Franzobel bildete Schlusspunkt der Literaturtage

Mit einer Lesung des Schriftstellers Franzobel sind am Sonntag die achten Europäischen Literaturtage (ELit) im vollbesetzten Renaissancesaal von Schloss Spitz (Bezirk Krems) zu Ende gegangen.

Franzobels makabre Erzählung „Das Floß der Medusa“ über den Schiffbruch der französischen Fregatte Medusa im Jahr 1816, in deren Verlauf es bei den Überlebenden auf einem Rettungsfloß zu Gewalt und Kannibalismus kam, bildete einen sehr pointierten Schlusspunkt zur vorangegangenen Thematik der Literaturtagung, deren Hauptthema „Die Kolonisten“ gelautet hatte.

Denn ELit-Leiter Walter Grond hat sowohl den eurozentrischen Blick als auch allzu vordergründig aktuelle Inhalte bewusst vermieden und stattdessen der kultur- und gesellschaftspolitischen Reflexion über die Entstehung von Klischees über außereuropäische Kulturen Raum gegeben. Das Phänomen des Vorurteils zog sich denn auch wie ein roter Faden durch das Symposium, an dem unter anderem internationale Autoren wie Mathias Enard, Najem Wali und Tim Parks teilnahmen.

„Dritte Welt nicht nur Erbe des Kolonialismus“

In sichtlicher Abwandlung von Edvard Munchs „Der Schrei“ hatte der südafrikanische Comicautor Anton Kannemeyer alias Joe Dog das ELit-Plakat gestaltet: eine dunkelhäutige Variante, im Hintergrund das industrielle Gestänge einer Brücke. Bereits in seinem Eröffnungsvortrag hatte der Journalist und Schriftsteller Hans-Christoph Buch darauf hingewiesen, dass Elend und Krisen der Dritten Welt nicht allein dem kolonialen Erbe zugerechnet werden dürfen.

Zeichnung Farbiger schreit, frei nach Munch

Literaturhaus Europa/ Anton Kannemeyer

Das Plakat der Europäischen Literaturtage wurde in Anlehnung an Edvard Munchs „Der Schrei“ gestaltet

Weiters wurde anhand des Diversity Reports 2016 von Rüdiger Wischenbart über den unterschiedlichen Stellenwert von Übersetzungen für die Buchmärkte diskutiert. Die Slowenin Anja Kovac stellte Versepolis - ein Webmagazin für Poesie, Bücher und Kultur - vor, die britische Autorin Lucy Popescu präsentierte die über Crowdfunding finanzierte Anthologie „Ein Zufluchtsland“.

Ein von Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) eröffneter Leseabend mit der deutsch-saudiarabischen Autorin Rasha Khayat, der aus Zimbabwe stammenden Juristin und Schriftstellerin Petina Gappah, mit Peeter Helme (Estland), Gabriele Babnik (Slowenien) und Jonas Lüscher (Schweiz) komplettierte das Programm. Alle Veranstaltungen wurden aufgezeichnet und sollen noch heuer von Okto.TV ausgestrahlt und archiviert werden.

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