In Stetten wird die Urzeit vermessen

Die Fossilienwelt Weinviertel in Stetten (Bezirk Korneuburg) beherbergt das größte fossile Austernriff der Welt. Die Erforschung mittels modernster Technologien hat jetzt erste Ergebnisse zur Entstehungsgeschichte geliefert.

„Smart Geology“ nennt sich das Projekt des Naturhistorischen Museums Wien in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Wien. Dabei wird das fossile Austernriff im Weinviertel vollautomatisch mittels 3-D-Scan erfasst. 50.000 Austernschalen liegen hier, die Grabungsfläche darf aber nicht betreten werden, weil sie unter Naturschutz steht - eine klassisch paläontologische Erfassung wäre also schon allein aufgrund der enormen Zahl von Austernschalen sehr kompliziert und zeitaufwändig.

Deshalb werden die Objekte, ihre Lage und Form digital erforscht - die Methoden der 3-D-Rekonstruktion werden dazu mit digitalen Höhenmodellen der Bergwissenschaft verknüft. Riesige Laserscanner auf Fahrgestellen dokumentieren die Austern von oben und werten die Daten dann in 3-D-Modellen aus.

Riesige Urzeit-Austern wurden nicht alt

„Die Resultate zeigen, dass das Austernriff Ergebnis von mindestens vier Ereignissen ist, die zum Teil viele Jahre auseinanderliegen. Eine ungewöhnliche Sturmwelle oder ein Tsunami brachte Vertreter verschiedener, sowohl zeitlich als auch räumlich voneinander getrennter Ökosysteme zusammenbrachte“, sagt Projektleiter Mathias Harzhauser vom Naturhistorischen Museum.

Fossilienwelt Weinviertel

Die Fossilienwelt Weinviertel beherbergt das größte fossile Austernriff der Welt. Vor rund 17 Millionen Jahren lebten hier - nordöstlich von Korneuburg - Haie, Seekühe und eine Vielzahl von Riesenaustern an einer seichten Meeresbucht. Mehr als 650 verschiedene Tier- und Pflanzenarten sind von dieser einzigartigen fossilen Fundstätte bereits dokumentiert.

Auch über Altersstruktur und Population des Riffs konnten bereits Erkenntnisse gewonnen werden. Die Riesen-Austern waren zwar bis zu 80 Zentimeter lang, aber zum überwiegenden Teil nur zwischen drei und sieben Jahre alt - das zeige, dass das Austernriff lediglich ein geologischer „Schnappschuss“ sei und nicht durch Ansammlung abgestorbener Schalen über viele Jahrzehnte entstanden sei, so der Forscher.

Auf der Suche nach „Romeo und Julia“

Der Versuch, zwei zusammenpassende Austernhälften zu finden, wird von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern humorvoll „Romeo & Julia-Projekt“ genannt, hat aber durchaus einen handfesten Hintergrund. Die Arbeit daran könnte auch im täglichen Leben Anwendung finden, berichtet der Projektleiter. „Das automatische Erkennen von unregelmäßigen Formen, wie Baumkronen im Wald oder Einzelpersonen in Menschenmengen, ist ein hochaktuelles Forschungsfeld“, sagt Harzhauser.

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