26-Jährige ist erste Poker-Europameisterin

Jessica Teusl ist die erste weibliche Europameisterin im Poker. Die 26-jährige Wiener Neustädterin setzte sich überraschend beim Turnier im Casino Velden in Kärnten gegen fast 60 Mitstreiterinnen durch.

Konzentration und Durchhaltevermögen waren bei der Poker-EM gefragt. Bevor die 26-jährige Jessica Teusl den Titel gewann, spielte sie von 17.00 bis 4.00 Uhr in der Früh durch. Der Sieg kam für die Wiener Neustädterin völlig überraschend. noe.ORF.at traf Teusl in ihrer Heimatstadt Wiener Neustadt und sprach mit ihr über das Turnier, ihren Weg zum Titel und das berühmte „Pokerface“.

noe.ORF.at: Wie waren die Reaktionen, als Sie als erste weibliche Europameisterin in Ihre Heimat zurückgekehrt sind?

Jessica Teusl: Die Reaktionen waren sehr gemischt, weil viele Leute gar nicht gewusst haben, dass ich Poker spiele und es ist ja doch kein alltägliches Hobby. Ich war dann auch in Wiener Neustadt unterwegs und da haben sehr viele Leute reagiert, die das bereits gehört hatten. Viele waren verwundert, dass man auch als Frau Poker spielen kann.

noe.ORF.at: Poker ist also kein alltägliches Hobby. Wie sind Sie dazu gekommen?

Teusl: Es klingt ein bisschen blöd, aber ich habe schon in der Kindheit gerne gespielt: Brettspiele, Monopoly, DKT, alles Mögliche. Mein Papa hat dann irgendwann zu mir gesagt: „Möchtest du nicht auch Poker lernen?“ Da habe ich mir gedacht, dass es eigentlich ganz lustig und interessant klingt und irgendwie war es das einzige Hobby, mit dem man auch Geld verdienen kann. Es ist Unterhaltung und Spaß, aber man kann auch Geld machen.

Ich habe mir dann das Ganze angeeignet. Mein Bruder hat gepokert, mein Papa auch und natürlich konnte ich dann über die Jahre meine Fähigkeiten verbessern. Am Anfang habe ich eher zum Spaß vor dem Fortgehen gepokert. Mit den Turnieren habe ich erst vor ein, zwei Jahren begonnen. Dann habe ich das Ganze ernst genommen und mich auch intensiv damit beschäftigt, auch mit der Mathematik dahinter.

Jessica Teusl

pokerfirma.de

Jessica Teusl bei der Europameisterschaft

noe.ORF.at: Welche Fähigkeiten benötigt ein Pokerspieler?

Teusl: Die meisten Leute glauben, Poker ist ein reines Glücksspiel. Das ist es aber nicht. Natürlich gehört ein kleiner prozentueller Teil Glück dazu, aber eigentlich ist es mehr Mathematik. Es gibt vier Farben im Deck. Wenn ich zum Beispiel zwei Herzen in der Hand habe und es kommen bei den ersten drei Karten, die aufgedeckt werden, zwei Herz-Karten, dann kann man sich ausrechnen, wie wahrscheinlich ist es, dass am Turn oder River noch eine Herz kommt, sodass ich einen Flash mache. Ich habe beim Turnier in Velden mitgerechnet, sonst wäre das nicht so ausgegangen, wie es ausgegangen ist.

noe.ORF.at: Wie viel Training steckt hinter dem Pokern?

Teusl: Ich habe Poker-Bücher gelesen und spiele auch gerne. Ich habe Wochen, in denen kann ich aus Zeitgründen gar nicht spielen und in anderen Wochen gehe ich bis zu viermal pro Woche ins Casino, wenn es sich ausgeht. Die Praxis ist sehr viel wert, weil man die Gegner dadurch besser einschätzen kann. „Learning by doing“ ist sehr wichtig.

noe.ORF.at: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie den EM-Titel gewonnen haben?

Teusl: Ich hatte mir nichts von diesem Turnier erwartet und wollte eigentlich gar nicht mitspielen. Im Turnier ist es dann immer realer geworden. Es waren plötzlich nur noch sechs, dann fünf und dann habe ich mir gesagt: „Okay, jetzt musst du die Ruhe bewahren.“ Ich habe mir immer Cola, weil ich keinen Kaffee trinke, und ein Mineral bestellt und habe gewusst, dass ich munter bleiben muss. Ich habe seit 17.00 Uhr gepokert und es ging bis 3.00, 4.00 Uhr in der Früh.

Als es dann klar war, dass ich Poker-Europameisterin war, konnte ich es gar nicht fassen. Ich habe das überhaupt nicht glauben können. Alle Freunde, denen ich das in der Nacht geschickt habe, haben geglaubt, ich mache einen Scherz. Es war wirklich unbeschreiblich.

noe.ORF.at: Wie wichtig war da das berühmte Pokerface. Haben Sie das drauf?

Teusl: Ich muss gestehen: Manchmal bin ich schon nervös, wenn ich einen Bluff durchziehe. Ich glaube, ich habe es aber schon besser drauf als zu Beginn, als ich angefangen habe. Ich glaube, da hat man mir aus fünf Kilometern Entfernung angesehen, dass ich bluffe.

noe.ORF.at: Sind Frauen im Poker unterrepräsentiert? Werden Sie komisch angeschaut, wenn Sie an den Tisch kommen?

Teusl: Großteils sind es Männer, die pokern. Ich würde sagen, 90 bis 95 Prozent der Turnierteilnehmer sind Männer. Mittlerweile kommen aber auch immer mehr Frauen. Am Anfang schauen einen die Männer schon anders an, aber sie nehmen einen Ernst, wenn sie sehen, dass man spielen kann. Das dauert ein paar Stunden und dann passt das. Und umgekehrt kann ich als Frau das genauso merken bei einem Mann, dass er das nicht kann und dann nimmt man den Spieler auch nicht ernst.

Das Interview führte Pia Seiser, noe.ORF.at