Vereinskantinen nehmen Wirten das Geschäft

Kleine Wirtshäuser bekommen vor allem in ländlichen Regionen immer öfter Konkurrenz durch Vereinskantinen. Diese nagen nicht nur am Umsatz der Wirte, auch die Bedeutung der Wirtshäuser als Treffpunkt im Ort geht verloren.

Das Musikhaus in der Gemeinde Texingtal (Bezirk Melk) spielt alle Stücke: In dem modernen Holzbau befindet sich ein großer Proberaum, der unter anderem mit fix installierten Mikrophonen ausgestattet ist, gleich daneben - nur durch eine Schiebetür mit Guckloch getrennt - wurde eine Kantine errichtet. Neben einer Schank findet sich hier ein Kochbereich mit Herdplatte, Abwasch und Wasserkocher, daneben ein Kühlschrank mit Getränken und außerdem ein großzügiger Esstisch mit einer gemütlichen Eckbank.

Die Probe lässt man seit dem Einzug in das neue Musikhaus meist in der eigenen Kantine ausklingen, sagt Christian Dollfuß, Kapellmeister des Musikvereins Texingtal. „Früher war es so, dass wir eher zum Wirten gegangen sind, heute stellen wir uns eher bei uns in der Kantine zusammen. Wenn wir aber auswärts sind und von Veranstaltungen zurückkommen, fahren wir meistens zum Wirten.“

Vereinskantine Musikverein Texingtal

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Die Musiker in Texingtal lassen die Probe meistens in der Kantine ausklingen

Des Problems, das Vereinskantinen für Wirten mit sich bringen, ist man sich also bewusst. In Texingtal sind die Musiker nämlich nicht die einzigen, auch die Fußballer, die Feuerwehr und der Tennisverein haben eine eigene Kantine. Das bekommt man im Gasthaus „Zur Post“ doch zu spüren, sagt Chefin Petra Haselsteiner. „Früher war der Wirt der zentrale Treffpunkt im Ort, heute ist das anders. In Texing funktioniert es mit den Vereinen aber trotzdem gut.“

„Vereine bleiben nur noch unter sich“

Wenige Kilometer weiter, in der Stadtgemeinde Mank (Bezirk Melk), zeigt sich ein ähnliches Bild: In der 3.000-Einwohner-Gemeinde gibt es sieben Gastronomiebetriebe, zusätzliche Konkurrenz ergibt sich durch etwa zehn Vereinskantinen. Neben dem möglichen Gewinnentgang für Wirte hat diese Entwicklung auch gesellschaftliche Folgen, sagt der Chef des Gasthauses Riedl-Schöner, Dietmar Schöner: „Die Kommunikation kommt nicht mehr so zustande, wie es früher war. Jeder Verein ist unter sich, die Kommunikation untereinander - das, was ein Wirtshaus ausgemacht hat - ist verloren gegangen.“

Vereine machen ein Drittel der Wirtshaus-Umsätze

Die Rechnung präsentiert eine Studie zweier Professoren der Kepler-Universität in Linz. Weil Vereine ihre Umsätze durch Feste und Kantinen nicht offen legen müssen, basiert diese auf Befragungen, die in fünf Bundesländern - darunter Niederösterreich - durchgeführt wurden. Das Ergebnis: Die gewerbliche Kleingastronomie - damit sind Wirtshäuser mit bis zu neun Beschäftigten gemeint - macht in diesen Bundesländern pro Jahr rund 1,8 Milliarden Euro Umsatz. Vereine mit ihren Festen und Kantinen kommen in zwei unterschiedlichen Erhebungsvarianten auf 300 bzw. 900 Millionen Euro, im Schnitt also auf ein Drittel des Umsatzes der Kleingastronomie (600 Millionen Euro).

Diese Umsätze fehlen letztlich vor allem den kleinen Wirtshäusern, wie eine Statistik der Wirtschaftskammer Niederösterreich zeigt. Die Zahl der Gastronomiebetriebe insgesamt ist im Bundesland seit 1995 von 6.466 auf 7.418 gestiegen (+14,7 Prozent), dazu zählen allerdings auch Kebab- und Würstelstände beziehungsweise Pizzastuben. Gleichzeitig sperren aber immer mehr Gasthäuser in Niederösterreich zu: 1995 waren es noch 2.211, per 3. Quartal 2016 nur noch 1.543 (-30,3 Prozent).

Statistik Gastronomie Wirtshäuser

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In der Gastronomie will man allerdings nicht jammern, sondern vielmehr mit neuen Ideen gegensteuern. „Die Gastronomie orientiert sich jetzt anderes“, sagt Gastronom Dietmar Schöner aus Mank, „Wir gehen mehr in Richtung Speiselokal, konzentrieren uns also verstärkt auf das Essen. Die Stammtische gibt es nur noch vereinzelt, wie etwa meine Turnerinnen am Montag, werden aber generell weniger.“ Das klassische Wirtshaus bezeichnet Schöner jedoch als „Auslaufmodell“.

Gastronomie zum Umdenken gezwungen

In Texingtal wiederum gibt es seit dem vermehrten Aufkommen der Kantinen so etwas wie einen „New Deal“ zwischen Gastronomie und Vereinen. „Die Feuerwehr macht jeweils die Monatssitzung bei uns, auf den Fußballplatz liefere ich etwa fünf Mal im Jahr jeweils 200 Schnitzel, mit dem Theaterverein haben wir ‚Theater und Genießen‘ ins Leben gerufen und der Musikverein kommt einmal im Monat nach dem Probentag zum Essen“, sagt Petra Haselsteiner, Chefin vom „Gasthaus zur Post“ in Texingtal.

In Texing und Mank kümmern sich die Vereine also um ihre Wirte, in anderen Orten in Niederösterreich sieht es in den Gaststuben allerdings nicht mehr ganz so rosig aus. Gastronomen, die aufgrund von Vereinskantinen um das Überleben kämpfen, wollten sich jedoch öffentlich nicht dazu äußern, hieß es auf Anfrage von noe.ORF.at bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich.

Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at