520 jugendliche Flüchtlinge vermisst

Laut Bundeskriminalamt wurden heuer und im Vorjahr 2.600 minderjährige Nicht-EU-Bürger als vermisst gemeldet. Dabei dürfte es sich überwiegend um Asylsuchende handeln. Von Hunderten fehlt noch immer jede Spur.

Rund um das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen (Bezirk Baden) waren es 200 Jugendliche, die heuer und im Vorjahr verschwunden sind, 150 gelten immer noch als vermisst. Darunter ist auch die 16-jährige Amina Diallo. Sie wurde zuletzt vor acht Monaten im Erstaufnahmezentrum gesehen.

Gemeinsame Flucht mit Bruder

Amina Diallo war gemeinsam mit ihrem Bruder in Traiskirchen untergebracht, allerdings in unterschiedlichen Gebäuden. Am 19. Jänner besuchte sie ihren Bruder beim Küchendienst, vereinbarte ein Treffen, kam dann aber nicht, erzählt der jungen Mann im Gespräch mit ORF-Redakteur Bernt Koschuh.

Amina Diallo

Privat

Amina Diallo wird vermisst. Ihr Bruder bittet um Hinweise unter der Nummer 0688/60032871.

Auch zu einem Arzttermin am selben Tag erschien Diallo nicht, sagt Kinderanwältin Andrea Holz-Dahrenstädt: „Unsere Befürchtung ist, dass sie Opfer von Menschenhandel oder Prostitution geworden ist. Wenn man sich vorstellt, dass ein 16-jähriges Mädchen, bildhübsch, am helllichten Tag aus einem überfüllten Aufnahmezentrum einfach verschwindet und das eher achselzuckend zur Kenntnis genommen wird, macht mich das sehr betroffen.“

Die Polizei habe nie aktiv nach der mittlerweile 17-Jährigen gesucht, heißt es. Bruder Ibrahim ist mittlerweile in Salzburg untergebracht. Weil seine Schwester damals auch am Telefon nicht mehr erreichbar war, meldete er sie einen Tag nach ihrem Verschwinden am Posten Traiskirchen als vermisst: „Ich bin zur Polizei gegangen und habe gesagt, meine Schwester wollte mich gestern treffen und seither ist sie verschwunden, ich weiß nicht was ich tun soll. Sie haben gesagt, dass ich warten muss. Ich weiß nicht, ob es eine technische Methode gegeben hätte, das Telefon zu orten. Sie haben immer gesagt, ich muss warten.“

230 Vermisste jünger als 14 Jahre

Aminas Asylverfahren wurde eingestellt und die Polizei trug sie als vermisst ins Schengener Informations Computersystem ein. Wenn sie in Europa kontrolliert würde, müsste das auffallen. Wie es aus dem Bundeskriminalamt heißt, tauchten von den 2.600 minderjährigen Nicht-EU-Bürgern, die im Vorjahr und heuer in Österreich als vermisst gemeldet worden sind, 2.080 wieder auf, womit 520 Vermisste bleiben, 230 davon sind jünger als 14 Jahre.

Franz Lang, Chef des Bundeskriminalamts, relativiert - viele Asylwerber würden sich nur als Unte-18-Jährige ausgeben oder erst in ihrem eigentlichen Zielland ihren richtigen Namen angeben, sagt er. „Dann kommt eine sehr kleine oder relativ kleinere Zahl heraus. Trotzdem, wir haben europaweit Projekte, die sich speziell mit dem Phänomen Menschenhandel beschäftigen. Sobald wir Phänomene, Strategien und Methoden von Menschenhändlern erkennen, greifen wir ein.“

Bei Amina Diallo war das nicht der Fall, wie Recherchen ergaben. Im Innenministerium argumentiert man, dass sie ihre gesamte Kleidung aus dem Erstaufnahmezentrum mitgenommen habe. Kinderanwältin Holz-Dahrenstädt entgegnet, dass die junge Frau mit ihrem Bruder aus Guinea geflohen sei, weil sie dort zwangsverheiratet werden sollte. Ihr Bruder sei ihr Beschützer gewesen.

Besonders gefährdete Gruppe laut UNO

„Man stelle sich vor, Kinder verschwinden aus einer Familie, dann wird dem viel mehr nachgegangen. Oder man stelle sich vor, Kinder verschwinden aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Da hat man auch keine Hinweise, dass sie Opfer von Menschenhandel wurden, aber da werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diese Kinder zu finden“, sagt die Juristin und ergänzt, dass minderjährige Flüchtlinge auch laut UNO eine besonders gefährdete Gruppe seien.