Mord: Diskussion um Haftentlassung

Bei dem Einbrecher, der am Montag von der Polizei angeschossen worden ist, handelt es sich um einen verurteilten Doppelmörder. Nach einem Polizistenmord im Jahr 1989 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er erst kürzlich entlassen wurde.

Ende der 80er Jahre sorgten die Verbrechen des damals 20-jährigen Mannes für Schlagzeilen. Er hatte einen Gendarmen in Maria Lanzendorf (Bezirk Wien-Umgebung) mit einem Kopfschuss getötet und auch einen Suchtgifthändler erschossen. 1992 wurde er deswegen zu lebenslanger Haft verurteilt.

Laut Gutachter „ungefährlich“

Bis 2009 war er in der Justizanstalt Stein inhaftiert, danach wurde er nach Garsten in Oberösterreich verlegt und vor wenigen Wochen entlassen, weil ihn ein Gutachter als ungefährlich eingestuft hatte. In der Nacht auf Dienstag schoss der Verdächtige nach einem Einbruch in Wien auf Polizisten und versuchte sogar, eine Handgranate zu zünden – mehr dazu in Angeschossener Einbrecher war Doppelmörder (wien.ORF.at) und Lebensgefahr: Zwei Verletzte bei Schießereien (wien.ORF.at). Der ehemalige Häftling wurde bei dem Schusswechsel selbst getroffen, er liegt nach wie vor im Koma.

Gendarmerieauto 1989

ORF

Gendarmerie-Einsatz nach dem Mord an einem Kollegen (ORF-Bericht von 1989)

Frei trotz lebenslanger Haft?

Nach diesem Vorfall stellt sich für viele eine Frage: Warum wird ein zu lebenslanger Haft verurteilter Doppelmörder nach ein paar Jahren wieder aus dem Gefängnis entlassen? Den Antrag auf eine bedingte Haftentlassung können Verbrecher, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden sind, frühestens nach 15 Jahren stellen. Wenn das Vollzugsgericht dem Antrag zustimmt, müssen meist strenge Auflagen eingehalten werden.

Das war in diesem konkreten Fall jedoch nicht der Fall, sagt der Leiter der Abteilung Sicherheit der Vollzugsdirektion, Erich Huber-Günsthofer. „Hier wurde von der Person selbst angegeben, einen ordentlichen Wohnsitz im Ausland zu nehmen. Er ist aber wieder unbefugt nach Österreich eingereist, ohne dass es die Behörden wussten. Somit gab es auch in diesem Sinne keine Bewährungsauflagen, die zu erfüllen waren“, so Huber-Günsthofer.

Polizisten 1989

ORF

Gendarmerie-Einsatz nach dem Mord an einem Kollegen (ORF-Bericht von 1989

„Man muss Häftlingen Perspektive geben“

Wer in Österreich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wird, kann durchaus bis zum Ende seines Lebens hinter Gittern verbringen. Nach 15 Jahren hat jedoch jeder Häftling, darunter auch Mörder, das Recht, einen Antrag auf bedingte Entlassung zu stellen. Der Hintergrund ist, dass man Menschen in Österreich nicht einsperren möchte, ohne ihnen eine Perspektive zu geben.

Das wäre letztlich nämlich auch für die Beamten im Gefängnis gefährlich, so Erich Huber-Günsthofer. „Die Gewaltbereitschaft, die entstehen würde, wäre zu groß. Sie müssen sich vorstellen, wenn ich absolut keine Chance mehr habe, aus dem Gefängnis zu kommen, wird meine Konfliktbearbeitung eine andere sein, als wenn ich Perspektiven habe und die Chance, an der Deliktaufarbeitung mitzuwirken. Und ich habe die Chance, doch wieder in Freiheit zu kommen.“ Hierbei wird jeder Fall individuell beurteilt. Der Häftling muss äußerst kooperativ mit dem sozialen Dienst und den Psychologen zusammenarbeiten.

Polizeiautos bei Schießerei

APA/Hochmuth

Einsatz nach der Schießerei in Wien-Floridsdorf

Statistik: Rückfallrisiko liegt unter einem Prozent

Wird einem zu lebenslang Verurteilten Häftling ein Antrag auf Entlassung genehmigt, kommt es zunächst zu einer Lockerung im Vollzug. Das bedeutet, es gibt begleitete Ausgänge und viele individuelle Maßnahmen, so der Leiter der Vollzugsdirektion: „Einzeltherapien, Gruppentherapien, Stellungnahmen, die vorgelegt werden müssen seitens des sozialen Dienstes, des psychologischen Dienstes. Und natürlich auch externe Stellungnahmen, in denen man sich zur Einschätzung des Rückfallrisikos freier Gutachter bedient“, so der Leiter der Abteilung Sicherheit der Vollzugsdirektion.

Laut Statistik liegt das Rückfallrisiko unter einem Prozent. Im Schnitt bleiben lebenslang Verurteilte in Österreich für 22,5 Jahre im Gefängnis. Wenn das Vollzugsgericht dann entscheidet, den Häftling zu entlassen, dann immer unter bestimmten Bedingungen. Der Betroffene muss sich dann etwa weiterhin seiner Therapie unterziehen oder sich einmal die Woche bei der Polizei melden. Im konkreten Fall wollte der Mann aber zurück in seine Heimat nach Nordafrika. Daher wurden keine weiteren Kontrollen mehr veranlasst.