"Navratils KÜNSTLER-GÄSTEBUCH“ ausgestellt

Ein fast vergessenes Gästebuch und die Rekonstruktion einer deutschen Anstaltszelle bieten den Hintergrund für zwei Art-Brut-Ausstellungen im museum gugging in Klosterneuburg: „navratils KÜNSTLER-GÄSTEBUCH.!“ und „julius klingebiel. zelle.!“.

Leo Navratil, legendärer Psychiater in der einstigen „Heil- und Pflegeanstalt Gugging“, verwendete in den frühen 1970er-Jahren ein von einer Pharmafirma verschenktes Kunstbuch als Zeichenvorlage für die Gugginger Künstlerpatienten. Er entfernte die eingeklebten Reproduktionen und ließ die Patienten auf die leeren Seiten zeichnen. Dadurch ergeben sich reizvolle Konstellationen: Zur barbusigen Hauser-Frau firmiert die Bezeichnung „Miniatur aus dem Lorscher Evangeliar“, statt etruskischer Wandmalerei scheint eine Waldbrombeerzeichnung von August Walla auf, Oswald Tschirtners lang gestreckte Figuren wirken ornamental wie Jugendstildekorationen.

Navratils Gästebuch im Museum gugging

ORF

Ein Gästebuch mit unzähligen Originalzeichnungen

Navratil hatte auch Künstler, die zu Besuch kamen, darunter Alfred Hrdlicka, Georg Eisler, Arnulf Rainer, Franz Ringel, Elfriede Mayröcker oder Gerhard Roth, eingeladen, in diesem Buch Zeichnungen, Texte oder Widmungen zu hinterlassen. So entstand ein einzigartiges authentisches Dokument, das sich über Jahrzehnte hinweg mit Originalzeichnungen füllte. „Eine absolute Rarität in der österreichischen Kunstgeschichte“, betonte Johann Feilacher, künstlerischer Direktor des museum gugging. Ein deutscher Sammler stellte das Buch nun als Leihgabe zur Verfügung. Das Original wurde für die Ausstellung in Einzelseiten zerlegt, als Faksimile „nachgebaut“ und als Katalog herausgegeben.

Die begehbare Reproduktion der freskenhaft bemalten, kapellenartigen Zelle von Julius Klingebiel (1904-1965), einem Psychiatriepatienten, der viele Jahre seines Lebens im Landesverwahrungshaus in Göttingen (Deutschland) verbrachte, wird im Novomatic Salon präsentiert. Von 1951 bis 1963 bemalte Klingebiel die Wände seiner Einzelzelle mit farbigen Landschaften, Tieren, menschlichen Figuren, Wappen und Symbolen. Der originale Raum steht seit 2012 unter Denkmalschutz, ist aber öffentlich nicht zugänglich.

Klingsbiel Zelle im Museum gugging

Hans Starosta

Julius Klingebiels Zelle

Art Brut strahle in die gesamte Welt aus, was eine kulturpolitische Verpflichtung darstelle, meinte Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) bei der Eröffnung, der insbesondere den Gugginger Künstler Johann Garber als seinen Freund bezeichnete: „Eine Künstlerpersönlichkeit. Wir sind in intensivstem Briefkontakt“. Dabei wurde nicht verschwiegen, dass Garber den Landeshauptmann regelmäßig um Zigaretten anschnorre. Den Kunstsammler Helmut Zambo zeichnete Pröll bei der Ausstellungseröffnung mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich aus.

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