Herzerkrankung durch Lebensstil beeinflussbar

Mit 34.000 Todesfällen waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch im 2013 die häufigste Todesursache in Österreich. Mittlerweile weiß man, dass der Lebensstil derartige Erkrankungen beeinflusst. Diesem Thema widmet sich nun ein ORF-Schwerpunkt.

Das Herz schlägt 60 bis 85 Mal in der Minute und gilt als „Taktgeber des Lebens“. Es pumpt sechs bis acht Liter Blut in der Minute durch die Blutgefäße des Körpers. Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren in Österreich auch im Jahr 2013 die bei weitem häufigste Todesursache. 42,9 Prozent aller Todesfälle waren darauf zurückzuführen. An zweiter Stelle folgten Krebsleiden, die für gut ein Viertel aller Fälle (25,3 Prozent) verantwortlich waren. Insgesamt starben laut Statistik Austria im Vorjahr 79.526 Personen, davon 52 Prozent Frauen und 48 Prozent Männer.

Der ORF-Schwerpunkt „Bewusst gesund - Unser Herz“ läuft von 27.9.-3.10.

34.101 Menschen starben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie beispielsweise Herzinfarkt oder Schlaganfall. Aufgrund ihres höheren Anteils an der älteren Bevölkerung starben mehr Frauen als Männer: 58,2 Prozent aller Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrafen Frauen. Bereinigt um diesen Alterseffekt (altersstandardisierte Sterberaten) war die Sterblichkeit der Männer bei dieser Todesursache allerdings höher (171,4 Männer gegenüber 110,5 Frauen je 100.000 der Bevölkerung).

Herz und Anatomie

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Doch wer ist von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen? Welche Rolle spielen der Lebensstil und Faktoren wie Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel und Übergewicht tatsächlich? Und, meldet sich das Herz, wenn es krank ist? Fragen die Internist und Kardiologe Michael M. Hirschl aus Eggenburg im Gespräch mit Anna Wohlmuth beantwortet.

noe.ORF.at: Was sind bei uns in Niederösterreich die häufigsten Herz-Erkrankungen?

Hirschl: Die häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind der uns allen bekannte Herzinfarkt, aber auch der Schlaganfall und die periphere Durchblutungsstörung der Beine gehört in die Gruppe der Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinein.

noe.ORF.at: Muss man es immer als Herz-Kreislauf-Erkrankung sehen oder kann man auch nur von der Herzerkrankung sprechen?

Hirschl: Wenn man nur von der Herzerkrankung spricht, fokussiert sich das auf den Herzinfarkt und die Herzinsuffizienz, die im Volksmund als Herzschwäche bezeichnet wird.

noe.ORF.at: Wie viele Menschen sind davon betroffen?

Hirschl: Es ist immer noch die führende Todesursache, nicht nur in Niederösterreich, sondern in ganz Österreich, und es betrifft zwischen 40 und 45 Prozent der Bevölkerung, die eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben. Wenn man nur den Herzinfarkt alleine nimmt, muss man davon ausgehen, dass im Jahr 8 bis 10 Prozent der Niederösterreicher am Herzinfarkt sterben.

Michael M. Hirschl

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Michael M. Hirschl

noe.ORF.at: Gibt es so etwas wie ein Durchschnittsalter? Man hört auch immer wieder Fällen, bei denen junge Menschen, etwa im Alter von 40 Jahren, einen Herzinfarkt erleiden.

Hirschl: Grundsätzlich steigt das Risiko für den Herzinfarkt mit zunehmendem Alter, aber aufgrund der Tatsache, dass gerade im jugendlichen Alter immer mehr geraucht wird, nimmt das Alter für das Auftreten eines Herzinfarktes sukzessive ab.

noe.ORF.at: Das Alter ist das eine, das Geschlecht das andere: Männer und Frauen, wie verhält es sich da?

Hirschl: Grundsätzlich ist es immer noch so, dass das männliche Geschlecht in dem Fall benachteiligt ist und häufiger an einem Herzinfarkt erkrankt als Frauen. Allerdings haben die Frauen, die einen Herzinfarkt bekommen, im Regelfall eine schlechtere Prognose als Männer.

noe.ORF.at: Warum ist das so?

