Verfassungsschutz beobachtet „Foreign Fighters“

Nach dem Anschlag in Berlin ist die Polizei in Alarmbereitschaft. Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet auch die islamistische Szene. Vor allem sogenannte „Foreign Fighters“ stehen im Fokus der Ermittler.

Seit zwei Jahren geht man in ganz Europa von einer erhöhten Gefährdungslage aus. Die islamistische Szene wird auch in Österreich genau beobachtet. Viele Hinweise erhält die Polizei direkt aus der Bevölkerung. Einen konkreten Hinweis auf einen möglichen Terroranschlag gibt es derzeit aber nicht, sagt Roland Scherscher, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Niederösterreich, nach dem Anschlag in Berlin im Interview in „Niederösterreich heute“.

noe.ORF.at: Nach dem Anschlag in Berlin ist die Polizei in Alarmbereitschaft. Welche Auswirkungen hat dieser Anschlag auf die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz?

Roland Scherscher: Bei uns gehen immer sehr viele Hinweise auf radikalisierte Personen und Personen, die unter Terrorverdacht stehen, ein. Diese Hinweise erhöhen sich schlagartig nach Anschlägen wie in Berlin.

noe.ORF.at: Gibt es auch Hinweise, dass die Terrorgefahr bei uns steigt?

Scherscher: Wir gehen in Europa in den letzten zwei Jahren von einer erhöhten Gefährdungslage aus. Davon ist natürlich auch Österreich betroffen. In Österreich haben wir aber keine konkreten Hinweise auf einen Terroranschlag.

noe.ORF.at: Sie beobachten die islamistische Szene auch in Niederösterreich ganz genau. Weiß man, wie viele Rückkehrer, wie viele IS-Sympathisanten hier leben?

Scherscher: Wir haben österreichweit 290 Personen, die sogenannte „Foreign Fighters“ sind, das heißt, die in das Kriegsgebiet nach Syrien oder Irak ausreisen wollten oder auch schon ausgereist sind. Teilweise haben wir die Ausreise hindern können. Natürlich gibt es da auch einen gewissen Prozentsatz in Niederösterreich. Wir haben in Niederösterreich etwa elf Personen an der Ausreise gehindert, zehn sind zurückgekehrt. Da ist der überwiegende Teil in Strafhaft.

Roland Scherscher Verfassungsschutz

ORF

Roland Scherscher, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Niederösterreich

noe.ORF.at: Welche Möglichkeiten haben Sie, um gerade bei diesen radikalisierten Personen Schlimmeres zu verhindern?

Scherscher: Es ist Teil unserer Strategie, dass wir schon präventiv Maßnahmen setzen, indem wir viel schon vorbeugend machen. Nicht nur wir, sondern wir die gesamte Gesellschaft. Ich spreche hier die Einrichtung der Beratungsstelle Extremismus im Familienministerium an, an die sich Angehörige wenden können und schon im frühen Stadium einer Radikalisierung eine weitere Radikalisierung verhindern können. Und die repressiven Maßnahmen sind natürlich die Anzeigen an die Justizbehörden, die wir erstatten, und bei denen es sehr oft zu einer Verurteilung kommt.

noe.ORF.at: Viele Menschen sind nach dem Anschlag in Berlin unsicher und machen sich Gedanken, ob man auf einen Christkindlmarkt gehen soll oder Silvester draußen verbringen soll. Was empfehlen Sie? Sollte man große Menschenansammlungen jetzt besser meiden?

Scherscher: Der Besuch eines Weihnachtsmarktes ist Teil unserer Kultur, teil unserer Lebensgewohnheiten. Diese dürfen wir uns durch terroristische Anschläge auf keinen Fall nehmen lassen. Wenn wir das machen, haben die Terroristen gewonnen. Eine freie, demokratische Gesellschaft darf solchen Kriminellen nicht die Gelegenheit geben, vor ihnen in die Knie zu gehen.

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