Hirtenberg: Vorwürfe nach Tod eines Häftlings

Nach dem Tod eines Häftlings der Justizanstalt Hirtenberg (Bezirk Baden) erheben Hinterbliebene schwere Vorwürfe. Trotz starker Schmerzen soll der Insasse vom Anstaltsarzt nur Schmerzmittel und Infusionen bekommen haben.

Der Mann soll seit einem halben Jahr über starke Bauchschmerzen geklagt haben. „Wäre er zeitgerecht lege artis behandelt worden, wäre er noch am Leben“, so der Rechtsvertreter der Familie, Mirsad Musliu. Zwei Monate sollen vergangen sein, ehe der immer wieder auf seine Schmerzen hinweisende Häftling von der Justizanstalt in ein Wiener Krankenhaus gebracht und näher untersucht wurde. Im Spital wurde ein Hodenbruch festgestellt, für den 16. November 2016 wurde ein Operationstermin vereinbart. Dieser Termin wurde nach Angaben der Hinterbliebenen kurzfristig „abgeblasen“ - angeblich aus Zeitgründen. Der 55-Jährige wurde wieder nach Hirtenberg überstellt.

Multiorganversagen führte zum Tod

Dort verschlechterte sich der Zustand des Häftlings, weshalb er am 1. Dezember zur Behandlung seines Hodenbruches neuerlich in das Spital in Wien eingeliefert wurde. Einen Tag später wurde er auf die Intensivstation verlegt. Trotz entsprechender notfallmedizinischer Maßnahmen kam es zu einem Leber- und Nierenversagen. Am 5. Dezember wurde zusätzlich eine Bauchspeicheldrüsenentzündung diagnostiziert. Am 6. Dezember trat infolge Multiorganversagens der Tod ein.

„Ich gehe davon aus, dass entweder den Anstaltsarzt oder das Spital ein Verschulden trifft“, so der Rechtsvertreter der betroffenen Familie. Den Hinterbliebenen gehe es darum „zu erfahren, aus welchen Gründen es zum für sie unerwarteten Tod gekommen ist“, betonte Musliu am Mittwoch im Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA).

Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung

Bei der Staatsanwaltschaft Wien sind Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung anhängig, bestätigte Behördensprecherin Nina Bussek der APA. Diese richten sich derzeit gegen unbekannte Täter. Von der Justiz wurde ein Obduktionsgutachten in Auftrag gegeben, das noch nicht zugestellt wurde. Die Hinterbliebenen haben sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen.

Sowohl das Justizministerium als auch die Justizanstalt Hirtenberg halten sich zu dem Fall unter Hinweis auf die anhängigen Ermittlungen vorerst bedeckt. „Was den Gesundheitszustand und die Behandlung des Häftlings betrifft, kann ich im Hinblick auf das laufende Verfahren keine Auskunft geben“, sagte der Sprecher der Justizanstalt, Major Herbert Pusterhofer, gegenüber der APA. „So ein Todesfall ist immer tragisch. In erster Linie gilt unser Mitgefühl den Hinterbliebenen“, betonte er.

„Er war kein Risikopatient“

Unterdessen betonte die Chefärztin der Generaldirektion für den Strafvollzug, Margit Winterleitner, am Mittwochnachmittag, dass der Häftling „kein Risikopatient“ gewesen sei. Der 55-Jährige sei „in gutem Zustand“ in das Spital überstellt worden und unmittelbar vor einem Routineeingriff gestorben. Der Mann litt laut Winterleitner an einem Hodenbruch. „Er hat aber nie über Schmerzen geklagt. Er hat auch keine großartigen Schmerzmittel bekommen“, erläuterte die für alle 28 Justizanstalten zuständige Chefärztin im Gespräch mit der APA.

Der erste Operationstermin am 16. November sei vom Spital und nicht seitens der Justiz kurzfristig verschoben worden. Zurück im Gefängnis habe es bei dem Häftling keine Auffälligkeiten gegeben. Vor dem neuen OP-Termin Anfang Dezember wurde der 55-Jährige laut Winterleitner eingehend und auch extern - konkret in zwei Krankenhäusern in Niederösterreich und Wien - untersucht und auf den Eingriff vorbereitet: „Es wurde das medizinische Prozedere eingehalten. In den Voruntersuchungen haben sich internistisch keine klaren Risikofaktoren gezeigt. Er hatte erhöhten Blutdruck, das ist bei einem 55-Jährigen aber nicht ungewöhnlich.“

Obduktionsergebnis wird erwartet

Vom Ableben des Mannes war man in der Justizanstalt Hirtenberg „völlig überrascht“, betonte Winterleitner. „Er ist in Vorbereitung auf die Operation gestorben“, so die Chefärztin, die zu den Vorgängen im Spital keine Stellung nehmen konnte. Ob es dabei zu allfälligen Versäumnissen oder ärztlichem Fehlverhalten gekommen ist, obliegt der Prüfung der Staatsanwaltschaft. Aufschluss darüber kann möglicherweise das Obduktionsgutachten geben, das demnächst zugestellt werden soll.

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