Scheibbs: Aus Klaus wurde Klaudia

Über Jahrzehnte hinweg hatte er seine Gefühle unterdrückt, bis es letztlich zu viel wurde: Klaus Watzinger, der Kaufmännische Direktor im Landesklinikum Scheibbs, hat sich geoutet und lebt künftig als Frau. Aus Klaus wird somit Klaudia.

Klaus Watzinger ist seit etwas mehr als 15 Jahren Kaufmännischer Direktor im Landesklinikum Scheibbs. In dieser Funktion stand und steht er in der Öffentlichkeit, was mit ein Grund dafür war, seine Entscheidung für eine Geschlechtsangleichung öffentlich zu machen. Im August informierte er die Mitarbeiter des Landesklinikums, kurze Zeit später machte er sein Outing in einem Interview mit der Regionalausgabe der „Niederösterreichischen Nachrichten“ publik.

Zwei Monate danach sprach Watzinger mit noe.ORF.at über den mutigen Schritt, als Klaudia neu durchzustarten. „Ich hatte Bedenken, wie ich dann in der Gesellschaft angenommen oder akzeptiert werde und noch viel mehr, wie es meiner Familie und speziell meinen Kindern ergehen wird. Aber diese Bedenken haben sich alle nicht bewahrheitet. Wir haben alle generell nur sehr positive Rückmeldungen erhalten“, sagt Klaudia Watzinger.

Klaus bzw. Klaudia Watzinger

privat/ORF

Klaus Watzinger (Foto aus dem Jahr 2015) lebt künftig als Frau

noe.ORF.at: Ihr Outing hat vor zwei Monaten für großes Aufsehen gesorgt. Inwiefern hat sich Ihr Alltag in der Arbeit und privat seitdem verändert?

Watzinger: Ich und mein Leben haben sich massiv verändert. Ich habe mir das aber schon seit langer Zeit erträumt und bin sehr glücklich über diesen Schritt. Was den Arbeitsalltag betrifft, hat sich kaum etwas verändert. Ich brauche vielleicht jeden Tag etwas länger zur Vorbereitung in der Früh, was das Äußerliche betrifft.

noe.ORF.at: Wie waren die Reaktionen seitens der Mitarbeiter im Landesklinikum?

Watzinger: Äußerst positiv. Damit hätte ich nicht gerechnet und ich bin auch sehr dankbar darüber. Es gab keine negativen Stimmen, die mir direkt zugetragen worden wären. Meine Familie hat das positiv aufgenommen, genauso wie die Kolleginnen und Kollegen in Niederösterreich und Österreich sowie die Bevölkerung in Scheibbs. Alle haben quer durch sehr positiv reagiert. Mein Sohn ist 18 Jahre alt, meine Tochter wird 17 - sie haben die Entscheidung akzeptiert, respektiert und unterstützen das durchaus.

noe.ORF.at: Sie haben die Belegschaft mittels Schreiben informiert und haben das Outing in einem Zeitungsinterview bewusst öffentlich gemacht. Warum dieser Schritt?

Watzinger: Eine Regionalzeitung hat sich gemeldet, ob ich damit an die Öffentlichkeit gehen möchte. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit waren es für mich zwei Gründe, die ausschlaggebend waren, dass ich diesen Schritt wähle: Der erste und wichtigste Grund ist, dass ich mehr Aufklärungsarbeit zum Thema Transsexualität leisten möchte. Dass es bei mir so gut funktioniert hat, habe ich denjenigen zu verdanken, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon diesen mutigen Schritt gegangen sind. Dazu möchte ich etwas beitragen. Der andere Grund ist, dass ich die Bevölkerung im Vorfeld informieren wollte, da ich doch dann und wann in den regionalen Medien vorkomme. Wenn das von einem zum anderen Mal eine Frau Direktor Klaudia Watzinger ist, ist es gut, wenn man vorinformiert.

noe.ORF.at: Werden Sie von Ihren Mitarbeitern noch manches Mal als „Herr Direktor“ angesprochen?

Watzinger: Sehr, sehr selten. Sie haben sich wirklich alle schon umgestellt. Es rutscht zwar manchmal noch heraus, das ist für mich aber kein Problem. Dann schmunzle ich kurz, es passiert aber ohnehin sehr selten.

noe.ORF.at: Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl, eine Frau im Körper eines Mannes zu sein?

Watzinger: Die Ursache der Transsexualität liegt wahrscheinlich schon vor der Geburt oder zumindest in frühester Kindheit. Ich kann mich erinnern, dass ich mit etwa fünf Jahren das erste Mal Frauenkleider angezogen habe und mich darin sehr wohl gefühlt habe. Das habe ich dann immer wieder gemacht, hatte aber Bedenken, dass es etwas Falsches ist, was ich mache. Daher hatte ich Angst, mich jemandem anzuvertrauen. Das ging über Jahre und Jahrzehnte so.

noe.ORF.at: Wie kam es dann letztlich doch zu der Entscheidung, künftig als Frau zu leben?

Watzinger: Ich habe gelernt, meine Empfindungen und Gefühle über Jahre und Jahrzehnte in der Öffentlichkeit zu unterdrücken, aber doch für mich zu leben. Dieser Druck, der sich innerlich aufgebaut hat, war vor zwei Jahren so stark, dass ich dem nicht mehr standgehalten habe. Da habe ich gewusst, dass ich etwas unternehmen muss. Ich habe mich bewusst noch einmal damit beschäftigt und mir ist klar geworden, dass es eindeutig Transsexualität ist und daher es nur eine Möglichkeit gibt: in Zukunft auch als Frau zu leben.

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„Habe meine Gefühle jahrelang unterdrückt“

Watzinger macht derzeit eine Hormontherapie und plant auch einen operativen Eingriff, um künftig als Frau zu leben.

noe.ORF.at: Sie haben geheiratet, haben zwei Kinder. Warum kam das Outing nicht schon früher?

Watzinger: Wie gesagt, ich habe gelernt meine wahren Gefühle zu unterdrücken. Ich war der Meinung, dass ich das bis zu meinem Tod kontrollieren kann. Auf der anderen Seite hatte ich auch ein sehr glückliches Leben - mit meiner Ausbildung, meinen Freunden, meiner Familie, meinen Kindern, mit meinem Arbeitsplatz. Da bedurfte es wirklich eines sehr großen Leidensdruckes, dass ich diesen letzten für mich wichtigen Schritt auch tatsächlich gesetzt habe - nämlich in Zukunft als Frau zu leben.

noe.ORF.at: Wie weit ist Ihre Geschlechtsangleichung - vom Mann zur Frau - bereits fortgeschritten?

Watzinger: Ich befinde mich derzeit in einer Hormontherapie und möchte für mich auch eine geschlechtsangleichende Operation machen lassen. Ein wichtiger Schritt ist natürlich auch noch die Personenstandsänderung, damit die Dokumente, das Geschlecht und schlussendlich auch offiziell mein Vorname angepasst werden können. Offiziell ist mein Vorname derzeit noch Klaus und das Geschlecht männlich.

noe.ORF.at: Haben Sie die Entscheidung für die Geschlechtsangleichung für sich alleine getroffen oder mit professioneller Hilfe?

Watzinger: Nachdem ich vor zwei Jahren für mich erkennen musste, dass es nicht so weitergeht, habe ich mich mit dem Thema und mit möglichen Ursachen genauer beschäftigt und vor etwa eineinhalb Jahren den Entschluss gefasst, professionelle Hilfe einer sehr erfahrenen Psychotherapeutin in Anspruch zu nehmen. Sie hat mich sehr gut beraten und mir auch sehr weitergeholfen.

noe.ORF.at: Was würden Sie anderen Menschen raten, die ebenso dieses Gefühl empfinden, aber noch nicht den Mut hatten, sich zu outen?

Watzinger: Unbedingt so früh wie möglich sich jemandem anvertrauen und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Es ist heute ganz leicht, erfahrene Psychotherapeuten und Psychologen im Internet zu finden. Und ich möchte auch noch eine Botschaft an die Bevölkerung anbringen, an all jene, die vielleicht noch skeptisch gegenüber Transsexuellen eingestellt sind: Denen möchte ich sagen, dass alle Transsexuellen wirklich gute Menschen sind, ganz wichtige Bestandteile unserer Gesellschaft. Sie sollten nicht ausgegrenzt, sondern unbedingt integriert werden. Dazu kann jeder einen Beitrag leisten - als Arbeitskollege, Chef, Mitschüler, Freund oder Familienangehöriger.

Das Gespräch mit Klaudia Watzinger führte Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at