Alföldi zeigt „Tartuffe“ als heutigen Polit-Typus

Robert Alföldi inszeniert am Landestheater Niederösterreich „Tartuffe“. In St. Pölten zeigt der ungarische Regisseur den Titelhelden der Molière-Komödie als einen, der nur seinen eigenen Vorteil im Sinn hat.

„Um seine Interessen zu verfolgen, nimmt Tartuffe einfach jenes Gedankengut, das ihm den meisten Erfolg verspricht“, erläutert der ungarische Regisseur seine Interpretation im Gespräch mit Wolfgang Huber-Lang von der Austria Presse Agentur (APA). „Bei uns ist Tartuffe ein junger, attraktiver Mann in seinen 20ern - ein Typus, den wir sofort wiedererkennen.“

In der Titelrolle: Albrecht Abraham Schuch

Ein Typus, der in der Politik zunehmend dominiert, der aber keine Weltanschauung besitzt und statt des Gemeinwohls nur seinen eigenen Vorteil im Auge hat. „Das ist die Generation der Zukunft.“ In der Produktion des Landestheaters Niederösterreich in St. Pölten, die am 27. Februar Premiere hat, spielt Albrecht Abraham Schuch („Die Vermessung der Welt“) die Titelrolle des smarten Betrügers.

Schauspieler in Tartuffe im Landestheater in Sankt Pölten

Landestheater Niederösterreich

Elisa Seydel, Albrecht Abraham Schuch und Tobias Voigt (v.l.) in „Tartuffe“

Dass manche Parteien heute wie Unternehmen geführt würden, denen für Gewinnmaximierung alles, auch Mafia-Methoden, recht sei, erläutert der ehemalige Leiter des Budapester Nationaltheaters, dessen Nicht-Verlängerung 2013 für internationales Aufsehen gesorgt hatte, an der in Ungarn regierenden Fidesz-Partei: „Vor 20 Jahren waren sie die jungen Liberalen. Heute haben sie einen extrem konservativen, rechtspopulistischen Kurs. Weil es das ist, was sich am meisten lohnt.“ Und so zeige auch „Tartuffe“ anhand der Familie des reichen Orgon, wie sehr eine ängstlich gewordene, verunsicherte Gesellschaft anfällig für die simplen Rezepte der lächelnden (Ver-)Führer geworden ist.

Alföldi: „Aus heutiger Sicht ein absurdes Stück“

Triste Zeiten? „Ja, aber ein witziges, aus heutiger Sicht geradezu absurdes Stück. Vergessen wir nicht, dass es sich um eine Komödie handelt“, sagt Alföldi, dessen St. Pölten-Debüt vor zwei Jahren mit „Meine Mutter, Kleopatra“ dem Landestheater Niederösterreich eine Nestroy-Nominierung eingetragen hatte.

„Hier nun zum zweiten Mal zu inszenieren, ist psychologisch eine ganz andere Situation. Aus einem Test, den ich zu bestehen hatte, ist Vertrautheit geworden“, lacht der 48-Jährige. Mit Jan Walter, Michael Scherff und Lisa Weidenmüller sind drei Schauspieler der damaligen Produktion wieder mit dabei. Sie helfen die eher ungewohnten Methoden des Regisseurs zu vermitteln.

Robert Alföldi vor dem Landestheater Niederösterreich in Sankt Pölten

APA/Landestheater Niederösterreich/Gerald Lechner

Robert Alföldis erste Regiearbeit in St. Pölten „Meine Mutter, Kleopatra“ wurde für den Nestroy-Preis nominiert

„Ich sage den Schauspielern sehr früh, wann sie wohin gehen sollen“, erläutert Alföldi seine Arbeitsweise. „Das irritiert manche, weil sie sich eingeengt fühlen. Meist gibt es ihnen aber Sicherheit. Für mich ist es sehr wichtig, ein Konzept zu haben, das ich überprüfen kann.“ Das sei wie bei einem Eiskunstlaufprogramm, das der Trainer zusammenstelle: „Ich muss darauf vertrauen, dass der Läufer alle Sprünge kann. Wenn ich sage: An dieser Stelle machst du einen doppelten Rittberger, dann muss er das umsetzen können. Die B-Note, der künstlerische Ausdruck, spielt seine Rolle nur innerhalb dieses Rahmens.“

Alföldi: Ein Regisseur, der sich nicht arrangiert

In dieser Saison arbeitet Alföldi erstmals fast ausschließlich an Theatern, in denen er sich eines „Sprachrohrs“ (in St. Pölten ist es seine Dramaturgin Anna Lengyel) bedienen muss. Kürzlich inszenierte er in Korea, nach dem „Tartuffe“ inszeniert er für die Bayerische Staatsoper „Albert Herring“ von Benjamin Britten, danach „Senza sangue“ von Peter Eötvös in Avignon.

„Tartuffe“ von Molière, Deutsch von Wolfgang Wiens

  • Regie: Robert Alföldi
  • Bühne: Ildiko Tihanyi
  • Kostüme: Fruzsina Nagy.
  • Mit Julia von Sell, Tobias Voigt, Elisa Seydel, Jan Walter, Lisa Weidenmüller, Pascal Groß, Michael Scherff, Albrecht Abraham Schuch, Swintha Gersthofer und Helmut Wiesinger

Für die kommende Spielzeit sehe es jedoch so aus, als würde er wieder vornehmlich in Ungarn arbeiten. Also sei er in seinem Heimatland doch nicht in Ungnade gefallen? Alföldi lacht schallend: „Es gibt in Ungarn 90 Staats- und Stadttheater. Ganze drei von ihnen laden mich ein. Das ist keine Beschwerde, bloß eine Feststellung.“

Nur wenige Theatermacher exponierten sich politisch, die übrigen arrangierten sich, um sich ihre Chance auf Arbeit trotz des konservativen bis reaktionären kulturpolitischen Kurses der Orban-Regierung nicht zu verbauen. Hat er keine Hoffnung auf eine Kursänderung oder auf zunehmende Opposition unter Künstlern? Auf diese Frage gibt Robert Alföldi zum einzigen Mal seine Antwort auf Deutsch. Sie fällt kurz und bündig aus: „Nein.“

Links: