Berühmter Ausbrecher erzählt seine Geschichte

„I bin’s, der Präsident“ - der legendäre Satz ist vor 44 Jahren nach einem spektakulären Ausbruch aus der Justizanstalt Stein gefallen. Einer der Täter, Adolf Schandl, hat nun seine Biografie präsentiert. „Ich bereue meine Taten“, sagte er im Interview mit noe.ORF.at.

In einer kalten Novembernacht 1971 sind diese berühmten Worte gefallen: „I bin´s, der Präsident“. Ausgesprochen hat sie Polizei-Präsident Josef Holaubek gegenüber zwei Ausbrechern aus der Justizanstalt Krems/Stein, die nach einer dreitägigen Flucht durch Niederösterreich und Wien schließlich zur Aufgabe überredet werden konnten. Der Dritte, Adolf Schandl, konnte erst 14 Tage später verhaftet werden.

Nur nicht im Gefängnis sterben

In seinem Buch „Jail-Break. Nur nicht im Gefängnis sterben“ beschreibt er die dramatischen Vorgänge seiner Flucht (Krems/Stein 1971) und Fluchtversuche (Graz-Karlau 1996) aus seiner Sicht. Er erzählt darin aber auch von seinem Weg in die Kriminalität, ausgelöst durch Alkohol- und Spielsucht, von Arbeitslosigkeit, Verlust der Familie und hohen Schulden.

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Bis zu seinem 32. Lebensjahr war er unbescholten, hatte eine Familie mit einer Tochter, einen guten Job und kaum Geldsorgen. Mit dem Tod seiner Mutter und seiner Schwiegermutter begann das Leben für ihn zu kippen. Er verübte schließlich Bank- und Raubüberfälle. Er wurde ausgeforscht und verhaftet. Lange Gefängnisaufenthalte, nur unterbrochen von etlichen Fluchtversuchen und Prozessen, folgten. Schandl saß in den Justizanstalten Krems/Stein, Graz-Karlau und Garsten ein, zum Teil in langer Isolationshaft.

40 Jahre, etwas mehr als die Hälfte seines Lebens, hat er hinter Gittern verbracht. Heute ist Adolf Schandl ein geläuterter 79-jähriger Mann, wie er sagt. Im Interview mit Hannes Steindl spricht er offen über Schuldgefühle, Gefängnis und Gewalt.

Adolf Schandl bei Lesung

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Schandl las in Krems aus seiner Autobiographie

noe.ORF.at: Herr Schandl, Sie haben aus ihrem Buch eine Passage vorgelesen, in der Sie zu einer der Geiseln, der Sie die Pistole an die Schläfe gehalten haben, sagten: „Es tut mir leid, jetzt ist es vorbei, zuerst Sie dann ich.“ Hätten Sie wirklich abgedrückt, damals, 1971, auf der Flucht vor der Polizei?

Adolf Schandl: Ich möchte immer die Wahrheit sagen: Wenn ich jetzt Ja sage, bin ich nicht sicher, und wenn ich jetzt Nein sage, bin ich auch nicht sicher. Situationsbedingt wäre alles möglich gewesen, aber im Prinzip war es in erster Linie eine offensive, sichtbare Drohung für die Polizisten, damit sie sehen, ich habe die Waffe nicht einfach nur so in der Hand, sondern ich bedrohe ihn wirklich. Es war Kalkulation, dass die Polizei nachgeben wird. Aber die Drohung musste ja glaubhaft sein, sonst wären sie zum Beispiel hereingekommen in der Karlau und hätten gesagt: „Kommt raus, Burschen, ihr seid ja eh harmlos.“

noe.ORF.at: Sie haben einmal gesagt, Sie hätten den Ausbruch aus Stein unter anderem wegen der schlechten Haftbedingungen durchgeführt. Sie waren 40 Jahre, die Hälfte ihres Lebens, eingesperrt. Wie haben sich die Haftbedingungen seit damals verändert?

Schandl: Damals war extrem schlimm. Die Verpflegung zum Beispiel: Mein damaliger Mit-Ausbrecher, Herr Sch., hat beim Prozess später gesagt, er habe immer gehungert. Daraufhin wurde das Essen massiv verbessert. Alles hat sich nach unserem Ausbruch in Stein verbessert: Nur 23 Stunden in der Zelle bleiben. Davon haben alle Gefangenen in Österreich profitiert, wenn man das so nennen will. Wir drei haben natürlich die Zeche bezahlt.

