Berlin-Gastspiel verzaubert Festspielhaus

Mit der weltweit erfolgreichen multimedialen Inszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ der Komischen Oper Berlin ist am Samstag die Saison im St. Pöltner Festspielhaus eröffnet worden. Es war ein gelungener Start für Brigitte Fürles zweite Spielzeit.

So hat man das populärste Werk der Operngeschichte tatsächlich noch nie gesehen: Die Königin der Nacht als rachsüchtige Spinne, Sarastro als Anführer eines Klubs von greisen und weisen Männern mit langen Bärten und hohen Zylindern, Papageno als Buster Keaton, Monostatos als Nosferatu, Pamina als 20er-Jahr-Girl mit charakteristischem Kurzhaarschnitt und alle zusammen als lebendige Protagonisten einer Mischung aus Stumm- und Trickfilm, in der die Mechanik ineinandergreifender Zahnräder („Metropolis“ lässt grüßen) das Pulsieren echten Blutes weitgehend ersetzt und fliegende rosa Elefanten den Sieg der Liebe bringen.

Szene aus "Zauberflöte" von Komische Oper Berlin

Iko Freese / drama-berlin.de

Inszenierung mit Effekten und Augenzwinkern

Der Australier Barrie Kosky, 2001 bis 2005 Intendant des Wiener Schauspielhauses und seit 2012 erfolgreicher Opern-Intendant in Berlin hat den Erfolg der Inszenierung, die im November 2012 Premiere hatte und bereits in Lizenz an der Deutschen Oper am Rhein, in Los Angeles und in Minnesota gezeigt wird, mit dem „Simpsons-Effekt“ erklärt: eine Inszenierung, die allen Spaß macht - Erwachsenen und Kindern. Tatsächlich ist diese „Zauberflöte“ nicht nur mit vielen Schau-Effekten, sondern auch einigem Augenzwinkern ausgestattet. Für Opern-Puristen ist sie nichts. Die Dialoge werden durch die typischen Stummfilm-Textinserts ersetzt (was auch den Vorteil bietet, Gedanken sichtbar machen zu können), die zu - ebenfalls von Mozart stammender - Hammerklavier-Begleitung eingeblendet werden.

Im Gegenzug erhält man ein einmaliges Schau-Erlebnis. Kosky hat mit der britischen Gruppe „1927“ rund um Suzanne Andrade und Trick-Zeichner Paul Barritt zusammengearbeitet, die Salzburger Festspielbesucher bereits von ihren Produktionen „The animals and children took to the streets“ und „Golem“ kennen. Das Ineinandergreifen von gezeichneten Animationen und Live-Spiel ist in der „Zauberflöte“ perfektioniert. Eine präzise Technik produziert überwältigende Fantasiewelten, bei denen Bewegung vorwiegend in der Projektion stattfindet: Die Sänger sind meist buchstäblich festgeschnallt, agieren sie doch häufig von kleinen Drehtüren aus, die in mehreren Metern Höhe in der glatten Projektionswand angebracht sind (Ausstattung: Esther Bialas).

Szene aus "Zauberflöte" von Komische Oper Berlin

Iko Freese / drama-berlin.de

Es gibt unendlich viel zu sehen, von wuchtigen, starken Bildern wie bei der Feuer- und Wasserprobe bis zu liebevollen Details wie Pagagenos schwarzer Katze oder jenen roten Herzen und plappernden Mündern, die immer wieder flächendeckend die Szene bevölkern.

52-köpfiges Team aus Berlin

Die Estin Kristiina Poska, Erste Kapellmeisterin an der Komischen Oper, dirigiert das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich und den Arnold Schoenberg Chor. Sie stellen quasi den Heim-Anteil dieser Gastspiel-Produktion, die mit einem 52-köpfigen Team angereist ist. Sängerisch zu hören ist vor allem der mächtige Bass von „Sarastro“ Dimitry Ivashchenko, Brigitte Geller als Pamino und Tom Erik Lie als Papageno. Karolina Andersson ist die „Königin der Nacht“, neben Tamino (Adrian Strooper) und Papagena (Adela Zaharia), die drei Damen (Mirka Wagner, Karolina Gumos und Caren van Oijen) haben als Mrs. Quatsch, Mme Klatsch und Frau Tratsch originelle Auftritte.

Am Ende gab es viel Jubel um eine außergewöhnliche Inszenierung, die nur noch am Sonntag, 16 Uhr, in St. Pölten zu sehen ist, dafür im Oktober gleich fünf Mal am Spielplan der Komischen Oper Berlin steht.

Szene aus "Zauberflöte"

Iko Freese

Start in Saison 2014/2015

Mit der Aufführung der „Zauberflöte“ hat die zweite Saison unter der Leitung von Brigitte Fürle begonnen. Zwei Uraufführungen und neun Österreich-Premieren aus Tanz, Musik und Musiktheater kündigte sie für diese Saison an. Für sie soll das Festspielhaus ein „Ort der Begegnung zwischen den Künstlern, der Stadt, dem Publikum und den Communities“ sein - mehr dazu in Zauberflöte und Tanz im Festspielhaus.

Brigitte Fürle

Festspielhaus St. Pölten

Künstlerische Leiterin Brigitte Fürle

Als Residenzorchester bleibt das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich dem Haus verbunden und mit ihm sein scheidender Chefdirigent Andres Orozco-Estrada. Im Programmbuch sind wieder zahlreiche Namen prominenter Künstler zu lesen: Cornelius Obonya und Karl Markovics etwa lesen bei Kammermusikabenden, und die Wiener Philharmoniker gastieren mit Schuberts Oratorium „Lazarus“.

Fürle hat ihre erste Saison als künstlerische Leiterin mit einer Auslastung von 88 Prozent bei den Eigenveranstaltungen beendet, das ist ein Plus von sieben Prozentpunkten im Vergleich zur Saison davor. 2013/14 waren etwas mehr als 47.000 Besucherinnen und Besucher im Festspielhaus - mehr dazu in Mehr Zuschauer im Festspielhaus.

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Festspielhaus St. Pölten (Website)