Hirschl: Wahrscheinlich deswegen, weil das Schmerzempfinden ein anderes ist, ein weniger ausgeprägtes und wahrscheinlich sind Männer in Wahrheit wehleidiger. Je früher man zum Arzt geht, desto eher besteht die Chance ein verschlossenes Herzkranzgefäß wieder zu öffnen und desto geringer ist der Schaden am Herz.

noe.ORF.at: Bei den Jugendlichen haben Sie das Rauchen, also den Lebensstil, angesprochen. Ist der wirklich so ausschlaggebend für Herzerkrankungen?

Hirschl: Ja, das ist unbestritten. Das ist in einer Vielzahl von Studien bewiesen, dass eine Veränderung des Lebensstils das Risiko für den Herzinfarkt massiv reduziert. Also wenn man etwas tun möchte, dann ist der erste Schritt in sich zu gehen und zu schauen, wie ist mein Lebensstil und was kann ich daran ändern. Es ist unbestritten die absolut wichtigste Maßnahme vor allen Medikamenten und vor allen anderen Maßnahmen, wenn man das Risiko des Herzinfarktes reduzieren will.

noe.ORF.at: Das Organ Herz, was mag es gar nicht?

Hirschl: Also das Organ Herz mag einerseits Übergewicht nicht, das Organ Herz mag Rauchen nicht, das Organ Herz mag Alkohol nicht und das Organ Herz mag Stress nicht.

noe.ORF.at: Das betrifft den Lebensstil. Kann man aber, wenn in der Familie Herzerkrankungen häufig auftreten, selbst von einem höheren Risiko ausgehen?

Hirschl: Es besteht eine familiäre Belastung, also wenn man in der Familie viele Herzinfarkte hatte, so ist das Risiko für den oder die Betroffene deutlich höher in der nächsten Generation. Allerdings: durch einen gesunden Lebensstil kann man das durchaus reduzieren. Wenn man aber natürlich auch wieder die klassischen Risikofaktoren anhäuft, indem man auch raucht, indem man auch keine Bewegung macht, indem man auch übergewichtig ist, dann erhöht sich das Risiko exponentiell, wenn man in der Familie schon Menschen gehabt hat, die einen Herzinfarkt hatten.

noe.ORF.at: Macht ein krankes Herz eigentlich auf sich aufmerksam?

Hirschl: Natürlich, ein krankes Herz macht auf sich aufmerksam, mit vermindernder Leistungsfähigkeit, im fortgeschrittenen Stadium mit Druck auf der Brust, mit Brennen auf der Brust, die Leute erzählen, dass sie so etwas wie einen Stein in der Brust haben, dass das wie ein Gürtel ist, der sich um den Brustkorb zusammenzieht. Meistens primär bei Anstrengung, bei Tätigkeiten, die früher gar keine Beschwerden gemacht haben und das wird immer schlimmer, die Belastungen werden immer kürzer und die Beschwerden immer stärker. Also es ist sehr wohl erkennbar, wenn jemand eine Herzerkrankung hat und das Risiko des Herzinfarktes droht.

noe.ORF.at: Was ist Ihre Erfahrung aus der Praxis, reagieren die Leute darauf und hören sie auf ihren Körper?

Hirschl: Es gibt zwei Gruppen. Es gibt die Übervorsichtigen, die beim kleinsten Schmerz sofort zum Arzt gehen. Sie kommen rechtzeitig oder sogar zu früh. Und dann gibt es die, die „ganz hart zu sich selber sind“, die also wirklich erst, wenn der Herzinfarkt da ist und der Notarzt vor der Tür steht, erkennen, dass sie tatsächlich eine Herzerkrankung haben. Also die erste Gruppe ist uns Kardiologen allemal lieber.

noe.ORF.at: Ist das aus medizinischer Sicht der Wunsch, dass die Leute mehr auf sich hören?

Hirschl: Ja, selbstverständlich, lieber ein Besuch zu viel, als ein Besuch zu wenig. Weil der Besuch zu wenig heißt, dass man einen Herzinfarkt hat, dass der Herzmuskel abgestorben ist und das ist nicht mehr reparabel. Dieser Schaden existiert, den kann ich durch noch so eine gute Therapie nicht mehr gut machen. Das heißt lieber einmal zu viel zum Arzt gehen als einmal zu wenig.

noe.ORF.at: Wie kommt es medizinisch eigentlich zum Herzinfarkt?