Buch Jail Break

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In „Jail Break“ schreibt der Ausbrecher über seine Taten

noe.ORF.at: Wie denken Sie heute über die Verbrechen, die Sie begangen haben?

Schandl: Ich beklage mich nicht, ich habe in den letzten Jahren immer betont, ich bin selber schuld. Ich habe aber einen sehr hohen Preis bezahlt. Nicht nur die lange Haft. Ich habe eben alles zerstört, meine Familie, meine Existenz. Vor allem schmerzt mich das Leid, das ich angerichtet habe: meine Tochter wurde damals in der Schule, wie man heute sagt, gemobbt. Auch das Leid, das ich den Geiseln angetan habe. Das waren zumeist Frauen, die ein schweres Trauma davon getragen haben. Die Schuldgefühle werde ich bis zu meinem Lebensende nicht mehr loswerden. Ich bereue meine Taten zutiefst. Meine Reue ist aufrichtig, glauben Sie mir.

noe.ORF.at: Wie haben Sie die Isolationshaft verarbeitet, wie haben Sie die Gewalt im Gefängnis erlebt?

Schandl: Durch die Isolationshaft bin ich wenig mit anderen zusammengekommen. Aber später, als ich mehr Kontakte hatte, war mein Ruf: „Auf ihn kann man sich verlassen, ihm kann man vertrauen. Er wird nie jemanden anschwärzen oder etwas verraten."

noe.ORF.at: Viele werden in der Haft erst zu richtigen Verbrechern, sagt man. Wie ist da Ihre Erfahrung?

Schandl: Da liegt es an der Person selbst. Für mich war eine solche Karriere nie in Frage gekommen. Ich habe mich zum zweiten Ausbruch verleiten lassen. Weil sie mir gegenüber die Pläne verharmlost haben, habe ich noch einmal einen Rückfall gehabt.

noe.ORF.at: Bricht diese lange Haft auch die Persönlichkeit?

Schandl: Das kommt wieder auf die Persönlichkeit an. Man wollte mich brechen. Ich habe das aber nicht zugelassen. Ich habe mir immer wieder gesagt: Das wird ihnen nicht gelingen. Meine Würde, mein Optimismus und mein Humor haben mich gerettet. Sie konnten mich nicht brechen.

noe.ORF.at: Wer wollte Sie brechen?

Schandl: Die Justiz, die Vorgangsweise. Natürlich gab es immer auch unter den Justizwachebeamten welche, die sagten, „den machen wir fertig“. Ich habe versucht, mich immer geistig zu beschäftigen, damit ich nicht verkomme oder verblöde. Ich habe die Weltliteratur gelesen, mich mit großen Philosophen und der Astrophysik beschäftigt, das habe ich aufgesogen wie ein Schwamm und schließlich auch zu Gott gefunden. Ich bin ein gläubiger Mensch. Meine Bildung habe ich mir im Gefängnis angeeignet, davor hatte ich keine Ahnung.

Adolf Schandl bei Buchpräsentation

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Schandl bei der Buchpräsentation

noe.ORF.at: Haben Sie in der Haft ihre Taten reflektiert?

Schandl: Ich habe erkannt, dass es der falsche Weg war, dass es eigentlich nie hätte dazu kommen dürfen, wenn nicht diese Schicksalsschläge gewesen wären. Da war ich als Persönlichkeit überhaupt nicht gefestigt. Da kam dann der Alkohol im Übermaß, der Alkohol hat mich enthemmt, er trübt alles ein. Ich war oft so betrunken, dass ich wie bewusstlos eingeschlafen bin. Die Spielsucht tat dann ihr Übriges. Ich habe getestet, wie es nun in Freiheit damit aussieht. Ich bin wieder ins Casino gegangen und probierte aus, ob ich aufhören kann. Es ist geglückt. Anscheinend, weil ich meine Lektion gelernt habe: das hat dich ins Gefängnis gebracht, das darfst du niemals wieder tun.

noe.ORF.at: Haben Sie noch Kontakt zu den anderen beiden Ausbrechern des Jahres 1971?

Schandl: Nein, das möchte ich nicht, das habe ich auch nie gemacht. Das war eine Zweckgemeinschaft, eine Notgemeinschaft. Wir hatten damals auch ausgemacht, sofort, wenn wir genug Geld haben, uns zu trennen. Wir wären nicht zusammen geblieben.

Das Gespräch führte Hannes Steindl, noe.ORF.at.

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