„Tartuffe“: Blanke Nerven statt höfischer Etikette

Mit einer stupenden Inszenierung von Molieres „Tartuffe“ ist der ungarische Regisseur Robert Alföldi ans Landestheater zurückgekehrt. Keine Spur von barockem Samt und höfischer Etikette, statt dessen liegen die Nerven blank.

Ein weißgerahmter Kubus mit hintereinander angeordneten, transparenten und verschiebbaren Wandelementen bildet das Zentrum der Bühne, von deren Decke eine überdimensionierte Glühbirne herabhängt, was gemeinsam mit den klinisch wirkenden Wänden bisweilen den Eindruck einer Zelle oder einer Anstalt evoziert (Ildiko Tihanyi hat diese atmosphärisch stimmige Raumlösung gestaltet).

Tartuffe im Landestheater mit Albrecht Abraham Schuch und Elisa Seydel

Nurith Wagner-Strauss

„Tartuffe“ mit Albrecht Abraham Schuch (l.) und Elisa Seydel

Regisseur Robert Alföldi verwendet die im strengen Versmaß gereimte Übersetzung von Wolfgang Wiens, die mit den emotionalen Verspannungen der sehr heutigen Protagonisten bestens korreliert.

Robert Alföldi inszeniert Moliere illusionslos

Unter druckvollem Einsatz von Körpersprache, häufiger Verwendung von pantomimischen und Slapstick-Elementen und absichtsvollem Outrieren als Stilmittel entsteht eine Atmosphäre der Übertreibung, was die Personen bisweilen hart an den Rand der Hysterie treibt, nicht jedoch - wie etwa bei Herbert Fritsch - ins gänzlich Absurde.

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„Tartuffe“ - mit viel Körpersprache

Molieres Auseinandersetzung mit Scheinheiligen und Heuchlern hat auch 350 Jahre nach der Uraufführung nichts an Aktualität verloren.

Diese Rechnung geht auf: Erstaunlich, was Alföldi dabei aus dem Landestheater-Ensemble hervorholt. Swintha Gersthofer gibt in ihrem geblümten Kleid eine resolute Zofe, Tobias Voigt als Orgon erliegt dem bigotten Gast in wahnhafter Intensität und folgt ihm schließlich wie ein Hund auf allen Vieren. Als Tartuffe wechselt Albrecht Abraham Schuch zwischen betulichem Geheuchel und brünstiger Unbeherrschtheit.

In seiner Fassung dreht Alföldi die Schraube in Richtung Drastik. Der kritiklose Orgon erkennt die Verschlagenheit des verehrten Tartuffe erst angesichts dessen Geschlechtsverkehrs mit seiner Frau (Elisa Seydel spielt die Elmira mit großer Klasse), und am Ende lässt Tartuffe Gnade walten und amüsiert sich beim gemeinsamen Espresso über die langen Gesichter der drangsalierten Familie.

„Tartuffe“ ist bis 9. April im Landestheater in St. Pölten zu sehen, am 5. und 6. April als Gastspiel in der Bühne Baden.

Ein „Tartuffe“ ohne Happy End

Das ist kein Happy End, sondern eine klare, illusionslose politische Botschaft: Die Herrschenden danken nicht ab, auch wenn sie im Unrecht sind, sondern weiden sich auch noch an der erzwungenen Dankbarkeit der Beherrschten. Wie sagt doch Orgon: „Der Mensch ist ein gemeines Tier!“

Ewald Baringer, Austria Presse Agentur. Der Bericht bezieht sich auf die Generalprobe vom Freitagabend, Premiere´in St. Pölten war am Samstagabend. „Tartuffe“ wird bis 9. April im Landestheater gezeigt und ist am 5. und 6. April als Gastspiel in der Bühne Baden zu sehen.

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