Asyl: „Traiskirchen könnte zur Falle werden“

Seit Mitternacht nimmt das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen keine weiteren Flüchtlinge auf. Die Volksanwaltschaft kritisiert die „unerträglichen Zustände“, die vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreffen.

Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) wies bei einer Pressekonferenz am Mittwoch auf die „unerträgliche“ Situation in Traiskirchen hin, die geplanten Regierungsmaßnahmen begrüßte er. Laut Rechtsanwalt Franjo Schruiff, der als Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft das Lager am 15. Juli inspizierte, besteht Sorge, dass nach dem Aufnahmestopp das Lager zur „Falle“ werden könnte. Weil die Länder nun die Flüchtlinge direkt übernehmen, könnte es passieren, dass die in Traiskirchen verbleibenden Menschen dort „gefangen“ bleiben könnten, meinte er.

Mängel bei Hygiene und medizinischer Betreuung

Schruiff zeichnete gemeinsam mit Kräuter und dem Arzt Siroos Mirzaei ein schauerliches Bild der Lage im Lager. Man habe Mitte Juli 3.828 Menschen im Lager vorgefunden (zuletzt waren es sogar rund 4.500), davon 1.588 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Von diesen hatte die Hälfte kein Bett.

Mängel gab es bei der Hygiene und der medizinischen Nachsorge. So habe man einen jungen nierenoperierten Mann mit aus seinem Körper heraushängendem Schlauch vorgefunden, dem erst nach Intervention des achtköpfigen Teams der Volksanwaltschaft geholfen wurde. Die Hürde sei hier die Anmeldung zur Behandlung: Wer nicht Deutsch oder Englisch könne, schaffe es nicht zu dem durchaus engagierten und vielsprachigen medizinischen Team, so Mirzaei. Kritik übte er auch an den großen Ressourcen, die in Untersuchungen zur Altersfeststellung gesteckt würden.

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Unbegleitete Kinder und Jugendliche „sind immer die Letzten“, so Schruiff. Aufgrund des Überbelags herrsche dringender Handlungsbedarf. Bei Kommissionsbesuchen in anderen Einrichtungen suche man nach einzelnen Menschenrechtsverletzungen. In Traiskichen stelle sich aber die Frage: „Welche Menschenrechte wurden nicht verletzt?“

Anahita Tasharofi, Gründerin des Vereins „Flucht nach Vorn“, berichtete von der Verzweiflung der traumatisierten Jugendlichen. Immer wieder gebe es Selbstmordversuche und Selbstverletzungen. Tagsüber hätten sie nichts anderes zu tun, als über den Horror ihrer Flucht nachzudenken. Nachts müssten sie im Freien schlafen, ergänzte Schruiff. „Da fressen sie die Gelsen.“

„Traiskirchen kann so nicht fortgeführt werden“

Kräuter erneuerte die Forderung nach Gleichbehandlung mit österreichischen Jugendlichen und Obsorge durch die Länder. Es brauche einen Aktionsplan, und es müsse eine kinder- und jugendgerechte Unterbringung, die prioritäre Behandlung ihrer Asylverfahren sowie Therapie, Bildung und Deutschkurse, schulische Betreuung und Freizeitgestaltung sichergestellt werden. Kräuter begrüßte auch die Besichtigung durch Amnesty International am Donnerstag. „Jeder Beitrag, um diesen Zustand zu beenden, ist sehr, sehr wichtig“, sagte er. „Traiskirchen kann in dieser Form einfach nicht fortgeführt werden.“

Aufnahmestopp seit Mitternacht in Kraft

Beim Erstaufnahmezentrum wurde am Mittwoch der seit Mitternacht geltende Aufnahmestopp exekutiert. Am Vormittag stellte sich die Lage vor dem überfüllten Flüchtlingslager ruhig dar. Die Polizei war präsent, mehrere blau-gelbe Reisebusse fuhren auf das Gelände, um Asylwerber aufzunehmen und in andere Quartiere zu bringen.

Um 10.30 Uhr verließ der erste Bus das Areal - voll besetzt, die Insassen winkten heraus und lachten. Bevor dann weitere Fahrzeuge folgen konnten, setzten sich zwei Flüchtlinge vor die Ein-/Ausfahrt und blockierten diese damit. Sie entfernten sich erst auf Intervention von Polizeibeamten.

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Für 11.00 Uhr hatte die Gruppe „Support Refugee Women in Traiskirchen“ im Internet zu einer Solidaritätskundgebung zur Unterstützung geflüchteter Frauen aufgerufen und 60 Zusagen für eine Teilnahme erhalten. Tatsächlich war um diese Uhrzeit jedoch weit und breit nichts von einer Demo zu sehen.

Nach einer gesundheitsbehördlichen Untersuchung in der Vorwoche hatte das Land Niederösterreich eine Aufnahmesperre verfügt - mehr dazu in Aufnahmesperre in Traiskirchen verordnet. Er habe „kein Wasser, kein Essen, kein Geld“, sagte ein 30-jähriger Iraner zur APA. Zwei Tage sei er im Camp gewesen, seit sechs Tagen stehe er auf der Straße - der Zutritt sei ihm verboten worden. Nach seinen Angaben ebenfalls seit sechs Tagen „outside“ war ein 23-jähriger afghanischer Staatsbürger.

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