Berndorf: Mehr Wohnen & weniger Industrie

Seine einzigartige Entwicklung verdankt Berndorf (Bezirk Baden) dem Großindustriellen Arthur Krupp. Er hat Ende des 19.Jahrhunderts die ganze Stadt entwickelt. Jetzt sucht sie neue Perspektiven und will zur Wohnstadt werden.

Berndorf wäre in seiner heutigen Form ohne das Engagement der Familie Krupp nicht möglich gewesen. Ehe sie kam, gab es hier 60 Häuser, die jetzige Stadt war noch ein kleines Dorf. Die Familie Krupp gründete hier 1843 die Berndorfer Metallwarenfabrik und begann mit der Produktion von Besteck.

Bis zu 6.000 Mitarbeiter waren in Berndorf beschäftigt, sie kamen aus vielen Ländern der Monarchie, viele stammten aus Böhmen und Mähren. Heute gibt es am Standort in Berndorf nur mehr den Vertrieb des Bestecks, erzeugt wird es in Asien, hauptsächlich in China. Noch in den 1960er Jahren sah das ganz anders aus. Damals wurde das Besteck in großer Stückzahl am Standort gefertigt.

Berndorf Werk, Berndorf Stadt, Arthur Krupp

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Norbert Zimmermann kam und änderte alles von Grund auf

Doch das alles ist Geschichte. Auch wenn die Besteckproduktion wegfiel, so steht das Unternehmen heute alles andere als schlecht da. Bis Mitte der 1980er Jahre war es verstaatlicht und stand vor dem Aus. Bis der aus Vorarlberg stammende Unternehmer Norbert Zimmermann das Ruder übernahm. „Ich bin als Sanierer nach Berndorf gekommen, weil das Werk Verluste gemacht hat. Das war Anfang 1987, also genau vor 30 Jahren, und da musste ein Einschnitt gemacht werden.“

Gute Geschäfte nach der Privatübernahme

Dieser Einschnitt bedeutete die Kündigung von 150 Mitarbeitern, 500 blieben im Werk. Mit einer abenteuerlichen Finanzierung wurde dann privatisiert: „Das Werk war damals mit 240 Millionen Schilling bewertet. In der Familie, im Freundeskreis und im Werk haben wir etwa fünf bis sechs Millionen Schilling aufgetrieben, am Ende waren es sechs Millionen. So sind wir gestartet, der Rest waren Bankkredite, für die wir natürlich auch verantwortlich waren und gehaftet haben“, erzählt Zimmermann.

Berndorf Werk, Berndorf Stadt, Arthur Krupp

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Das Konzept zum Erfolg: In Marktnischen zum Weltmarktführer werden

Mittlerweile sind in Berndorf zehn Firmen angesiedelt - weltweit führt man weitere 50 Unternehmen, mit etwa 4.100 Mitarbeitern. Der Wert des Unternehmens ist gegenüber 1987 um das Vierzehnfache gestiegen. Gute Geschäfte macht man mit Berndorf Band: spezielle Stahlbänder, die für den Werkzeugbau verwendet werden.

Das ist auch das Erfolgskonzept des Unternehmens: Man hat sich Marktnischen gesucht und ist in diesen Bereichen zum Weltmarktführer geworden. Das Unternehmen ist auch für die Stadt ein wichtiger Arbeitgeber. In Berndorf denkt man jedoch bereits um. Die Pläne für die Zukunft sehen keine weiteren Industrieansiedelungen vor.

Berndorf soll Wohn- und Schulstadt werden

„Wir diskutieren das gerade. Ich glaube, dass sich Berndorf in Richtung Wohn- oder Schulstadt entwickeln soll. Das heißt konkret: Wir liegen im Speckgürtel rund um Wien, hier ist das Wohnen noch leistbar. Das merken wir auch am Zuzug und an der Entwicklung in unseren Kindergärten und Schulen“, erklärt Finanz- und Kulturstadtrat Helmut Wiltschko (SPÖ).

Um eine attraktive Stadt für junge Familien zu werden, fehlt aber doch noch einiges. Besonders reizvoll ist die kürzeste Fußgängerzone Europas mit 147 Metern wohl nicht, noch dazu ist sie kein Blickfang - man steht also städtebaulich noch vor vielen Aufgaben.

Noch immer profitiere das Stadtbild viel von den Bauten Arthur Krupps, wird bereitwillig zugegeben - etwa vom Kaiser-Franz-Joseph-Theater, den berühmten Kruppschulen mit den sogenannten Berndorfer Stilklassen oder auch von den alten Villen der ehemaligen Werksdirektoren. 200 junge Familien zogen in den letzten Jahren bereits nach Berndorf, weitere will man durch den Bau von leistbaren Startwohnungen gewinnen: So hofft man, dass das Konzept als lebenswerte Stadt im Triestingtal in Zukunft aufgeht.

Otto Stangel, noe.ORF.at

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