Lehrlingszahlen: Historischer Tiefststand erreicht

Die Zeit der „Babyboomer“ ist längst vorbei, nun machen sich in der Wirtschaft die geburtenschwachen Jahrgänge bemerkbar: Die Zahl der Lehrlinge in Niederösterreich hat 2015 den niedrigsten Wert seit mehr als 50 Jahren erreicht.

16.833 Burschen und Mädchen absolvierten im Vorjahr in Niederösterreich eine Lehre. Im Vergleich zum Jahr davor entspricht das einem Rückgang von 5,1 Prozent. Die Zahlen sind allerdings schon seit längerer Zeit rückläufig: In den Jahren 1977 bis 1981 absolvierten jeweils mehr als 30.000 Personen eine Lehre, seitdem zeigt die Kurve nach unten. 2008 wurden in Niederösterreich noch 19.970 Lehrlinge verzeichnet, 2015 wurde der niedrigste Wert seit mehr als 50 Jahren erreicht.

40 Prozent aller 15-Jährigen machen Lehre

Die Wirtschaftskammer führt diesen Rückgang auf geburtenschwache Jahrgänge zurück. 1990 erreichten noch 94.375 15-Jährige das Ende der Schulpflicht, damals befanden sich 44.845 Lehrlinge im ersten Lehrjahr. 25 Jahre später (2015) standen 85.490 15-Jährige am Ende ihrer Pflichtschullaufbahn, die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr ging auf 32.484 zurück. Aus der Gruppe aller 15-Jährigen entschieden sich allerdings 1990 noch 47,5 Prozent für eine Lehre, von 1995 bis heute pendelte sich dieser Anteil auf um die 40 Prozent ein: 2005 waren es 39,5 Prozent, 2010 42,0 Prozent und 2015 38,0 Prozent.

Die Entwicklung der Lehrlingszahlen weist regionale Unterschiede auf. Während österreichweit und auch im Bundesland die Zahl der Lehrlinge zurückgegangen ist, konnten die Bezirke Baden, Tulln und Waidhofen an der Thaya Zuwächse verzeichnen. In sieben Bezirken - Melk, Mödling, Neunkirchen, St. Pölten, Tulln, Waidhofen an der Thaya und Zwettl - stieg zudem die Zahl der Lehrlinge, die in einem Betrieb ihre Ausbildung absolvieren.

Lehrlinge in Niederösterreich

  • 2015: 16.833 (2014: 17.693)
  • männlich: 11.989
  • weiblich: 4.844
  • Ausbilderbetriebe: 5.155

Diese Entwicklung hängt laut Wirtschaftskammer mit mehreren Faktoren zusammen: Zum einen sei das Bewusstsein, dass die Lehre eine hochrangige Ausbildung mit hoher Qualität ist, in der Bevölkerung geschärft worden. Viel mehr Menschen, die für die Berufswahl eines Jugendlichen entscheidend sind - von Erziehungsberechtigten bis hin zu sogenannten „opinion leader“ - würden über diesen Ausbildungsweg sprechen. Zum anderen würden Aktivitäten von Betrieben in bestimmten Regionen zu Zuwächsen bei den Lehrlingszahlen führen, genauso wie die aktuelle Bildungsposition von Schulen. Die Kammer fordert daher, dass in der dritten und vierten Klasse der Pflichtschule eine umfassende Berufsinformation - auch in Bezug auf die Lehre - vorgeschrieben sein soll.

Jobwahl: „Wo Tauben sind, fliegen Tauben hin“

Österreichweit gab es im Vorjahr 109.963 Lehrlinge, davon 72.819 Burschen und 37.144 Mädchen. Der beliebteste Lehrberuf bei Burschen war 2015 der des Metalltechniker (10.839), gefolgt vom Elektrotechniker (8.288) und Kraftfahrzeugtechniker (6.880). Rund 36 Prozent der männlichen Lehrlinge sind damit in den „Top3“-Lehrberufen tätig. Bei den Mädchen steht der Einzelhandel an vorderster Stelle (9.355), dahinter folgen die Bürokauffrau (4.333) und die Friseurin (3.644). Rund 47 Prozent der weiblichen Lehrlinge entscheiden sich somit für einen der „Top3“-Lehrberufe unter Mädchen.

„Wo Tauben sind, fliegen Tauben hin“, kommentiert ein Sprecher der Wirtschaftskammer Niederösterreich das Problem, dass sich ein Großteil der Jugendlichen für nur eine kleine Auswahl an Lehrberufen entscheidet. Der Grund würde darin liegen, dass sich Lehrstellensuchende dort am besten aufgehoben fühlen, wo es für sie bereits viele Ansprechpartner - etwa Freunde, Familienangehörige oder Bekannte - gibt. „Die Sicht auf die Auswahl ist damit relativ eingegrenzt“, so der Sprecher.

Die Wirtschaftskammer führt daher Aktionen durch, um diesem Trend entgegenzusteuern: Lehrlingsberater touren durch Betriebe, per Smartphone oder Computer gibt es einen digitalen Zugang zu einer Hilfsplattform für die richtige Berufswahl (Frag-jimmy.at), mit dem Niederösterreichischen Begabungskompass werden die Talente von Jugendlichen erforscht und darauf basierend Berufsmöglichkeiten vorgestellt. „Das führt dann oft zu Aha-Erlebnissen, weil Betroffene oft nicht gewusst haben, was es alles gibt“, sagt der Wirtschaftskammer-Sprecher.

Gute Jobchancen in Sparte Gewerbe und Handel

Generell raten die Experten den Jugendlichen dazu, anhand ihrer Talente und Fähigkeiten eine Berufswahl zu treffen. Viele offene Lehrstellen gibt es laut Wirtschaftskammer derzeit in der Sparte Gewerbe und Handel. Typische Berufe dafür sind etwa das Baugewerbe, der Holzbau, Tischler, Metalltechniker, Mechatroniker, Bäcker, Fleischer oder Friseur.

„Die Lehrlinge von heute sind die Profis von morgen, die uns allen in den verschiedensten Bereichen mit ihrem fachlichen Wissen und ihrem praktischen Können zur Seite stehen“, sagt die Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Sonja Zwazl. „Auf diese Profis kann nicht nur die Wirtschaft nicht verzichten. Wir wissen, wie wichtig gut ausgebildete Fachkräfte für den Fortbestand unserer Unternehmen und damit für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich sind“, so Zwazl.

Lehrlinge Ehrung Festakt Wettbewerb

WKNÖ / Kraus

Im Zuge eines Festaktes wurden die besten Lehrlinge Niederösterreichs ausgezeichnet

Im Rahmen des Lehrlingswettbewerbes wurden übrigens auch heuer wieder die besten Lehrlinge aus Niederösterreich ausgezeichnet. Insgesamt konnten 53 Kandidatinnen und Kandidaten sowohl bei den Bundes- als auch bei den Landeslehrlingswettbewerben der Wirtschaftskammer Niederösterreich Top-Platzierungen belegen. Ebenfalls geehrt wurden Betriebe, die Lehrlinge beschäftigen. Bei der sogenannten Ausbildertrophy wurden insgesamt 20 verschiedene Firmen ausgezeichnet.