Hirschl: Also grundsätzlich ist es der Verschluss eines Herzkranzgefäßes, das heißt, das fängt langsam an, der Begriff Arteriosklerose ist ohnehin heute jedem ein Begriff. Es beginnt damit, dass sich Fett in den Innenseiten der Gefäße ansammeln, es kommt zu Aufwölbungen in diesen Gefäßen und sukzessive wächst diese Aufwölbung so lange, bis dann letztendlich das Gefäß verschlossen ist und in der letzten Phase bricht dann diese Aufwölbung auf und verstopft mit einem Blutgerinnsel das gesamte Gefäß, was dazu führt, das alles was hinter diesem Gefäß liegt, keinen Sauerstoff mehr bekommt und der Herzmuskel reagiert ganz, ganz sensibel auf Sauerstoffmangel, das geht höchstens ein paar Minuten und dann beginnen die Herzmuskelzellen abzusterben.

noe.ORF.at: Spürt man das immer, oder kann es auch sein, dass jemand einen Herzinfarkt aus dem Nichts hat?

Hirschl: Es gibt auch den sozusagen aus dem heiteren Himmel stattfindenden Herzinfarkt, das sind ungefähr 10 bis 15 Prozent der Menschen, aber bei der überwiegenden Zahl der Patienten, wenn man dann eine genauere Anamnese hinten nach macht, stellt man dann fest, dass sie die Wochen davor doch Beschwerden gehabt haben, die halt nicht ernst genommen worden sind.

noe.ORF.at: Was sind das für Beschwerden?

Hirschl: Primär belastungsabhängige Beschwerden, also bei Anstrengung und sie sind halt meistens das typische Brennen hinter dem Brustbein, der Druck auf der Brust, Ausstrahlen der Beschwerden in den Hals, die Schulter, den Magen - das sind schon so klassische Zeichen und ganz klassisch ist, man hört mit der Anstrengung auf und binnen weniger Minuten verschwinden die Beschwerden wieder, das ist fast noch das größere Warnsignal, wo man daran denken soll.

ältere Frau liegt am Boden und greift sich aufs Herz, jüngere Frau versucht ihr zu helfen

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Hirschl: „Bei Beschwerden sofort medizinische Hilfe aufsuchen.“

noe.ORF.at: Wenn bei Ihnen jemand landet mit einem Warnsignal, was raten sie dieser Person, wie kann sie künftig vorbeugen?

Hirschl: Grundsätzlich ist sicher die Lebensstil-Änderung ein wesentlicher Teil, aber wenn jemand schon wirklich mit Warnsignalen kommt, dann gehört er natürlich entsprechend untersucht mit einem EKG, einer Echokardiographie, eventuell einem Belastungs-EKG und wenn all diese Befunde einen starken Hinweis auf einen drohenden Herzinfarkt geben, dann gehört der Patient natürlich letztlich dem Herzkatheter der Koronarangiographie zugeführt, um zu schauen, wie schauen die Herzkranzgefäße aus, gibt es dort eine Einengung, kann ich diese Einengung aufdehnen und mit einem so genannten Stent versorgen, damit an dieser Stelle nichts mehr passieren kann.

noe.ORF.at: Wenn Sie heute und vor 20 Jahren vergleichen - wo steht die Herzmedizin im Jahr 2014?

Hirschl: Also Kardiologie gehört sicher zu jenen Teilgebieten der inneren Medizin, die in den letzten 20 Jahren einen enormen Fortschritt gemacht hat. Das, was wir uns vor 20 Jahren noch nicht einmal denken getraut haben, ist heute ein Routineeingriff, egal ob das jetzt Dehnen der Herzkranzgefäße, Einsetzen von Klappen ist, ob das Schrittmacher oder Defibrillatoren sind, da hat die Kardiologie sicher einen enormen Fortschritt in den letzten 20 Jahren gemacht. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich an Herzerkrankungen zu sterben, ist im Laufe der letzten 20 Jahre kontinuierlich gesunken.

Das Gespräch führte Anna Wohlmuth, noe.ORF.at.

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