Traiskirchen: Vom Problemfall zum Vorbild

Traiskirchen (Bezirk Baden) war vor einem Jahr wegen des Asyl-Erstaufnahmezentrums fast täglich in den Schlagzeilen. Heute hat sich die Situation beruhigt. Traiskirchen wurde vom Problemfall zum Vorbild in Sachen Integration.

Ein Jahr nachdem zehntausende Flüchtlinge nach Österreich gekommen waren und das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen aus allen Nähten platzte, ist es mittlerweile wieder ruhig geworden in der Gemeinde im Bezirk Baden. Lediglich ein paar junge Flüchtlinge sitzen in der nachmittäglichen Herbstsonne und unterhalten sich. Rund 800 Menschen leben zurzeit hier in der Flüchtlingsunterkunft, im vergangenen Jahr waren es noch an die 5.000 Asylwerber. Sie waren unter anderem in großen Zelten auf dem Sportplatz der Polizeischule gleich hinter dem Erstaufnahmezentrum untergebracht. Im Gebäude selbst reichte der Platz einfach nicht mehr aus.

Gemeinsamer Garten als Sozialprojekt

Fußläufig vom ehemaligen Zeltplatz entfernt, befindet sich jetzt ein großer Garten, der sogenannte „Garten der Begegnung“, eines jener Sozialprojekte, das mithilfe der Gemeinde ins Leben gerufen wurde. Nikolai Ritter, der in Wien ein ähnliches Projekt betreibt, hat die Idee nach Traiskirchen gebracht und sie wurde sofort umgesetzt. „Die Gemeinde hat uns dieses große Feld zur Verfügung gestellt“, erzählt er, „und wir alle gemeinsam, also Flüchtlinge, Traiskirchnerinnen und Traiskirchner und auch Leute aus der Umgebung, haben begonnen hier Gemüse und Obst zu pflanzen.“

Das war vor sechs Monaten. Jetzt wachsen hier große Tomatenstauden, Kräuter, Obstbäume, Kürbisse, Zucchini, die von Zuwanderern und Einheimischen großgezogen,und gepflegt werden. In einer ehemaligen Bauhütte wurde eine kleine Küche eingerichtet, jeden Freitag wird abends gemeinsam gekocht und gegessen, erzählt Ritter. Obst und Gemüse, das hier wächst, kann man auch direkt im Garten kaufen, der Erlös wird wieder in neue Pflanzen investiert. „Es ist ein Gemeinschaftsgefühl, das hier gefördert wird“, sagt der Initiator des Projekts. „Einen Garten zu bepflanzen, das heißt etwas zu schaffen, und das ist für viele Zuwanderer einfach ein gutes Gefühl, etwas geschaffen zu haben, ein Teil der Gemeinschaft zu sein.“

Traiskirchen Garten der Begegnung

ORF

Der „Garten der Begegnung“ in Traiskirchen soll Österreicher und Menschen aus anderen Ländern zusammenführen

Obst und Gemüse aus dem Garten der Begegnung werden auch jede Woche in den „Guten Laden“ in Traiskirchen ausgeliefert, in den Sozialmarkt des Ortes. Hier kann jeder einkaufen, der sich teure Markenartikel zu regulären Preisen im Supermarkt nicht leisten kann. Das Geschäft ist hell und freundlich, betreten wird der Verkaufsraum durch ein kleines Café. Geboren hat das Projekt Karin Blum und ihr ist wichtig, dass sich ihr Geschäft deutlich von anderen Sozialmärkten unterscheidet.

„Durch das Kaffeehaus vor dem Geschäft, nehmen wir den Leuten so ein bisschen die Scheu, in einem Sozialmarkt einzukaufen. Das Café kann jeder besuchen, sich hier austauschen, plaudern. Das nimmt unserem Geschäft ein wenig die Atmosphäre eines Sozialmarkts, wie man sie sonst kennt“, sagt sie. Verkauft werden hier Spenden von Supermärkten und großen Firmen, die etwa überproduziert haben, zu sehr günstigen Preisen. Um rund 30 Euro darf hier jede Woche eingekauft werden. „Damit kommen aber wirklich alle aus“, erzählt der Leiter des „Guten Ladens“, Christopher Käferle.

Traiskirchen Flüchtling Arbeit Nähen

ORF

Um Zuwanderern eine Beschäftigung zu ermöglichen, wurden in Traiskirchen Werkstätten eingerichtet

„Flüchtlinge waren eine Chance für Traiskirchen“

Schauplatzwechsel in die sogenannte Nähwerkstatt in Traiskirchen, ein weiteres Sozialprojekt im Ort. Asylwerber und Einheimische nähen in der Werkstatt Kleidung um, da viele Kleidungsstücke, die gespendet wurden, nicht passen. Gearbeitet wird an privat gespendeten Nähmaschinen. Aber hier wird nicht nur umgenäht, sondern es entstehen auch wahre Kunstwerke. Obaidullah Sherzai etwa, der im vergangenen Jahr von Afghanistan nach Österreich geflüchtet ist, näht Maßhemden. „Ich nähe seit ich zwölf Jahre alt bin“, erzählt er und zeigt stolz seine kleine Kollektion an selbstgeschneiderten Hemden. Diese können mittlerweile sogar im Internet erworben werden, für den Materialpreis des Stoffes und Garnes. Maß nimmt Schneider Obaidullah selbst.

„Es ist schön zu sehen, wie all diese Projekte, die wir ins Leben gerufen haben, ineinandergreifen und funktionieren“, sagt Karin Blum, die bei nahezu allen Projekten mitarbeitet. „Das Chaos im vergangenen Jahr hat uns dabei vielleicht auch ein wenig geholfen. Ich möchte fast sagen, die Flüchtlinge sind eine Chance für Traiskirchen gewesen. Und diese haben wir genutzt.“

Barbara Tschandl, noe.ORF.at

Links: