Gschwandtner: Ein Mann trotzt seinem Schicksal

Vor 21 Jahren veränderte ein Autounfall das Leben von Tom Gschwandtner. Er brach sich zwei Wirbel und ist seither gelähmt. Dennoch kämpfte sich Gschwandtner zurück ins Leben und spricht mit noe.ORF.at über sein Erfolgsrezept.

Es war ein Schicksalsschlag, der das Leben von Tom Gschwandtner für immer veränderte. Vor 21 Jahren wurden er und seine Frau „Gabi“ bei einem Autounfall schwer verletzt. Gschwandtner brach sich den sechsten sowie den siebenten Halswirbel, seine Frau „Gabi“ den ersten und den zweiten Halswirbel.

Während „Gabi“ wieder ganz gesund wurde, ist der Waldviertler seither querschnittsgelähmt. Nichtsdestotrotz kämpfte er sich ins Leben zurück und machte sich im Bereich Webdesign und Grafik selbständig. Er reist durchs Land, hält Lesungen und Motivationsvorträge und hat mittlerweile auch ein Buch mit dem Titel „Gelähmt ist nicht gestorben“ geschrieben. Mit ORF NÖ-Redakteurin Anne-Maria Neubauer hat Gschwandtner über seinen Schicksalsschlag und sein neues Buch gesprochen.

Tom Gschwandtner Querschnittslähmung Autor Waldviertler

ORF

Tom Gschwandtner im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteurin Anne-Maria Neubauer

noe.orf.at: „Gelähmt ist nicht gestorben“ heißt das Buch, das Sie geschrieben haben. Warum denn? Wie kam es dazu?

Tom Gschwandnter: Ich habe nach dem Unfall ein Notebook geschenkt bekommen, weil ich ja die Finger nicht mehr bewegen konnte. Damals habe ich lernen müssen, wie man die Tastatur bedient und da habe ich die ersten 17 Seiten geschrieben. Eine Freundin hat sie später in die Hände bekommen und ihrer Verlegerin gezeigt. Die Verlegerin hat dann gesagt: „Wir machen dieses Buch!“

noe.orf.at: Ihr Buch ist mit viel Humor geschrieben. Darf man, soll man oder muss man auch über tragische Dinge lachen können?

Tom Gschwandtner: Absolut. Das Traurige ist ja, dass ich das als Behinderter sehr wohl darf. Sie beispielsweise überlegen wahrscheinlich, ob Sie einen Schmäh reißen oder nicht. Ich habe einen Vortrag beim Ärztekongress in Innsbruck gehalten mit dem Titel: „Bist du gelähmt!“ Also ich darf mir das erlauben.

noe.orf.at: Waren Sie vor dem Unfall ein anderer, als Sie jetzt sind?

Tom Gschwandtner: Wenn man vor dem Unfall ein Trottel war, dann ist man es nachher auch. Ich war um 21 Jahre jünger, habe ein sehr aktives Leben gehabt, war auch sportlich unterwegs, war Milizoffizier und immer vollgas unterwegs, kein Mann der Mitte. Durch den Rollstuhl wird man dann total entschleunigt. Aber ich bin durch den Unfall auch zielgerichteter geworden.

noe.orf.at: Sie haben sich mit Ihrer Frau gemeinsam selbständig gemacht und ein Webdesign- und Grafikbüro gegründet.

Tom Gschwandtner: Das ist passiert, weil ich keinen Job gefunden habe. Ich bin in Wahrheit, so nennt man das ja, erwerbsunfähig. Und für ein Feuerwehr-Jubiläum bin ich um Hilfe gebeten worden. Und vor lauer Angst Fehler zu machen und dass dann in der Druckerei etwas schief geht, habe ich mir so viel angelesen, dass das erste Projekt funktioniert hat und dann ist das nächste gekommen und das nächste.

Tom Gschwandtner Querschnittslähmung Autor Waldviertler

Privat

Tom Gschwandtner meistert zusammen mit seiner Frau „Gabi“ das Leben. Sie wurde beim tragischen Unfall vor 21 Jahren ebenfalls verletzt

noe.orf.at: Können Sie Menschen, die kein Handicap haben, den Blick auf das Wesentliche im Leben öffnen?

Tom Gschwandtner: Das habe ich zunächst nicht geglaubt, aber mittlerweile weiß ich nach zig Lesungen und Vorträgen, dass nur wenn ich meine Geschichte erzähle, so wie sie war, es bei den Menschen im Publikum ankommt. Beim Signieren der Bücher erzählen sie mir dann Geschichten aus ihrem Leben.

noe.orf.at: Sind Sie ein gläubiger Mensch?

Tom Gschwandtner: Ich bin überzeugt, dass es etwas gibt, aber dass das nicht irgendwo außerhalb ist, sondern in uns selbst steckt. Weil ich entscheide, ob ich etwas annehme oder ob ich mich mit einer schweren Depression von der Brücke stürze.

noe.orf.at: Und sind Sie der Meinung, dass alles im Leben einen Sinn macht, auch wenn wir das nicht verstehen können?

Tom Gschwandtner: Das ist jetzt natürlich philosophisch. Es ist ja möglich, dass etwas Sinn macht, man es selbst aber nicht versteht. Dann würde es Sinn machen, man erkennt ihn nur nicht.

noe.orf.at: Sie haben eben sehr viel geschafft, was Sie ohne Unfall vielleicht nicht durchgezogen hätten.

Tom Gschwandtner: Das ist meiner persönlichen Eitelkeit geschuldet. Jetzt erst recht! Und ich wollte nicht nur mir, sondern auch den anderen etwas beweisen und habe mich deshalb ‚reingekniet‘.

noe.orf.at: Leider ist es eine typische menschliche Eigenschaft, dass wir viele Dinge nur dann schätzen lernen, wenn wir sie nicht mehr haben. Können Sie das beobachten?

Tom Gschwandtner: Bei mir genauso, nur ist es mir jetzt bewusst. Es gibt ein Kapitel im Buch, da schreibe ich darüber, wie ich früher am Abend in einer Bar auf einem Hocker gesessen bin, wo ich jetzt nicht mehr sitzen kann, aufgestanden bin, einen Geldschein aus der Tasche genommen habe und nach Hause gegangen bin - nicht einmal das könnte ich jetzt noch. Aber die Frage ist, trauere ich dem jetzt nach oder sehe ich das, was ich noch kann. Und das habe ich schon gelernt, weil die wenigen Möglichkeiten, die mir geblieben sind, die habe ich so im Fokus, dass ich das andere gar nicht mehr sehe.

noe.orf.at: In Ihrem Buch ist auch zu lesen, dass Sie noch viel vorhaben. Was denn noch alles?

Tom Gschwandtner:: Es gibt ein paar Projekte wie zum Beispiel „Feinhirn“. Dabei mache ich mit einem Freund, Otto Kainz, großflächige Bildrätsel, die auch im Karikaturmuseum Krems bei einer Dauerausstellung zu sehen sind. Auch mit Firmennamen machen wir das und das hat eine enorme Wirkung, weil sich die Leute die Namen besser merken, wenn sie das Bildrätsel einmal gelöst haben.

noe.orf.at: Und wird es ein neues Buch geben?

Tom Gschwandtner: Die Einserfrage, die ich selbst nicht weiß. Ein bisschen jucken würde es mich schon wieder, es gäbe ein paar Ideen. Aber mir fehlt jetzt gerade die Zeit. Mal sehen.

noe.orf.at: Das Leben geht weiter - life goes on - so heißt die Gala, die am 15. Oktober im Wiener Rathaus stattfindet und da bekommen Sie heuer den ‚Life goes on-Award‘. Samuel Koch hat ihn auch schon bekommen. Was bedeutet Ihnen das?

Tom Gschwandtner: Ich finde die Idee gut. Diesmal wird durch diese Gala Vanessa Sahinovic unterstützt, eine Synchronschwimmerin, die von einem Bus überfahren worden ist und seither im Rollstuhl sitzt. Das macht Sinn, deshalb bin ich gern dabei. Aber ob ich den Award verdient habe, das wage ich zu bezweifeln.

noe.orf.at: Aber das Leben geht weiter. Ist es das, was Sie den Menschen und Ihren Lesern auch mitgeben möchten?

Tom Gschwandtner: Es gibt nur entweder oder. Es geht definitiv weiter.

noe.orf.at: Und es ist gut, wie es ist?

Tom Gschwandtner: Ja, man kann es aushalten.

Das Gespräch führte Anne-Maria Neubauer, noe.ORF.at