Chinesischer „Nussknacker“ im Festspielhaus

Monster statt Mäuse, Tiger statt Zinnsoldaten, Porzellanreich statt Zuckerfee: Das Chinesische Nationalballett präsentierte am Samstagabend eine außergewöhnliche „Nussknacker“-Fassung als Österreich-Premiere im Festspielhaus St. Pölten.

„Wir versuchen erst gar nicht, den Westen zu kopieren. Chinesisches Ballett erzählt seine ganz eigenen Geschichten“, wird die Produzentin Zhao Ruheng im Programmheft zitiert. Das trifft allerdings nur zum Teil zu, denn die Choreografie (Ming Zhao, Wang Yuanyuan und Feng Ying) ist offensichtlich absolut geprägt von klassischem europäischen Ballett. Hingegen wird die Handlung von Tschaikowkys Weihnachtsklassiker transferiert in ein Ambiente aus chinesischer Mythologie und Symbolik, ohne Scheu vor folkloristischer Ästhetik - und zur Musik aus der Konserve.

Nachdem sich der Vorhang mit dem tapetenartigen Kranich-Muster gehoben hat, geht es recht turbulent und farbig zu: Eine ausgelassene Schar mit Pudelhauben und bunten Schals feiert im Vorfeld einer traditionellen Tempelmesse. Aus Drosselmeyer wird ein „Freund aus der Ferne“, also ein Europäer. Er schenkt Yuanyuan den Nussknacker, der zum Auslöser des Mädchentraums wird. Einen entzückenden Kurzauftritt hatten Kinder des Europaballettkonservatoriums der Landeshauptstadt St. Pölten sowie der Ballettschule Papez.

Ob Divertissement, ob Blumenwalzer, alles ereignet sich dann zuckerfrei im Porzellankönigreich. Das ist nicht nur an den einschlägig gemusterten Kostümen sowie den riesigen Vasen und Tellern des dekorativ gestalteten Bühnenbilds ersichtlich. Wie fragile Porzellanfiguren wirken auch die Tänzerinnen und Tänzer. Passagenweise empfindet man geradezu den kühlen Charme einer perfekten Eisrevue. Das Publikum konnte sich dennoch für die mit optischen Effekten nicht geizende Interpretation erwärmen und zollte den Mitwirkenden verdienten Beifall.

Ewald Baringer, Austria Presse Agentur

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