Pflegeskandal: Mehr Kontrollen gefordert

Die Patienten- und Pflegeanwaltschaft in Niederösterreich fordert nach dem Auffliegen des Pflegeskandals in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten) eine lückenlose Aufklärung und mehr Kontrollen. Auch das Fehlermonitoring müsse besser werden.

90 Personen arbeiten im betroffenen Pflegeheim in Kirchstetten. Aufgeflogen war der Skandal durch den Hinweis einer Mitarbeiterin, die die Missstände gemeldet hatte. Vier Pflegerinnen wurden daraufhin wegen des Vorwurfs der Quälerei und Demütigung von bettlägrigen Bewohnern mittlerweile fristlos entlassen - mehr dazu unter Staatsanwaltschaft ermittelt in Pflegeskandal. Nun fordert Michael Prunbauer von der niederösterreichischen Patienten- und Pflegeanwaltschaft im Gespräch mit noe.ORF.at ein besseres Fehlermanagement in Pflegeeinrichtungen.

Michael Prunbauer Patienten- und Pflegeanwalt

ORF

Michael Prunbauer von der niederösterreichischen Patienten- und Pflegeanwaltschaft fordert Nachbesserungen nach dem Pflegeskandal im Pflegeheim in Kirchstetten

noe.ORF.at: Hätte eigentlich nicht schon früher jemand Alarm schlagen müssen, seien es Kollegen oder andere Mitarbeiter im Heim?

Michael Prunbauer: Ich denke, das werden jetzt die Ermittlungen zeigen, ob es weitere Personen gegeben hat, die von diesen Vorfällen gewusst haben. Da ist zu fordern, dass es gerade in Einrichtungen, wo kranke Menschen gepflegt werden, eine Fehlerkultur gibt, die es ermöglicht, auf Fehler im System, auf Umstände, die einem komisch vorkommen, aufmerksam zu machen, ohne dass man gleich als Nestbeschmutzer abgestempelt wird.

noe.ORF.at: Es sollte also möglich sein, anonym Vorkommnisse zu melden, damit man auf mögliches Fehlverhalten von Kollegen bei der Heimleitung hinweisen kann?

Prunbauer: Das kann man nicht nur auf Kollegen beschränken, sondern sollte das weiter fassen. Das beginnt bei einer Tür, die nicht richtig schließt, Medikamente, die eine ähnliche Beschriftung haben und möglicherweise verwechselt werden können, bis hin zu Kollegen, die ein Verhalten an den Tag legen, wo man sich denkt, da könnte es zu einem Problem kommen. Es braucht also Mechanismen, die es ermöglichen, ohne große Konflikte Dinge zu melden.

noe.ORF.at: Es heißt immer, Pflegeheime, auch jenes in Kirchstetten, werden regelmäßig kontrolliert. Wie präzise kann das überhaupt funktionieren?

Prunbauer: Ich denke, wie jede Kontrolle immer eine Momentaufnahme ist, hat sie - und das liegt in der Natur der Sache - immer ein „blindes Eck“, wo sie nicht greifen kann. Das muss jetzt das Verfahren zeigen, wo hier die blinden Ecken im System waren. Dafür braucht es eine lückenlose Aufklärung des Falles. Dann muss noch betrachtet werden: War der Personalschlüssel ausreichend, gab es psychologische Begleitung für das Pflegepersonal und war die Ausbildung entsprechend?

noe.ORF.at: Wie oft erhalten Sie Meldungen, dass in einem Pflegeheim etwas nicht stimmt?

Prunbauer: In Anbetracht der Beschwerden, die es in anderen Gesundheitsbereichen gibt, ist die Zahl relativ gering. Im Jahr 2015 sind wir zum Beispiel 17 Mal mit einer Patientenbeschwerde aus einem Pflegeheim konfrontiert gewesen. Im Vergleich dazu hatten wir es insgesamt mit 1.400 Geschäftfällen in diesem Jahr zu tun.

noe.ORF.at: Was kann ich als Angehöriger tun, wenn ich jemanden im Heim besuche und das Gefühl habe, da stimmt etwas nicht?

Prunbauer: Wir empfehlen immer ein mehrstufiges Vorgehen. Der erste Schritt ist immer die Direktion des betroffenen Heimes. Man sieht dann, ob man Gehör findet, ob die Bedenken ernst genommen werden. Wenn das scheitert oder der Fall dringend ist, dann kann man sich natürlich sofort an die Behörde, die Pflegeaufsicht, oder an die Patienten - und Pflegeanwaltschaft wenden.

Das Gespräch führte Thomas Birgfellner, noe.ORF.at