Alma: „Der Star ist das Gebäude“

„Alma - A Show Biz ans Ende“, das Erfolgsstück des israelischen Autors Joshua Sobol, ist nach einjähriger Pause wieder in Wiener Neustadt zu sehen. Regisseur Paulus Manker wird das Stück auch nach 22 Jahren nicht langweilig.

Mehr als zwei Jahrzehnte sind seit der Uraufführung im Sanatorium Purkersdorf vergangen. Das Stück ist über Jerusalem, Los Angeles, Venedig oder Berlin jetzt wieder in Wiener Neustadt gelandet. Das interaktive Theaterstück lebt unter anderem vom Reiz der Schauplätze, an denen es aufgeführt wird. „Es gibt bei dem Stück 15 Schauspieler und einen Star, das ist das Gebäude“, sagt Regisseur Paulus Manker im Interview mit noe.ORF.at.

Paulus Manker

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noe.ORF.at: Wie sehen Sie sich selber als Regisseur?

Paulus Manker: Man muss sich in erster Linie in die Psyche, in die Emotion des Schauspielers hineinfühlen, das kann ich gut beurteilen, weil ich ja selber Schauspieler bin. Man darf den Schauspieler nicht zu etwas zwingen , sondern man muss das aus dem Schauspieler herausholen, was in ihm wohnt und wächst. Was nicht immer herauskommt, weil gewisse Dinge schmerzhaft sind und empfindlich und riskant. Ein guter Regisseur ist in erster Linie ein Ermöglicher, der dem Schauspieler ermöglicht, das Risiko einzugehen. Man muss eine Atmosphäre schaffen, in der Fehler möglich und nötig sind, man muss sich bei den Proben durch den Grießkochberg durchfressen, um auf der anderen Seite das Schlaraffenland zu finden.

noe.ORF.at: Seit der Uraufführung 1996 im Sanatorium Purkersdorf wird „Alma - A Show Biz ans Ende“ aufgeführt. Inwieweit gibt es seit damals Veränderungen im Stück?

Manker: Es wäre ja langweilig, ein Stück ständig zu wiederholen in 22 Jahren. Das wäre wie die tausendste Aufführung des Musicals „Cats“. Alma ist ein „Work in Progress“. Wir haben mit 40 Szenen angefangen und mittlerweile sind es fast 70 Szenen. Wenn wir im Ausland gespielt haben, an Orten, wo Alma lebte, wurden vom Autor Joshua Sobol Szenen dazugeschrieben. Das ist der Vorteil eines lebenden Dichters. Für Jerusalem, Los Angeles, Prag oder Berlin gab es eigene Szenen. Die haben wir eben nur dort gespielt, quasi als Gastgeschenk.

Es ändern sich auch die Besetzungen, es ändern sich die Schauplätze. Ich sage immer - mit allem Respekt vor den Schauspielern - es gibt bei dem Stück 15 Schauspieler und einen Star, das ist das Gebäude. Wenn das Gebäude, die Ausstattung und die Räume nicht von selbst wirken und den Zuschauer schon beim Hereinkommen beeindrucken, dann funktioniert es nicht. Wir hatten immer das Glück, dass wir die tollsten leerstehenden Gebäude bekommen haben. Das Gebäude ist nicht nur die Theaterhülle, sondern es ist die Seele.

Szene aus Alma

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noe.ORF.at: Sie sind bereits das dritte Mal, nach 2014 und 2015, hier in der Serbenhalle in Wiener Neustadt in einem Gebäude mit Geschichte: eine ehemalige Lokomotivfabrik, im Krieg wurden hier Waffen hergestellt, im Zweiten Weltkrieg war hier ein KZ-Außenlager.

Manker: In Wiener Neustadt ist man vor allem, weil Oskar Kokoschka hier die Militärakademie besucht hat, bevor er an die Front gegangen ist und Alma sich von ihm getrennt hat. Die Serbenhalle ist ein sehr düsterer Ort, es war eine Waffenfabrik, die größte Halle Mitteleuropas. Adolf Hitler hat sie in Serbien abgebaut und in 600 Eisenbahnwaggons hierhergebracht, Zwangsarbeiter haben sie aufgebaut. Hier war ja eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen. „Das weisse Rössl“ hier aufzuführen würde ich nicht passend finden. Da Alma zu einem Großteil von Vertreibung und Emigration von Judentum und Nationalsozialismus handelt, finde ich es passend. Ich kannte die Geschichte der Serbenhalle anfangs nicht, das hat sich erst alles mit dem Aufenthalt hier vertieft. Aber diese Geschichte gibt dem Stück, dass ohnehin schon düster ist, einen sehr speziellen Rahmen.

noe.ORF.at: Sie haben seit der ersten Aufführung immer die Rolle von Oskar Kokoschka gespielt, nur einmal wegen eines Krankeitsfalls Gustav Mahler.

Manker: Im Enstehungsjahr war kein Geld da für einen extra Schauspieler, da habe ich mir gedacht: ‚der Kokoschka ist eine nicht durchgehende Rolle, nur am Schluss in drei Szenen, das geht sich aus, dass kann ich neben der Regie auch machen‘. Ein sehr profaner Grund. Mittlerweile ist mir die Rolle sehr ans Herz gewachsen. Kokoschka war ein großer Künstler und ein sehr leidenschaftlicher Mensch.

Das Interview führte Robert Friess, noe.ORF.at.

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