Fürle: „Geballte Ladung Frauenpower“

Mit einem Weltstar hat an diesem Wochenende die neue Saison im Festspielhaus Sankt Pölten begonnen. Brigitte Fürle, die künstlerische Leiterin, spricht von einer geballten Ladung Frauenpower in den nächsten Monaten.

Die Choreografin Sasha Waltz zeigte am Wochenende ihre Produktion „Continu“ - mehr dazu in Waltz’ „Continu“ eröffnete Festspielhaus-Saison. Doch auch in weiterer Folge kommen große Namen der internationalen Tanzszene in die Landeshauptstadt St. Pölten, erzählt Brigitte Fürle im Gespräch mit Hannes Steindl, noe.ORF.at. Von „Continu“ war sie begeistert.

Brigitte Fürle: „Das kann uns schon stolz machen“

Brigitte Fürle: Ich träume von diesem Stück auch schon seit fünf Jahren. Wir hatten es 2010, als ich bei den Berliner Festwochen gearbeitet habe, gezeigt, allerdings ohne Live-Orchester. Dass es fünf Jahre später zu diesem Moment kommt, ist einzigartig. Dieses Klanggewitter, auch wirklich als Klangraum mit Live-Orchester zu erleben, das ist etwas, das uns hier in St. Pölten auszeichnet. Dieses Projekt gemeinsam mit dem Tonkünstler Orchester Niederösterreich umzusetzen, das kann uns schon stolz machen. Das ist wirklich einmalig, eine Uraufführung.

Brigitte Fürle

Festspielhaus St. Pölten/Victoria Schaffer

Brigitte Fürle: „Das Festspielhaus St. Pölten ist mittlerweile international ein Begriff. Ich muss nicht mehr erklären, wo wir sind und wofür wir stehen“

noe.ORF.at: Wie wird es weitergehen?

Brigitte Fürle: Wir haben hier ein Bollwerk, ein unfassbar tolles Programm an herausragenden Choreografinnen und Tänzerinnen-Persönlichkeiten, das auf uns zurollt: Nach Sasha Waltz kommt Pina Bauschs „Wuppertaler Tanztheater“ mit dem letzten Stück dieser wunderbaren Künstlerin. Danach Lucinda Childs, eine Zeitgenossin Pina Bauschs und künstlerische Antipodin, dann Sylvie Guillem, die größte Tänzerin, wie ich meine. Sie wird hier ihren Bühnenabschied geben. Ich würde sagen, wir haben hier wirklich Frauenpower pur auf der Bühne, das macht mir große Freude.

noe.ORF.at: Wie sind die Tonkünstler weiter eingebunden?

Brigitte Fürle: Es wird weitere gemeinsame Projekte zwischen Tanzensembles und den Tonkünstlern geben. Martin Schläpfer wird mit seinem wunderbaren „Ballett am Rhein“ Mahlers siebente Sinfonie und den Tonkünstlern umsetzen. Wir haben auch ein Projekt, das wir 3-D-Konzert nennen, mit dem Tanz-Ensemble „La Fura dels Baus“ und den Tonkünstlern mit Musik von Ottorino Respighi. Also: Ein paar sehr spezielle und interessante Programmpunkte, die diese Saison mitprägen werden. Zum Schluss der Saison ist noch eine Performance mit Alain Platel angesetzt, wahnsinnig komisch und traurig, begleitet von einer Blaskapelle aus Tulln. Das freut mich auch sehr.

noe.ORF.at: Da werden auch viele Tanztheater-Fans aus Wien anreisen, nehme ich an.

Brigitte Fürle: Ja, natürlich, wir haben mit der Großstadt vor unseren Toren auch ein ganz großes Potenzial. Man muss sagen, das Wiener Publikum ist sehr dankbar, dass wir hier dieses Programm bieten. Pina Bauschs Arbeiten oder Sasha Waltz, das war schon seit Ewigkeiten nicht mehr zu sehen. Da füllen wir natürlich eine Lücke.

Tanztheater Wuppertal Pina Pausch

Laurent Philippe

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch: "... como el musguito en la piedra..."

Großformatige Stücke sind im deutschsprachigen Raum selten auf Tour. Alle Produktionen, die wir zeigen, sind für ein großes Haus. Das ist eben nicht so sehr das Format, das Tanzfestivals zeigen können. Da haben wir uns darauf ein wenig spezialisiert, nicht nur österreichweit, sondern auch international. Ich bekomme sehr viel Anerkennung im Ausland für das, was wir hier tun.

noe.ORF.at: Das wäre meine nächste Frage gewesen, wie sich das Programm in der internationalen Resonanz widerspiegelt.

Brigitte Fürle: Ich komme nach London oder Paris und sage, ich komme vom Festspielhaus St. Pölten und das ist mittlerweile ein Begriff. Das heißt, ich muss nicht mehr erklären, wo wir sind und wofür wir stehen, das hat sich herumgesprochen. Wir sind ein Partnerhaus des „Teatre de la Ville“ in Paris und des „Sedlar´s Wells Theatre“ in London. Das heißt, wir haben ein großes Bewusstsein geschaffen, was dieses Haus hier kann.

Manches können wir sogar besser als die angesprochenen Häuser, denn wir nehmen uns mehr Zeit für die Künstler. Wir sind nicht unter diesem Quantitätsdruck, den die Künstler oftmals heute am wenigsten brauchen, wir leisten uns eben stattdessen diesen „Luxus“ mit verstärkter Probenzeit. Wir lassen nicht aus der Konserve spielen, wir binden das Orchester ein. Das sind schon Arbeiten, die sich andere Häuser nicht leisten oder leisten können. Qualitätsvolle Kunst braucht auch Zeit, das ist unsere Überzeugung. Das Festspielhaus ist ein Alleinstellungmerkmal für einen Ort, wo der künstlerischen Arbeit eine andere Wertschätzung gegeben wird.

noe.ORF.at: Die Situation der Flüchtlinge ist derzeit das öffentliche Thema. Ich nehme an, das wird sich im Festspielhaus noch inhaltlich niederschlagen.

Brigitte Fürle: Das hat es schon, wir hatten im August einen Künstler aus Syrien, Hussein Khaddour, als Artist in Residence. Er hat hier ein Stück mit dem Titel „Indignity“ erarbeitet, das dann beim Forum Alpbach mit sehr großem Erfolg gezeigt wurde. Wir unterstützen auch gerade seine Arbeit in Damaskus, die er mit Flüchtlingskindern aufbaut. Wir werden auch seinen Film „Point Zero“ im Foyer präsentieren. Mir ist es wichtig, aufzuzeigen, dass es trotz allem ein künstlerisches Leben in Damaskus gibt.

Das Gespräch mit Brigitte Fürle führte Hannes Steindl, noe.ORF.at.

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