Telefonseelsorge: Deutlicher Anstieg im Frühling

Der Frühling ist laut zahlreichen Studien jene Zeit, in der die meisten Menschen unter depressiven Verstimmungen leiden. Auch die Telefonseelsorge St. Pölten verzeichnet zu dieser Zeit einen deutlichen Anstieg bei den Beratungsanrufen.

Dass gerade der Frühling und der Sommerbeginn für viele Menschen eine schwierige Zeit darstellt, hat mehrere Gründe: „Einerseits gibt es die sogenannte Broken-Promise-Hypothese, wonach Menschen, die sich am Anfang vom Jahr Vorsätze vornehmen, realisieren, dass im Frühjahr die Vorsätze nicht eingetroffen sind oder sie diese nicht eingehalten haben“, so Nestor Kapusta, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, gegenüber noe.ORF.at. Als weitere Ursache nennt Kapusta die ab März zunehmenden Sonnenstunden.

Sonne als weitere Ursache für Reizung

„Viele verletzliche Menschen erleben das als eine Art Verstärkung der Reizung durch Sonnenlicht. Viele bekommen auch Schlafstörungen, weil sich der Biorhythmus mit der Sonneneinstrahlung verändert. Dieses Gereiztheit kann bei manchen Personen auch den Impuls zum Selbstmord mit sich bringen“, erklärt Kapusta.

Auch wenn die Zahl der Suizide seit Mitte der 1980er Jahre durch den Ausbau des Gesundheitssystems um fast die Hälfte zurückging, nahmen sich laut Statistik Austria 2015 in Niederösterreich 246 Menschen das Leben. Damit ist die Zahl der Suizidtoten etwa drei Mal höher als die Zahl der Verkehrstoten, heißt es in einem Bericht des Gesundheitsministeriums. Über die Zahl der Selbstmordversuche gibt es keine Angaben. Nach Schätzungen des Ministeriums dürfte sie aber mindestens zehn Mal so hoch sein.

9.000 Stunde Hilfe am Telefon

Bei der Telefonseelsorge in St. Pölten ist der Frühling ebenfalls spürbar, hier gehen gerade jetzt die meisten Anrufe ein. „Draußen ist es schön, es blüht alles und man könnte sich des Lebens freuen. Aber bei Menschen, die zum Beispiel unter einer Depression leiden, kommt innerlich der Frühling nicht, da ist es grau in grau“, sagt Susanne Rasinger, Leiterin der Telefonseelsorge der Diözese St. Pölten.

Vor allem die Themen Beziehung, Einsamkeit und Hilfe zur Bewältigung des Alltags beschäftigen die Ratsuchenden, so Rasinger. Rund 20 bis 25 längere Gespräche führen Rasinger und die anderen ehrenamtlichen Mitarbeiter am Tag. Im Jahr leisten sie knapp 9.000 Stunde Hilfe am Telefon. „Wir bieten eine niederschwellige Hilfe, so ist es jedem möglich anzurufen. Bei uns gibt es schnelle Soforthilfe, zumindest Entlastung, indem wir einfach einmal zuhören.“ Seit Oktober biete die Telefonseelsorge auch Chat-Beratungen an - mehr dazu in Seelsorge nun auch per Chat (noe.ORF.at; 27.10.2016).

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