmen (tirol.ORF.at).

Vorarlberg hinkt bei der Erfüllung der Asylquote hinterher. Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP) zeigte sich zuversichtlich, das Ultimatum von Innenministerin Mikl-Leitner diese Woche zu erfüllen. Durch einen Aufruf von Radio Vorarlberg konnten einige Flüchtlingsunterkünfte gefunden werden - mehr dazu in Letzte Frist für Aufnahme von Flüchtlingen (vorarlberg.ORF.at).

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