Stiefbruder erschossen: Banker bestreitet Mord

In Korneuburg hat am Montag der Mordprozess gegen einen Wiener Banker begonnen. Der Mann soll vor eineinhalb Jahren seinen Stiefbruder erschossen haben. Der 45-Jährige weist den Vorwurf aber zurück und spricht von einem Unfall.

Der 45-Jährige hat am Montag in seinem Mordprozess den Tötungsvorsatz bestritten. „Ich bekenne mich der fahrlässigen Tötung schuldig“, sagte er im Landesgericht Korneuburg am Montag. Es habe sich um einen Schießunfall gehandelt, bekräftigte Verteidiger Rudolf Mayer. „Schießunfälle sind Legion. Besonders bei Leuten, die glauben, sie können mit einer Waffe umgehen - wie mein Mandant“, gab Mayer zu bedenken. Der Angeklagte habe „in bodenlosem Leichtsinn mit einer Waffe herum getan. Er weiß, was er angerichtet hat.“

Die Polizei habe in diesem Fall „einseitigst“ gegen den Banker ermittelt, meinte Mayer. Die beiden Brüder hätten „nie ein böses Wort gewechselt“, der 45-Jährige hätte keinen Grund gehabt, mit Absicht auf um zwei Jahre jüngeren Stiefbruder zu schießen.

Angeklagte wollte Bruder Schusswaffe zeigen

„Ich hab’ ihn geliebt. Er war mein Bruder, mein bester Freund. Das Letzte, was ich hätte tun wollen, war ihn zu verletzen“, gab der Angeklagte zu Beginn seiner Einvernahme zu Protokoll. Dieser sei „der Mensch, mit dem ich am meisten Zeit verbracht habe“ gewesen. Am Abend des 18. September 2015 hatte der Angeklagte seinen Bruder zum Grillen eingeladen: „Es war der letzte warme Sommerabend.“

Nach reichlichem Alkoholkonsum - der Angeklagte hatte im Tatzeitpunkt 2,2 Promille im Blut - beschloss der 45-Jährige, seinem Bruder seine beiden Schusswaffen zu zeigen. Er habe zuvor schon mehrmals vor dem 42-Jährigen mit den Waffen hantiert. Der Banker holte seine Waffenkoffer und nahm eine Glock mit einem angesteckten Magazin in die Hand: „Eine idiotische Idee.“ Plötzlich habe sich versehentlich ein Schuss gelöst.

Staatsanwältin unterstellt „gezielten Schuss“

„Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Wir reden ganz normal. Auf ein Mal geht ein Schuss los und ich denk mir ‚Scheiße, hoffentlich ist nix passiert‘.“ Zunächst habe er geglaubt, dass das Projektil seinen Bruder verfehlt hatte, schilderte der Angeklagte: „Das Nächste, was ich gesehen habe, war das viele Blut am Boden. Es ist wahnsinnig schnell gegangen.“ Das Projektil traf den 42-Jährigen oberhalb der linken Augenbraue. Er hatte keine Überlebenschance.

Staatsanwältin Gudrun Bischof unterstellt dem Banker demgegenüber, „entgegen seinen Angaben einen gezielten Schuss abgegeben zu haben“, wie sie in ihrem Eröffnungsplädoyer darlegte. Sie stützte sich dabei vor allem auf das Gutachten der Blutspuren-Expertin Silke Brodbeck, die Auswertung von Handy-Daten und „objektive Spuren“, wie die Staatsanwältin betonte. Nach Ansicht der Anklägerin kommt „möglicherweise Eifersucht als Motiv“ infrage, so Bischof: „Das Motiv ist aber nicht der zentrale Punkt. Die zentrale Rolle kommt den objektiven Beweismittelspuren zu“ - mehr dazu in Kopfschuss: Blutspuren führten zu Mordanklage (noe.ORF.at; 17.3.2017).

Bruder traf regelmäßig Gattin des Angeklagten

Fest steht, dass die Ex-Frau des Angeklagten - eine Wiener Staatsanwältin, die er nach der Trennung eigenen Angaben zufolge weiter geliebt hat - mit dem Getöteten per Smartphone seit Oktober 2013 Anzüglichkeiten ausgetauscht haben soll. Der Angeklagte soll die Möglichkeit gehabt haben, diese auf seinem iPhone mitzulesen. Er und seine Ex-Frau benutzten weiterhin denselben Apple-Account, eingehende Textnachrichten und Anrufe wurden angeblich auf beide Geräte synchronisiert.

Eric J. habe sich „regelmäßig mit der Gattin des Angeklagten verabredet“, erläuterte Staatsanwältin Bischof. Einige Textnachrichten „lassen möglicherweise den Schluss zu, dass die beiden ein Verhältnis hatten“, stellte Bischof fest. Beweise dafür gibt es aber keine. Folgt man Verteidiger Mayer, war der 42-Jährige weniger an der Ex-Frau des Angeklagten interessiert als an anderen bei der Staatsanwaltschaft Wien tätigen Staatsanwältinnen: „Sie sollte ihm Kolleginnen zuführen.“ „Bring mir endlich auch andere“, soll der 42-Jährige - teilweise mit Erfolg - verlangt haben.

Zeugen berichten von freundschaftlichem Verhältnis

Er habe nie vermutet, dass Eric J. ein Verhältnis mit seiner Ex-Frau hatte, erläuterte der Angeklagte dem Schwurgericht. Die beiden hätte „eine Art Freundschaft“ verbunden, sagte der 45-jährige Banker. Eric habe den Kontakt zu der bei der Staatsanwaltschaft Wien tätigen Staatsanwältin genutzt, um andere Staatsanwältinnen kennenzulernen. „Es war bekannt, dass sie ihm Kolleginnen vermittelt, Singles. Das wusste ich immer. Das war ein Dauerthema“, berichtete der Angeklagte. Seine eigene Beziehung zu seiner Ex-Frau lasse sich „nicht in gängige Muster einordnen“, verriet der 45-Jährige. Die Staatsanwältin hatte sich 2013 von ihm getrennt. 2015 ließ man sich einvernehmlich scheiden, blieb aber weiter eng verbunden. So machten die beiden etwa nach wie vor gemeinsam Urlaub.

Am ersten Prozesstag wurde auch das einstündige Video von der Tatrekonstruktion gezeigt. Daraus ging hervor, dass der Banker kurze Zeit vor dem tödlichen Schuss seiner Ex-Frau eine SMS geschickt und diese aufgefordert hatte, doch auch noch vorbeizukommen. Auf Bitte von Eric habe er die Staatsanwältin gebeten, „Gras mitzubringen“, gab der Banker bei dem Lokalaugenschein in seiner Wohnung an.

Mehrere Arbeitskollegen des Bankers beschrieben dessen Verhältnis zum Getöteten - dieser war als Fondsmanager in selben Institut wie der 45-Jährige tätig - als gut bis erstklassig. Eine Frau, die mit den beiden fünf Jahre lang das Büro teilte, gab als Zeugin an: „Sie hatten ein extrem freundschaftliches Verhältnis. Ich habe in all den Jahren nur Freundschaft, Respekt, Wertschätzung mitbekommen.“

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