Alpingeschichte nach Katastrophe

Ein Lawinenunglück vor genau 120 Jahren auf der Rax, im Grenzgebiet zwischen Niederösterreich und der Steiermark, führte zur Gründung der ersten Bergrettung der Welt. Heute zählt die Organisation österreichweit 12.500 Freiwillige.

Die Berge in Niederösterreich sind nicht die höchsten, und doch wurde hier, im Zuge eines Booms Mitte des 19. Jahrhunderts, Alpingeschichte geschrieben. Damals eroberten Bergsteiger aus Wien die umliegenden Gebirge. In den 1860er Jahren wurden Alpinvereine wie der Alpenverein oder die Naturfreunde gegründet. Weil immer mehr Touristen den Weg auf die Berge suchten, häuften sich auch die Unfälle.

Bergung am Fels

Walter Bichler / www.bergrettung.at

In Niederösterreich sind derzeit etwa 1.300 Freiwillige als Bergretter aktiv

Zu dieser Zeit wurden schon länger Pläne gewälzt, eine Art Bergrettung einzuführen, aber es brauchte eine Katastrophe, um sie auch zu realisieren. Die drei bekannten Wiener Bergsteiger Josef Pfannl, Max Schottik und Fritz Wannieck versuchten am 8. März 1896 über den Reißtalersteig, im Grenzgebiet zwischen Niederösterreich und der Steiermark, auf die Rax zu gehen. Sie gerieten in eine Lawine und alle drei starben unter den Schneemassen. Pfannls Bruder Heinrich versuchte eine Rettungsaktion zu starten. Mit eilig zusammengetrommelten Holzknechten und Bergführern versuchte er den Aufstieg, aber die Aktion war unkoordiniert und die Hilfsmittel unzureichend. Der letzte der drei Toten konnte erst eine Woche später geborgen werden.

Österreich als weltweiter Vorreiter

Das Unglück und die Prominenz der drei Toten waren eine Art Weckruf für die Bemühungen, eine Bergrettung ins Leben zu rufen. Am 22. Mai 1896 wurde der „Alpine Rettungsausschuss Wien“ gegründet, mit Ortsstellen in Reichenau an der Rax und in Puchberg am Schneeberg (beide Bezirk Neunkirchen), sowie in Mürzzuschlag und im Gesäuse (Steiermark), wie Ewald Putz, der Ortsstellenleiter der Bergrettung Reichenau, erzählt.

„Das war die erste alpine Rettungsorganisation, die Rettungsgeräte entwickelt hat. Man hat die Bergretter aus Bergführern, Holzknechten und aus einheimischen Bergsteigern rekrutiert und entsprechend ausgebildet“, erzählt Hubert Köttritsch von der Bergrettung Niederösterreich und Wien. Das System fand bald österreichweit Nachahmer. Die österreichische Bergrettung wurde gegründet und in der Folge genauso aufgebaute Organisationen in den alpinen Ländern Europas. Schließlich wurde das System Bergrettung auf der ganzen Welt nach diesem Vorbild eingeführt.

Taubergung durch die Bergrettung

Markus Amon / www.bergrettung.at

Die Gründungsmannschaft der ÖAMTC-Flugrettung setzte sich aus Bergrettern zusammen

Bergrettung als Grundstein für die Flugrettung

Österreichweit gibt es heute 291 Ortsstellen in sieben Landesverbänden. 12.500 Bergretterinnen und Bergretter verrichten ihren Dienst auf freiwilliger Basis. Jährlich werden etwa 7000 Einsätze gezählt. Auch die Gründungsmannschaften der ÖAMTC-Flugrettung setzten sich aus Bergrettern zusammen. Im Landesverband Niederösterreich/Wien, der „Keimzelle“ der Bergrettung, verrichten derzeit 1.300 Freiwillige ihren Dienst, darunter 100 Frauen.

Wie im gesamten Freiwilligenwesen ist die Rekrutierung von Bergrettern vor allem unter der Woche nicht immer einfach. Martin Gurdet, Geschäftsführer der Österreichischen Bergrettung: „Natürlich ist es unter der Woche ein Stück weit schwieriger, hier agieren zu können, aber dann werden auch andere Ortsstellen mitalarmiert, und so findet man immer ausreichend Menschen, die Bergkameraden helfen wollen und können.“

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