Iraker im Waldviertel: Neues Leben in Sicherheit

Dass Integration von Flüchtlingen in vielen Gemeinden gelebt wird, zeigen Beispiele wie dieses: Der 37-jährige Jassim musste vor zwei Jahren aus dem Irak fliehen. Jetzt konnte seine Familie nach Harmanschlag (Bezirk Gmünd) nachkommen.

Knapp 11.800 Asylwerberinnen und Asylwerber sind derzeit in der Grundversorgung des Landes, mehr als 9.000 davon sind in einem laufenden Asylverfahren. Der 37-jährige Jassim erhielt vor wenigen Wochen einen positiven Asylbescheid. Er darf sich jetzt mit seiner Familie in Niederösterreich ein neues Leben in Sicherheit aufbauen.

Jassim und seine Familie im Waldviertel

ORF / Andreas Kotzmann

Jassim, seine Frau Thekreat und zwei der sieben Kinder

Jassim sitzt mit seiner Frau und den sieben Kindern rund um den gedeckten Esstisch. Es gibt Fladenbrot, Kichererbsen, Rindfleisch und eine arabische Spezialität bestehend aus Spinat und Faschiertem. Die Familie wirkt fröhlich, doch Narben am Kinn des erst sieben Jahre alten Bilal erzählen eine andere Geschichte: Er wurde beim Spielen auf der Straße verletzt, als Bomben über seiner Heimatstadt Mossul abgeworfen wurden. Das ist nur eine von vielen Kriegsgeschichten, die diese Familie in sich trägt.

„Wenn ich im Irak geblieben wäre, wäre ich tot“

Ein gemeinsames Mittagessen zählt zu den alltäglichsten Szenen eines Familienlebens. Nicht aber für diese Familie. Vor knapp zwei Jahren musste Jassim über Nacht aus Mossul im Irak fliehen. Die Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat bedrohten ihn, immer wieder wollten sie den jungen Mann für sich gewinnen.

„Ich mag Krieg nicht. Also habe ich geschaut, wohin ich gehen könnte. Ich dachte, Österreich wäre gut. Ich glaube, wenn ich im Irak geblieben wäre, wäre ich jetzt tot“, so das 37-jährige Familienoberhaupt. Selbst den Kindern haben die Soldaten in der Schule oder beim Spielen immer wieder Propagandavideos gezeigt, so Jassim gegenüber noe.ORF.at

Jassim spielt mit seinen Kindern

ORF / Andreas Kotzmann

Drei Wochen dauerte Jassims gefährliche Flucht nach Österreich. In der knapp 300-Seelen-Gemeinde Harmanschlag im Waldviertel fand er eine neue Heimat. Etwa 100 Freiwillige bilden das Netzwerk „Willkommenskultur im Lainsitztal“. Sie engagieren sich sehr für geflüchtete Menschen, die in der Kleinregion im Waldviertel ein neues Zuhause suchen.

„Man kann sich vorstellen, wenn man mit dem Tod bedroht wird, dann muss man seine Sachen zusammenpacken und gehen. Jassim war einer, der angesehen war und die IS wollte unbedingt, dass er zu ihnen geht. Denn dann kommen andere auch zu ihnen. Als sie ihm das Ultimatum gestellt haben, konnte sich Jassim nur mit der Flucht retten“, erzählt Thomas Samhaber vom Netzwerk, das unter anderem Behördenwege, Übersetzungen, Kleiderspenden und Deutschkurse organisiert.

Jassim und seine Familie im Waldviertel

ORF / Andreas Kotzmann

In der Nähe der Kirche in Harmanschlag kauften zwei Privatpersonen ein Haus und richteten eine Wohnung ein. Jassim darf hier mit seiner Familie eine Zukunft aufbauen.

Vor wenigen Wochen erhielt Jassim ganz plötzlich einen positiven Asylbescheid. Dies bedeutete auch, dass seine Familie nach Österreich nachkommen konnte. In einen Lkw gepfercht nahmen Ehefrau Thekreat und die sieben Kinder im Alter von vier bis 16 Jahren die stundenlange Fahrt in die Türkei auf sich. Immer in Angst vor den Soldaten der Terrormiliz. Von der Türkei ging es mit dem Flieger nach Schwechat. Am Flughafen feierte die junge Familie ein sehr emotionales Wiedersehen.

Zurück zur Normalität

Samhaber und seine Frau kauften extra ein altes Haus in Harmanschlag und richteten eine kleine Wohnung her, in der die neunköpfige Familie jetzt lebt. Der junge Iraker, seine Frau und seine Kinder sind sehr dankbar für die Hilfe. Sie wollen im Waldviertel bleiben und sich in Niederösterreich ein neues Leben aufbauen. Jassim hat inzwischen auch einen Job auf Schloss Weitra gefunden. Die Kinder besuchen die Schulen und den Kindergarten in der Umgebung. Und alle gemeinsam können sie wieder scheinbar alltägliche Szenen wie ein Familienessen genießen.

Silvia Schreiber, noe.ORF.at

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