Nitsch: „Das Ritual dient nicht nur der Religion“

Als „meditativen, permanent sich wiederholenden Vorgang“ beschreibt Hermann Nitsch das Ritual. Welche Bedeutung es für sein künstlerisches Schaffen hat, zeigt die Ausstellung „Ritual“ ab Sonntag im Nitsch-Museum in Mistelbach.

Die Ausstellung „Hermann Nitsch - Ritual“ konzentriert sich auf die Bedeutung von Ritualen aus Religion und Kunst im Werk von Hermann Nitsch. Bei der Ausstellungseröffnung am Pfingstsamstag präsentierte Nitsch auch die CD „Nitsch und seine Musik“. Sie stellt im Mix von Musik und Gespräch die musikalischen Einflüsse und den musikalischen Kosmos des Künstlers vor. Zudem lud Nitsch zum traditionellen Pfingstfest am Sonntag in sein Weinviertler Schloss Prinzendorf ein.

noe.ORF.at: Ihr künstlerisches Schaffen ist seit jeher vom Ritual geprägt, welche Bedeutung hat es für Sie?

Hermann Nitsch: Mein ganzes Werk, auch mein Theater, ist eine Auseinandersetzung mit dem Ritual. Bei der Ausstellung haben wir das Ritual besonders herausgekehrt und haben gezeigt, dass das Ritual nicht nur im Bereich des Religiösen eine Rolle spielt, sondern auch in der Kunst. Auch wollen wir damit zeigen, dass das Ritual etwas sehr, sehr Wichtiges ist.

noe.ORF.at: Warum ist das Ritual gerade so etwas Wichtiges?

Nitsch: Es hat auch etwas mit der Lehre zu tun. Durch das Ritual wird eine Tatsache immer wieder gesagt, immer wieder wiederholt. Man begreift es vielleicht nicht das erste Mal, nicht das zweite Mal, aber beim dritten Mal begreift man es. Ich würde sagen, das Ritual ist ein meditativer, permanent sich wiederholender Vorgang, der der Schöpfung entspricht. Die Schöpfung geht ja auch so vor: Es wird immer wieder etwas probiert, es entstehen verschiedene Lebewesen, die sich weiterentwickeln. Da gibt es die Geschichte, dass sich der Mensch aus dem Affen heraus entwickelt hat. Und das Ritual ist Entwicklung und Form.

noe.ORF.at: Inwiefern unterscheiden Sie Rituale aus der Religion und aus der Kunst?

Nitsch: Die Kunst war früher unmittelbar mit der Religion verbunden. Die Kunst war immer Dienerin der Religion und so auch das Ritual. Dann hat sich die Kunst verselbstständigt und war gewissermaßen mit der Religionsausübung vergleichbar. In der Ausstellung haben wir so viele Kunstwerke, wo das Kunstwerk zum Ritual geworden ist. Zum Beispiel hat Claude Monet immer wieder Kathedralen und Heuschober in den verschiedensten Beleuchtungen gemalt. Somit dient das Ritual nicht nur der Religion, sondern auch der Kunst. Bis zu einem gewissen Grad hebt sich dieser Gedanke aber wieder auf, wenn man sagt, dass Kunst eine metaphysische Tätigkeit ist. Denn dann ist das Ritual wieder mit Religion verbunden.

noe.ORF.at: Es werden auch Beispiele aus der bildenden Kunst gezeigt, die Ihrem Verständnis nach das Ritualhafte widerspiegeln. Nach welchen Kriterien haben Sie diese Kunstwerke ausgewählt?

Nitsch: Es ist die Schönheit, das gelungenen Werk. Was mich fasziniert hat, habe ich ausgestellt. Wie etwa die wiederkehrenden Motive von Claude Monet, seine Heuschober und die Seerosen, die er selber gepflanzt hat und immer wieder gemalt hat. Oder Vincent van Gogh, der hat viele Sonnenuntergänge gemalt, immer und immer wieder. Oder Paul Cézanne, der immer wieder einen Berg gemalt hat. Ich habe diese Kunstwerke mit meinen Arbeiten ins Verhältnis gesetzt und bin stolz darauf, dass mir diese durchaus didaktisch aufgebaute Ausstellung gelungen ist.

noe.ORF.at: Neben Ihren Werken zeigen Sie in der Ausstellung auch Requisiten des Orgien Mysterien Theaters, was erwartet die Besucherinnen und Besucher dabei?

Nitsch: Blutige Tücher, Tragbaren, Hemden und Kleider, die bei meinen Aktionen immer verwendet wurden und mit Blut, Schleim oder Farbe beschmutzt wurden. Wenn diese Relikte bei mir Gefallen finden, wenn ich sie schön finde, dann sammle ich diese Objekte und zeige sie.

noe.ORF.at: Bei der Eröffnung haben Sie Ihre CD „Nitsch und seine Musik“ präsentiert, welche Rolle spielt das Musikalische für Sie?

Nitsch: Ich möchte ein Gesamtkunstwerkt machen und mit der Entwicklung meiner Kunst in Richtung Happening, Aktionismus und Performance, ist es darum gegangen, dass reale Geschehnisse inszeniert wurden und da ist automatisch das Gesamtkunstwerk gefunden worden, weil ein reales Geschehnis ist über alle fünf Sinne erfahrbar und das möchte ich mit meinem Gesamtkunstwerk demonstrieren.

Das Gespräch führte Martina Gerlitz, noe.ORF.at

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