Van der Bellen für „Geduld und Härte“

Integration von Zuwanderern habe in Österreich eine große Tradition, so Alexander Van der Bellen. Es werde viel Geduld notwendig sein, manchmal auch Härte, sagte er in der ORF-NÖ-Interviewserie mit den Präsidentschaftskandidaten.

Bei der Unterbringung von Flüchtlingen sah Alexander Van der Bellen die Staaten der EU gefordert - es gehe nicht auf Dauer, dass Deutschland, Österreich und Schweden die Hauptlast tragen. Zum Thema Obergrenzen sagte er: „In einem Punkt muss ich schon sehr deutlich sein. Soweit es sich um Menschen handelt, die der Genfer Flüchtlingskonvention unterliegen, kann es tatsächlich keine Obergrenze geben. Das wäre nämlich verfassungswidrig beziehungsweise gegen europarechtliche Verfassungsbestimmungen.“

„Autonome Grenzen bei Wirtschaftsmigration“

Anders sei es bei der sogenannten Wirtschaftsmigration, also „bei Menschen, die zuziehen wollen, aber nicht aus Kriegsgründen oder weil sie persönlich verfolgt werden, sondern, weil sie sich eben ihren Arbeitsplatz woanders suchen wollen. Da kann man autonom Grenzen einziehen, in welcher Höhe auch immer“, so Alexander Van der Bellen. Er verwies auf die österreichische Tradition bei der Integration von Zuwanderern: „Man muss aber auch Geduld und im Einzelfall Härte zeigen, was bei uns geht und was nicht geht.“

Zur Frage, warum er als langjähriger Chef der Grünen nun so dezitiert als unabhängiger Kandidat auftritt, sagte Van der Bellen: „Ich habe das mit der Unabhängigkeit vielleicht ein bisschen übertrieben. Gemeint ist Folgendes: Der Bundespräsident muss parteiübergreifend agieren, wenn er einmal gewählt ist. Er muss über den Parteien stehen, er muss sich neutral verhalten.“ Ist er noch Mitglied der Partei? „Ja. Ich werde es aber wie Heinz Fischer machen - bevor ich angelobt werde, werde ich die Mitgliedschaft ruhend stellen."

Wird er Präsident? Van der Bellen: „Ich werde es“

Worin unterscheide er sich von den anderen fünf Kandidaten? „Mich unterscheidet jedenfalls, dass ich sowohl eine Karriere im sogenannten zivilen Leben hinter mich gebracht habe als auch eine politische Karriere. Die ersten 30 Jahre meines Berufslebens oder etwas länger habe ich an Universitäten und an Forschungsinstituten verbracht. Die nächsten mittlerweile 20, 25 Jahre in der Politik. Die anderen Kandidaten waren entweder nur im zivilen Bereich tätig - ohne politische Erfahrung - oder nur in der Politik tätig, ohne sozusagen das Leben draußen einmal aus einer anderen Perspektive kennengelernt zu haben.“

Er würde jedenfalls ein moderierender, verbindender Präsident sein und wolle Österreich nach außen hin würdig repräsentieren und Kontakte knüpfen - so der 72jährige. Auf die Frage von ORF-Niederösterreich-Chefredakteur Robert Ziegler „Was machen Sie, wenn Sie es nicht werden?“, antwortete Van der Bellen mit einem lächelndem „Ich werde es aber.“ Wenn dem so ist, dann würde ihn seine erste Auslandsreise in die Schweiz führen.

Welche Werte gehören zu Österreich? „Offenheit“

„Welche Werte gehören denn aus Ihrer Sicht zu Österreich und zu unserer Gesellschaft“, fragte Moderator Robert Ziegler. „Offenheit. Wenn wir uns abschließen, dann brauchen wir natürlich weder Ausländer, aber dann brauchen wir auch keine guten Wissenschaftler an den Universitäten, dann brauchen wir keine Opernsängerinnen aus dem Ausland, keine Fußballer und keine Eishockeyspieler“, so Van der Bellens Antwort.

In Europa sei es so, wenn man gut und erfolgreich sein will, dann muss man international sein. „Darauf werden wir uns einzustellen haben. Ich persönlich sehe absolut keinen Grund, hier übernervös zu sein. Erstens komme ich selbst aus einer Flüchtlingsfamilie und zweitens sind in meiner näheren Verwandtschaft und Bekanntschaft jede Menge transnationaler Ehen, es gibt bi-nationale Ehen und Kinder, die zwei- und dreisprachig aufwachsen. Das ist normal im heutigen Europa.“

Wordrap mit Alexander Van der Bellen

Welches Staatsoberhaupt hat seine/ihre Rolle aus Ihrer Sicht gut ausgefüllt? Alle österreichischen Präsidenten auf ihre Art.

Gibt es einen Politiker oder eine Politikerin in einer anderen Partei, den Sie bzw. die Sie bewundern? Warum? Ich hätte Barbara Prammer gewählt. Franz Fischler, Ursula Plassnik, Bruno Kreisky.

Wohin sollte Ihre erste offizielle Reise als Bundespräsident gehen? Schweiz.

Was wäre für Sie ein Rücktrittsgrund? Schwere Krankheit.

Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Winston Churchill.

Was würden Sie einem Staatsgast gerne servieren? Tafelspitz.

Was sagt man Ihnen nach? Besonnen, für manche fast fad.

Was machen Sie in der Früh zuerst? Kaffee trinken.

Als Kind wollten Sie sein wie… …ein berühmter Architekt.

Wären Sie Fußballer - auf welcher Position würde Sie der Fußball-Teamchef einsetzen? Warum? Spielmacher.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? Don Winslow: The Cartel.

In einem Orchester wären Sie… Zugposaunist.

Was machen Sie am liebsten, wenn Sie gerade nichts machen müssen? Nichts.

Gibt es einen Platz in Niederösterreich, der Sie besonders beeindruckt? Gösing.

An wen haben Sie zuletzt ein SMS/mail gesendet? An meine Frau.

Den Sommerurlaub verbringen Sie heuer… das wissen die Götter.

Ein Tag ist für mich gelungen, wenn… ich nur drei Wordraps ausfüllen muss.

Mehr über Alexander Van der Bellen

Nach nur kurzer Polit-Pension versucht der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen die Rückkehr aufs politische Parkett, der 72-Jährige überlegte lange, ob er das überhaupt will. Und kündigte dann an, als Unabhängiger anzutreten, freilich mit intensiver Unterstützung seiner Grünen. An deren Spitze hatte er sich lange wie kein anderer gehalten, von 1997 bis 2008.

Dabei war er quasi ein „Spätberufener“: Erst mit fast 50 stieg der Wirtschaftsprofessor von der SPÖ zu den Grünen um und in die Politik ein. Dann ging es aber schnell: 1994 wurde er Abgeordneter im Nationalrat, drei Jahre später Bundessprecher und 1999 Klubobmann. Er schlug drei erfolgreiche Nationalratswahlen, die Grünen wuchsen mit ihm von fünf auf über zehn Prozent. Mit der Wahlschlappe 2008 übergab er die Geschäfte an Eva Glawischnig.

Beliebt blieb der besonnen wirkende Professor aber: Bei der Wien-Wahl 2010 schaffte er ein Vorzugsstimmenmandat - wechselte aber erst 2012 vom National- in den Gemeinderat. Bei der Wahl 2015 trat er nicht mehr an, sondern überlegte schon, ob er dem Wunsch der Partei, für die Hofburg zu kandidieren, nachkommen sollte.

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