Kurt Ohnsorg: Neuentdeckung eines Keramikers

Das NÖ Dokumentationszentrum für moderne Kunst zeigt im Stadtmuseum St. Pölten die Ausstellung „Kurt Ohnsorg. Keramik aus Leidenschaft“, eine Wiederentdeckung anlässlich des 90. Geburtstages des 1970 verstorbenen Künstlers.

Der Kunstpublizist Otto Breicha bezeichnete Kurt Ohnsorg als „Wotruba der Keramik“, der Kunstsammler Ernst Ploil spricht von Ohnsorg als „Wegbereiter und Revolutionär“. Und Ausstellungskurator Carl Aigner sagt über den wohl bedeutendsten österreichischen Keramiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: „Die oft vulkanisch wirkenden Oberflächen, die eine Familiarität sowohl mit der Art Brut als auch mit der Arte Povera aufweisen, sind von einer farblich höchst beeindruckenden Expressivität und Vitalität und zeugen von einem großen technisch-experimentellen und künstlerischen Charakter.“

Kurt Ohnsorg im Jahr 1970

H.G. Prillinger

Kurt Ohnsorg (1927-1970)

Kurt Ohnsorg wurde am 25. Dezember 1927 in Sigmundsherberg (Bezirk Horn) geboren und schied am 22. September 1970 in Gmunden (Oberösterreich) aus dem Leben. Er studierte Keramik an der Hochschule für angewandte Kunst in der Klasse Robert Obsieger und schloss 1950 mit Diplom ab. Mitte der 1950er Jahre bezog er in der Porzellangasse 26 in Wien-Alsergrund seine erste Werkstätte, die rasch ein Treffpunkt von Künstlern, Literaten und Musikern wie Karl Prantl, Hans Kann, Heimito von Doderer, Arik Brauer, Markus Prachensky und Friedrich Cerha wurde.

Ohnsorg setzte Meilensteine in der Keramik

Mit der Gründung des „Josef-Hoffmann-Seminars“ (gemeinsam mit Alfred Seidl) 1961, dem 1964 gestarteten „Internationalen Sommerseminar für Keramik“ in Gmunden und in engem Zusammenhang damit der 1969 an der Linzer Kunstschule etablierten Professur und Meisterklasse für Keramik „setzte er in den 1960er Jahren institutionelle Meilensteine für die österreichische Keramik“ (Aigner). Mit Freunden und Kollegen realisierte er erstmals auch die Möglichkeit, direkt in den Keramikfabriken der ÖSPAG in Gmunden (Werk Engelhof) und bei der ÖSPAG in Wilhelmsburg (Bezirk St. Pölten) beim Formgebungssymposion 1966 mit der dort vorhandenen Infrastruktur zu arbeiten.

Wie sehr Kurt Ohnsorg sich für eine künstlerisch-keramische Infrastrukturschaffung interessierte und engagierte, zeigt die Einrichtung einer Professur und Meisterklasse für Keramik an der Kunstschule Linz 1968/69 (Start im Sommersemester 1970), wo er durch sein Wirken und seine Persönlichkeit maßgeblich zu ihrer Etablierung beitrug. Ausstellungskurator Carl Aigner: „Noch heute existiert die Meisterklasse an der Linzer Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, für deren Weiterentwicklung zur staatlichen Hochschule 1973 Kurt Ohnsorg mit seiner Keramik-Meisterklasse einen wichtigen argumentativen Baustein bildete.“

Die avancierteste Position der Nachkriegskeramik

Im Spannungsfeld von angewandter und freier künstlerischer Arbeit steht er in der Tradition der Wiener Werkstätte und japanischer Kunst. Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen waren es finanzielle Gründe, die es verhinderten, dass er sich bis Ende der 1950er Jahre ausschließlich seinen freien Arbeiten widmete.

Zum Selbstverständnis seines Arbeitens schrieb er: „Die Liebe zum Handwerk ist nicht als sentimentale Neigung anzusehen, sondern als die nach wie vor vollkommenste Möglichkeit des Menschen, sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Und diese Auseinandersetzung kann man nicht ersparen. [...] Wer sich der Mühe der Beherrschung der Materie nicht unterzieht, bei dem kann sowohl Persönlichkeit als auch Künstlerschaft als fragwürdig gelten.“

Ausstellungshinweis

„Kurt Ohnsorg. Keramik aus Leidenschaft“, NÖ Dokumentations-zentrum für moderne Kunst, Prandtauerstraße 2, St. Pölten. Geöffnet bis 16. April 2017, von Mittwoch bis Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr.

Seine künstlerische Leidenschaft galt den Oberflächen und damit der Glasur. Er entwickelte dafür eigene Verfahrensweisen (in Gmunden in Zusammenarbeit mit Alfred Zinhobl), brach die glatten Oberflächen auf und schuf eine radikale Antiästhetik als Gegenposition zur österreichischen Keramik der Jahrhundertwende und ihren Rezeptionen.

„Sein in Vielem radikales Schaffen markiert die avancierteste Position der Nachkriegskeramik in Österreich – noch für die heutigen mit Keramikmaterial arbeitenden Künstlerinnen und Künstlern ist sein Werk ein unbedingter Referenzraum“, sagt Carl Aigner.

Friedrich Cerha

ORF/Reinhard Linke

Friedrich Cerha vor einer Relief-Wandstele Kurt Ohnsorgs

Erstmals seit 40 Jahren wieder eine Retrospektive

In Österreich ist zum ersten Mal seit fast 40 Jahren wieder eine große Retrospektive von Kurt Ohnsorg zu sehen. Anhand von etwa 100 Werken wird „ein prägnanter Einblick in das faszinierende Schaffen von Kurt Ohnsorg gegeben“, so Kurator Aigner. Die Initiative zu dieser Ausstellung kam von Paul Twaroch, dem Präsidenten des Niederösterreich-Fonds. Der ehemalige Intendant des ORF-Landesstudios Niederösterreich hatte den Künstler in den 1960er Jahren kennengelernt und organisierte bereits 1978 in Wien eine Ausstellung über Kurt Ohnsorg.

Zum ersten Mal gibt es auch eine ausführliche Publikation zur Person und zum Werk („Kurt Ohnsorg. Keramik aus Leidenschaft“, Verlag Bibliothek der Provinz), in der 530 Arbeiten des Künstlers dokumentiert sind, mit zahlreichen Dokumenten und Interviews mit Wegbegleitern, Zeitzeugen und Sammlern.

Das NÖ Dokumentationszentrum für moderne Kunst zeigt im Stadtmuseum außerdem die Ausstellung „Keramik aus Leidenschaft. Günter Praschak und Schülerinnen“ mit Arbeiten von Günter Praschak, Ingrid Miura-Grininger, Barbara Reisinger, Margarete Geffke, Gabriele Hain, Martina Funder und Maria Baumgartner.

Reinhard Linke, noe.ORF.at

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