Ebola: Notfallplan für Verdachtsfälle

Was ist zu tun, wenn ein Passagier auf einem Flug in Richtung Schwechat über Symptome klagt, die auf Ebola hindeuten? Fragen wie diese beantwortet ein Notfallplan, der für derartige Fälle vom Gesundheitsministerium erstellt wurde.

Kommt es international zu Seuchen oder übertragbaren Erkrankungen, gilt der Flughafen in Schwechat als Haupteinfallstor. Im Notfallplan des Ministeriums spielt er daher eine zentrale Rolle, auch wenn man im Fall der Ebola-Epidemie relativiert und das Risiko für Österreich als äußerst gering bewertet. Es gebe derzeit von keinem der betroffenen Länder direkte Flüge nach Österreich, so Peter Kreidl vom Gesundheitsministerium, der für übertragbare Erkrankungen, Krisenmanagement und Seuchenhygiene zuständig ist.

Gate könnte binnen kurzer Zeit zu „Notfallgate“ werden

Im Fall der Fälle wäre aber der Tower der Austro Control erste Ansprechstelle - der Pilot würde Kontakt aufnehmen, die Maschine auf einer Außenposition geparkt werden, der Patient direkt von der Rettung aus dem Flugzeug abtransportiert und in das Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital, das laut Kreidl über Hochsicherheitsmaßnahmen verfügt, gebracht werden. Alle anderen Passagiere würden das Flugzeug über ein spezielles Gate verlassen - Gate B würde binnen kurzer Zeit zum „Notfallgate“. „Dieser Bereich eignet sich für diesen Zweck sehr gut, weil er vom restlichen Terminal gut abtrennbar wäre und als Quarantänebereich, also als geschlossener Bereich, betreibbar wäre“, so der Sprecher des Flughafens Peter Kleemann.

Auch wenn das Risiko für Österreich als äußerst gering eingeschätzt wird, gibt es derzeit Gespräche mit Landessanitätsdirektionen, Amtsärzten aber auch etwa Flughafen, Fluglinien und Austro Control, damit der Notfallplan im Fall der Fälle umgesetzt werden kann. In Afrika gibt es mittlerweile mehr als 1.000 Todesopfer - die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte Ebola am vergangenen Freitag als internationalen Gesundheitsnotfall ein.

noe.ORF.at: Die WHO hat Ebola als internationalen Gesundheitsnotfall eingestuft. Was bedeutet das denn eigentlich?

Peter Kreidl: Das hat vorwiegend Auswirkungen auf die Länder, die betroffen sind, und zwar sollte dort ein Exit Screening durchgeführt werden. Und auch andere Maßnahmen sind vorgesehen, damit Erkrankte möglichst in den Ländern bleiben und die Krankheit nicht weiter verschleppen.

noe.ORF.at: Was umfasst ein derartiges Exit Screening?

Kreidl: Zum Beispiel Temperaturmessungen, dass alle Personen identifiziert werden, die Fieber haben, und dann eine weitere Abklärung stattfindet, ob sie weiterfliegen können oder nicht, wenn Ebola ausgeschlossen werden kann.

Vertreter Flughafen Wien und Behindertenorganisationen

Flughafen Wien

Gate B könnte im Fall der Fälle zum „Notfallgate“ werden

noe.ORF.at: Was bedeutet dieser internationale Gesundheitsnotfall auch konkret für Ihre Arbeit im Ministerium?

Kreidl: Es hat auch Einflüsse auf Österreich. Es ist so, dass die Vorbereitungen praktisch schon alle erfüllt sind, bevor der „public health emergency of international concern“ ausgerufen wurde. Daher sind wir weiter dabei, die Vorbereitungen zu vertiefen und mit allen Stakeholdern abzusprechen, damit sie wirklich umgesetzt werden können.

noe.ORF.at: Das heißt, der Plan, den es für Österreich gibt, wird jetzt überall noch einmal ins Gedächtnis gerufen und aktiv informiert?

