Sauer: „Eine wertelose Gesellschaft ist wertlos“

Willi Sauer war zehn Jahre lang Präsident des Roten Kreuzes in Niederösterreich, am Freitag übergibt er das Amt. Im Gespräch mit noe.ORF.at blickt der 77-Jährige auf seine Arbeit zurück, aber auch auf gesellschaftliche Entwicklungen seit 2006.

Der Beginn seiner Amtszeit sei schwierig gewesen, erzählt der scheidende Präsident. Seine erste wichtige Aufgabe habe darin bestanden, alle Verantwortlichen aus Rotem Kreuz und Politik wieder an einen Tisch zu bringen.

Wenig später sei es dann gelungen, die Notrufzentrale des Roten Kreuzes deutlich auszuweiten - der heutige Notruf Niederösterreich wurde vom Land übernommen und entwickelte sich zu einem echten Callcenter, das im Ernstfall auch konkrete Anweisungen geben kann und Einsätze zuordnet. Gewohnt zurückhaltend auch die Bilanz Sauers: „Aller Anfang ist schwer, manches ist nicht so rund gelaufen, wie es laufen sollte. Aber im Großen und Ganzen hat es sich so eingependelt, dass es jetzt eine wirkliche Hilfe für jene ist, die akut Hilfe brauchen.“

Willi Sauer Präsident Rotes Kreuz

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Willi Sauer: „Die Zusammenarbeit mit Polizei, Bundesheer und Feuerwehr ist sehr gut und ganz wichtig. Nicht nur für die Organisationen, sondern vor allem für jene Menschen, die gerade Hilfe brauchen“

Die Einsätze des Roten Kreuzes im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation im vergangenen Jahr sei eine der letzten großen Herausforderungen gewesen, sagt Sauer. „Nicht nur für das Rote Kreuz, sondern für das ganze Land. Ich habe selbst dort Dienst als ganz normaler Sanitäter gemacht und gesehen, wie sehr viele Flüchtlinge in einem fürchterlichen gesundheitlichen Zustand angekommen sind. Da gab es viele bewegende Momente. Ich habe damals spontan eine Verbandsausschusssitzung einberufen und jede Bezirksstelle gebeten, wenn möglich in ihren Räumen Flüchtende aufzunehmen – für den ersten Ansturm.“

„Das Rote Kreuz ist nicht wegzudenken“

Seine schönste Aufgabe sei es eigentlich immer gewesen, als Sanitäter zu arbeiten, erzählt Willi Sauer. Als Präsident habe er bis zum heutigen Tag hohen Respekt vor dieser Funktion. „Man ist verantwortlich für das Budget, man muss mit dem Land, den Gemeinden und den Versicherungen verhandeln. Vor allem ist man aber auch für die Funktionäre und das Personal draußen verantwortlich. Knapp 700 Personen haben beim Roten Kreuz ihren Arbeitsplatz, dazu kommen jedes Jahr an die 900 Zivildiener, und natürlich noch die etwa 17.000 Freiwilligen. Und dann ist da noch die Betreuung des Jugendrotkreuzes, das ist auch etwas ganz Wesentliches.“

Sauer erinnert aber auch an den Gesundheits- und sozialen Dienst des Roten Kreuzes, „wo wir die verschiedensten Aufgaben übernehmen. Von Lernhäusern angefangen, wo Freiwillige den Migranten unsere Sprache lehren.“ Ganz wichtig sei Sauer auch die gute Kooperation mit Polizei, Militär und der Freiwilligen Feuerwehr gewesen. „Die Zusammenarbeit ist sehr gut und ganz wichtig. Nicht nur für die Organisationen, sondern vor allem für jene Menschen, die gerade Hilfe brauchen.“

Willi Sauer Präsident Rotes Kreuz

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„Wer an Werten festhält, ist niemals altmodisch“

Die ehrenamtliche Tätigkeit sei für die Gesellschaft immens wichtig, betont Sauer und rechnet vor, dass bei einem Stundensatz von 20 Euro die Freiwilligen beim Roten Kreuz einen Betrag von 80 Millionen Euro leisten - unbezahlbar, betont der scheidende Präsident.

„Wer an Werten festhält, ist niemals altmodisch“

Der Stolz auf seine Organisation ist Sauer anzuhören, im Gespräch mit noe.ORF.at schränkt er aber ein, sei ihm aufgefallen, dass in der Gesellschaft zuletzt ein, wie er es nennt „kalter Egoismus“ immer mehr Platz greife. „Jeder ist sich selbst der Nächste und was der Andere macht interssiert nur dann, wenn es einen stört. Dazu möchte ich sagen: Ich bin schon fast 78 Jahre auf der Welt und musste immer wieder feststellen, wer an Werten festhält, ist niemals altmodisch. Meiner Meinung nach ist eine wertelose Gesellschaft eine wertlose Gesellschaft.“

Was Sauer nach seinem Ausscheiden dem Roten Kreuz wünscht? „Geduld! Dem Roten Kreuz und vor allem den Führungskräften“, schmunzelt Sauer und nennt als Beispiel das Landesrettungsdienstgesetz. Das sei vor zehn Jahren erstmals eingebracht und seither immer wieder diskutiert worden. Er sei stolz dass das Gesetz kurz vor der Finalisierung stehe. „Geduld ist wichtig, aber auch Orientierung. Und - Vordenker braucht man auch. Ich wünsche unserer Gesellschaft, dass dieses Rote Kreuz noch über Jahre und Jahrzehnte bestehen bleibt, um den Menschen helfen zu können“.

Ursula Köhler, noe.ORF.at

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