ÖVP-Parteitag: Das war die Ära Pröll

„Hofübergabe“ in der ÖVP Niederösterreich: Am Samstag wird Johanna Mikl-Leitner beim Landesparteitag in St. Pölten zur Nachfolgerin von Erwin Pröll an der Parteispitze gewählt. Eine Ära geht damit zu Ende.

Wenn Erwin Pröll an seine Nachfolgerin übergibt, wird er fast 25 Jahre Obmann der niederösterreichischen Volkspartei gewesen sein. Er hatte das Amt am 4. April 1992 von Siegfried Ludwig übernommen und in der Folge nicht weniger als fünf Landtagswahlen als Spitzenkandidat geschlagen. Drei Mal führte er die ÖVP zu einer absoluten Mehrheit, zuletzt 2013, als mit dem Team Stronach eine neue Bewegung kandidierte und aus dem Stand fast zehn Prozent der Wählerstimmen erreichte. Knapp ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl erfolgt nun zunächst der Wechsel an der Spitze der Partei und nach Ostern dann der Wechsel an der Spitze der Landesregierung.

Zäsur für niederösterreichische Landespolitik

Nicht unerwartet, zu diesem Zeitpunkt aber doch überraschend, gab Pröll am 17. Jänner seinen Rückzug bekannt. Den Entschluss dürfte er rund um Weihnachten, als er seinen 70. Geburtstag feierte, gefasst haben - mehr dazu in Landeshauptmann Pröll tritt zurück (noe.ORF.at; 17.1.2017). Für die Landespolitik bedeutet Prölls Rücktritt eine Zäsur, so gibt es in Österreich keinen aktiven Politiker, der über eine derartige Zeitspanne an der Spitze einer Partei und einer Regierung stand.

Einen Rückschlag musste der scheidende Landeshauptmann 1993 hinnehmen, als er bei den Landtagswahlen die absolute Mehrheit verlor und in weiterer Folge beim Landesparteitag drei Jahre später gerade einmal 83,9 Prozent der Delegiertenstimmen erhielt. Pröll änderte daraufhin seine persönliche Amtsführung und holte 2003 die absolute Mehrheit zurück.

Prölls Wort bekam immer stärkeres Gewicht

In der Partei brachte ihm das in den Folgejahren breiteste Zustimmung ein. Beim Landesparteitag 2004 kam Pröll auf 98,4 Prozent der Stimmen, 2009 und 2013 auf jeweils 98,0 Prozent. 2017 übergibt er eine Partei, die 200.000 Mitglieder hat, bis in die kleinste Gemeinde organisiert ist und öffentliche Konflikte vermeidet. Auf der anderen Seite bekam Prölls Wort in den vergangenen Jahren immer mehr Gewicht auf bundespolitischer Ebene, wobei das Pochen auf niederösterreichische Interessen auch Kritiker auf den Plan rief - in anderen Bundesländern und im Bund.

Pröll wurde am 24. Dezember 1946 in eine Weinbauernfamilie in Radlbrunn (Bezirk Hollabrunn) geboren. Die Katastralgemeinde von Ziersdorf ist bis heute sein Zuhause. Nach der Matura in Tulln und dem Präsenzdienst studierte Pröll an der Universität für Bodenkultur in Wien. Noch vor seiner Promotion zum Agrarökonom wurde er 1972 in den Österreichischen Bauernbund geholt und dort bald wirtschaftspolitischer Referent.

Seit 1992 an der Spitze des Bundeslandes

Der ehemalige Bauernbunddirektor und ÖVP-Generalsekretär Sixtus Lanner entdeckte Prölls politisches Talent und holte ihn an seine Seite. Im Alter von 33 Jahren wechselte Pröll 1980 nach Niederösterreich und wurde als Agrarlandesrat in die Landesregierung gewählt. Am 22. Oktober 1992 trat er die Nachfolge von Landeshauptmann Siegfried Ludwig an. Er ist damit der aktuell längst amtierende Landeshauptmann Österreichs und er ist der einzige Landeshauptmann, der mit absoluter Mehrheit regiert.

Seine Wahlerfolge sowie die Errichtung der Donau-Universität in Krems und des IST Austria in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) sowie die Entwicklung des Konzert- und Festivalstandortes Grafenegg (Bezirk Krems) nannte Pröll neben der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes als Höhepunkte seiner langjährigen Arbeit. „Der Herrgott hat’s ganz schön gut mit mir gemeint“, sagte er anlässlich seines 70. Geburtstages im Dezember.

„Erster Diener“ des Landes

Pröll, der mit Leopold Figl und Eduard Hartmann zwei seiner Vorgänger als politische Vorbilder nennt und den Ende Oktober 2010 verstorbenen Altlandeshauptmann Andreas Maurer stets als väterlichen Freund bezeichnete, betonte wiederholt, gern „erster Diener“ des Landes zu sein. Am 19. April wird es damit vorbei sein. Dann will sich Pröll - er ist verheiratet, hat eine Tochter, drei Söhne und mittlerweile sechs Enkelkinder - seiner Familie widmen. Denn: „Es gibt Höheres als die Politik.“

Prölls Nachfolge soll Johanna Mikl-Leitner antreten. Der Landesparteivorstand entschied sich nur einen Tag, nachdem Pröll seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte, einstimmig für die vormalige Innenministerin, die im April 2016 im Zuge einer Rochade mit Wolfgang Sobotka politisch nach Niederösterreich zurückgekehrt war und Landeshauptmann-Stellvertreterin wurde.

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