Kreidl: Ja, der Plan, die Umsetzbarkeit, wird auch bis ins Detail verbessert.

noe.ORF.at: Was sind das für Maßnahmen? Werden da etwa auch schon Plakate gedruckt für den Fall, dass ...? Wie weit geht man da?

Kreidl: Ja, es werden Informationsmaterialien vorbereitet, im Falle, dass ein Verdachtsfall nach Österreich kommt und dann sowohl die exponierten als auch die nicht exponierten Personen informiert werden.

noe.ORF.at: Sie haben Exit Screenings erwähnt, damit kein Verdachtsfall einreist. Jetzt bringt man aber Helfende oder Experten, die erkrankt sind, nach Amerika und auch nach Europa. Ist das Ihrer Ansicht nach sinnvoll?

Kreidl: Sehr häufig wird es nicht sinnvoll sein, da der Allgemeinzustand des Patienten sehr schlecht ist und eine Reise für den Patienten natürlich auch anstrengend ist und da nicht die intensivmedizinische Betreuung durchgeführt werden kann. Es gilt daher, die Krankenhäuser vor Ort zu stärken, zu identifizieren und die Maßnahmen zur Verringerung der Epidemie zu verbessern.

noe.ORF.at: Glauben Sie, dass dadurch ein zusätzliches Risiko besteht, etwa wenn ein infizierter Arzt nach Europa ausgeflogen wird?

Kreidl: Wenn eine medizinische Evakuation durchgeführt wird, dann ist das Risiko sicher äußerst gering.

noe.ORF.at: Der Flughafen als solcher, welche Rolle kommt dem bei derartigen Szenarien zu?

Kreidl: Ich möchte erst einmal unterstreichen, dass keine direkten Flüge nach Österreich kommen, von keinem der betroffenen Länder. Zweitens ist es so, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass ein Patient auf einem Folgeflug symptomatisch wird und dann nach Österreich kommen würde. Aber in so einem Fall würde der Pilot den Tower informieren, die Cabin Crew würde identifizieren, ob der Passagier wirklich in den letzten 21 Tagen in einem betroffenen Gebiet war, und es würden im Anflug schon die gesamten Maßnahmen am Flughafen vorbereitet werden. Wie zum Beispiel das Errichten eines Notfallgates, die Information der Ambulanz, die Information des Krankenhauses usw.

noe.ORF.at: Sie sprechen von vielen Stakeholdern - wer spielt denn in diesem Notfallplan mit?

Kreidl: Das sind sehr viele Institutionen. Wir haben eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium, mit der AUA, mit der Austro Control, mit dem Kaiser-Franz-Josef-Krankenhaus, mit den Landessanitätsdirektionen von Niederösterreich und Wien zum Beispiel.

Austro Control

ORF / Helmut Muttenthaler

Der Pilot würde die Mitarbeiter des Towers über einen Verdachtsfall informieren

noe.ORF.at: Es gibt ja auch Tropenkrankheiten, bei denen man vielleicht unter ähnlichen Symptomen leidet. Wie kann man auf die Distanz feststellen, ob man Maßnahmen ergreift oder nicht?

Kreidl: Es ist sehr wichtig, eine sogenannte Situationsbeurteilung durchzuführen. Das heißt, eines der Kriterien ist einmal, ob eine Exposition innerhalb der Inkubationszeit in einem Land gewesen ist. Dann wird weiter eine Beurteilung durchgeführt, um den Kontakt oder die Wahrscheinlichkeit des Verdachtsfalls zu bestimmen. Und da gehören zum Beispiel Faktoren dazu, wie: Hatte er Kontakt mit Sekreten von einem toten oder lebenden, infizierten Patienten? Mit Sekreten von Tieren? Hat er im Krankenhaus gearbeitet? War er auf einem Begräbnis, usw.

Dieses Screening wird erst vor Ort mit dem Patienten durchgeführt, weil es sicher sehr schwierig ist, im Flugzeug die ganze Anamnese zu erheben. Die Situationsbeurteilung wird erst praktisch durchgeführt, sobald das Flugzeug auf dem Boden ist.

noe.ORF.at: Die Rede ist davon, dass der Patient von Schwechat in das Wiener Kaiser-Franz-Josef-Krankenhaus gebracht wird. Warum dort hin?

Kreidl: Das ist sicher das am besten ausgerüstete Krankenhaus mit Hochsicherheitsmaßnahmen, Unterdruckzimmern usw., und die haben sicher die meiste Erfahrung.

noe.ORF.at: Was würde mit den anderen Passagieren passieren?

Peter Kreidl

ORF

Peter Kreidl

Kreidl: Die anderen Passagiere würden in ein Notfallgate kommen, und im Notfallgate würde eine Situationsbeurteilung, also ein Assessment der Exposition gemacht werden, mit den vorhandenen Informationen, die vom Notarzt oder dem Amtsarzt im Flugzeug genommen werden, wie etwa ob es eine mögliche Kontamination der Toiletten gab usw. Und dann würden sie in zwei Gruppen eingeteilt werden, die einen sind exponiert, die anderen sind nicht exponiert. Und es ist hervorzuheben: Keiner dieser Passagiere ist als infektiös einzustufen. Die exponierten Personen würden aufgefordert werden, während der nächsten 21 Tage ihre Temperatur zu messen und bei Auftreten von Fieber die Gesundheitsbehörde zu informieren.

noe.ORF.at: Würde so ein Verdachtsfall auf einem Flughafen auftauchen, würden dann auch weitere Schritte gesetzt werden - etwa in Schulen, Kindergärten etc.?

Kreidl: Ein Ebola-Patient, falls es dazu kommt, ist nur infektiös, wenn er Symptome hat. Das heißt, es besteht kein Risiko für die allgemeine Bevölkerung. Ich glaube, das ist die Hauptbotschaft: dass es keine Tröpfcheninfektion ist. Es ist nur übertragbar, wenn der Patient infektiös ist.

noe.ORF.at: Sind die Vorbereitungen angesichts der vergangenen Wochen so weit, dass man in Österreich jeden Moment einsatzbereit wäre?

Kreidl: Eigentlich schon.

noe.ORF.at: Am Dienstag wurde der erste Todesfall in Europa, in Spanien, bekannt - aus Ihrer Sicht besorgniserregend?

Kreidl: Nein, das ist zu erwarten gewesen. Es war eine ältere Person, die natürlich in schlechtem Zustand war und in Sicherheit gebracht wurde. Aber ich würde das nicht als ersten Todesfall in Europa bezeichnen, da es in Europa keine Ebola-Fälle gibt.

noe.ORF.at: Wie bewerten Sie die Chancen, dass der Notfallplan für Österreich in Kraft treten muss?

Kreidl: Ich glaube, dass sehr viel Angst herum ist und ein Verdachtsfall möglicherweise kommt. Aber ich glaube nicht, dass sich dieser Verdachtsfall als Ebola-Fall bestätigen wird, da die Wahrscheinlichkeit wirklich äußerst gering ist, dass Österreich, das keine direkten Verbindungen hat, einen Ebola-Fall importiert.

noe.ORF.at: Man hat als Haupteinfallstor Flughäfen. Gibt es andere Einfallstore, die man überprüft?

Kreidl: Man kann natürlich nicht ausschließen, dass der Import auch über den Landweg geht, etwa mit dem Zug oder Auto. Aber wir sind auch vorbereitet, wenn irgendwo auf österreichischem Gebiet ein Ebola-Fall auftritt, dass die jeweiligen Personen informiert sind und wissen, was sie machen müssen, damit das Risiko von dem Verdachtsfall bis zur Aufnahme in die entsprechende Struktur möglichst gering gehalten wird.

Das Gespräch führte Anna Wohlmuth, noe.ORF.at.