Pensionisten als Lesepaten in Schulen

Laut Statistik können knapp eine Million Österreicherinnen und Österreicher schlecht oder gar nicht lesen. Damit Schulkinder öfters zum Buch greifen, versuchen es viele Schulen in Niederösterreich nun mit Pensionisten als Lesepaten.

Ursula Benz kommt bis zu zwei Mal pro Woche in die Volksschule in Klosterneuburg (Bezirk Wien-Umgebung), um mit Kindern unterschiedlicher Altersstufen zu lesen. Sie war Beamtin, seit einem Jahr ist sie im Ruhestand. „Ich wollte mir eine sinnvolle Beschäftigung suchen“, sagt die Pensionistin. Nun fungiert Benz als Lesepatin. Allerdings liest nicht sie den Kindern Geschichten vor, sondern die Kinder lesen der Pensionistin etwas vor.

Lesepatin und Schülerin in der Volksschule Klosterneuburg

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„Leseoma“ Ursula Benz verteilt an zwei Tagen an der VS Klosterneuburg Gummibärchen für gute Leseleistungen

Die „Leseoma“, wie sie von den Kindern genannt wird, hört den Kindern gerne zu, auch wenn diese langsam lesen und dabei oft noch stottern. „Es ist eine sehr schöne Tätigkeit“, sagt sie, „unglaublich, was einem die Kinder alles zurückgeben.“ Als Belohnung bekommen die Kinder von Lesepatin Ursula Benz ein Gummibärchen. Für die Schule sind die Lesepaten etwas Besonderes. „Unsere Leseomas und Leseopas sind Schulfremde“, sagt die Leiterin der Volksschule Klosterneuburg, Britta Nahrgang, „die Kinder entwickeln ein anderes Vertrauensverhältnis zu ihnen.“

Lesepaten vergeben Lob statt Noten

Eine spezielle pädagogische Ausbildung erhalten die Lesepaten nicht. Sie werden lediglich von einer Pädagogin unterwiesen sowie auf die Schwächen der Kinder aufmerksam gemacht. Danach dürfen sie aber umgehend als Lesepaten zu arbeiten beginnen. Noten dürfen die Lesepaten nicht vergeben, auch nicht „Leseoma“ Maria Wawrek, die 30 Jahre lang als Deutschlehrerin tätig war. „Das ist ja das Schöne. Ich muss keine schlechten Noten verteilen“, erzählt sie, „ich sage den Kindern nur Positives.“

Die ehemalige Deutschlehrerin stellt fest, dass die Leseleistung der Schulkinder in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen habe. Schuld daran seien das Fernsehen und die neuen Technologien, sagt Wawrek, die einen fünfjährigen Enkel hat, der gerne mit Tablets spielt. Laut Wawrek sei es wichtig, dass sich die Eltern Zeit nehmen, um mit dem Kind zu lesen, das würde oft unterschätzt, meint sie.

Lesepaten sorgen für mehr Lesefreude

An der Schule in Klosterneuburg scheint man dieses Problem nicht zu haben. „Ich lese gerne ‚Gregs Tagebuch‘“, sagt Leonie, die die zweite Klasse besucht. „Mein Papa nimmt mir das Buch aber immer weg. Er meint, im Buch seien englische Ausdrücke, die ich nicht lesen darf.“ Dass es eine Leseoma an der Schule gibt, ist für Leonie eine „schöne Sache“. Magdalena, ebenfalls in der zweiten Klasse, freut sich, weil sie von der Leseoma ausschließlich Lob bekommt. „Ich höre nie, dass ich besser werden muss. Ich lese gern und gut“, sagt sie.

Klasse in der Volksschule Klosterneuburg

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Seit vier Jahren gibt es Lesepaten an der Volksschule Klosterneuburg, die Lesefreude sei enorm gestiegen, sagt die Schuldirektorin

Das Projekt der Lesepaten gibt es in der Volksschule Klosterneuburg seit mittlerweile vier Jahren. Jene Schulkinder, die bereits an eine Neue Mittelschule oder ans Gymnasium gewechselt sind, würden sich nun mit dem Lesen leichter tun, sagt die Leiterin der Volksschule: „Die Lesefreude ist enorm gestiegen und auch die Leseflüssigkeit. Man kann sagen, die Kinder haben dadurch deutlich bessere Leistungen im Lesen“, so Britta Nahrgang.

Barbara Tschandl, noe.ORF.at

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