Spitzenkandidat der Grünen im Gespräch

Bei Chefredakteur Robert Ziegler sind diese Woche die Landesspitzenkandidaten für die Nationalratswahl zu Gast. Für Dieter Brosz von den Grünen ist es nicht vorstellbar, dass die Grünen den Einzug in den Nationalrat nicht schaffen.

Der 48-jährige Dieter Brosz aus Trumau (Bezirk Baden) ist eine der wenigen Konstanten bei den Grünen. Seit 1989 ist er für die Grünen politisch tätig, anfangs als Finanzreferent der niederösterreichischen Grünen, seit 1998 als Vorsitzender des Landesausschusses. Seit 1999 ist er Mitglied im Nationalrat, in der laufenden Legislaturperiode als Medien- und Sportsprecher. Brosz tritt heuer zum vierten Mal als Landesspitzenkandidat im Nationalratswahlkampf an.

Dieter Brosz im Gespräch mit Robert Ziegler

ORF / Gernot Rohrhofer

Dieter Brosz zu Gast im ORF-Landesstudio Niederösterreich

noe.ORF.at: Lange Zeit hat es so ausgesehen, als hätten vor allem die Grünen Probleme in diesem Wahlkampf: Zuerst der Rückzug von Eva Glawischnig, dann die Kandidatur von Peter Pilz. Jetzt, wenige Tage vor der Wahl, ist es vor allem die SPÖ, die in Schwierigkeiten ist. Werden die Grünen davon profitieren?

Dieter Brosz: Man muss zunächst festhalten, dass das ein Riesenschaden für die Demokratie und das Ansehen der Politik an sich ist. Denn bei allen Unterschieden, bei aller Form der inhaltlichen Auseinandersetzungen - mit gefakten Seiten vorzugehen, da werden Grenzen überschritten, die in einer Demokratie nichts verloren haben.

Ich bin sehr froh, dass die Grünen da immer eine Grenze gezogen und sich immer auf Sachpolitik konzentriert haben. Natürlich ist es in einer Konfrontation oft so, dass man sagt, was der andere nicht so gut macht, aber mit solchen Methoden haben wir nichts zu tun und ich glaube, dass das bei den Menschen auch angekommen ist und dass das gewürdigt wird.

noe.ORF.at: Aber werden die Grünen profitieren oder vielleicht doch eher Peter Pilz, wenn es gegen das „System“ geht?

Brosz: Es fällt mir schwer, bei so einem Vorgang zu sagen, wer davon profitiert. Was wir wissen, ist, dass es sehr viele Menschen gibt, die eigentlich Grün-Wähler wären, aber überlegt haben, aus taktischen Gründen die SPÖ zu wählen. Ich glaube, dass sich das jetzt schon ein bisschen bewegen kann, Stichwort Glaubwürdigkeit.

Die Frage ist auch: Wenn man findet, dass einem die Grünen am nächsten stehen und man überlegt, Bundeskanzler Kern zu wählen, um Schwarz-Blau zu verhindern, kann man am Ende des Tages damit aufwachen, dass es Rot-Blau gibt und damit die FPÖ dann trotzdem kommt. Und da sind die Grünen ein Garant dafür, dass es keine Zusammenarbeit mit der FPÖ geben wird - eigentlich der einzige Garant.

Dieter Brosz im Gespräch mit Robert Ziegler

ORF / Gernot Rohrhofer

noe.ORF.at: Wie kann man sich das vorstellen? Die Grünen sind doch meilenweit davon entfernt, dass sie bei der Regierungsbildung diesmal eine Rolle spielen werden?

Brosz: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Es gibt eine Partei, die definitiv mit der FPÖ nicht zusammenarbeiten wird und das sind die Grünen, nicht die SPÖ.

noe.ORF.at: Große Wahlkampfthemen sind die Flüchtlingsbewegung und die Integration. Wie viel Zuwanderung von Menschen, die anders denken und gar nicht die Werte teilen, die Ihnen so wichtig sind, verträgt eine Gesellschaft?

Brosz: Klar ist, dass die Werte, die wir hier haben - ich denke an die Menschenrechtskonvention - für alle gelten, die hier wohnen, die sich hier integrieren wollen. Ich sehe sehr viele, die das auch machen. Ich bestreite überhaupt nicht, dass es Problemfelder gibt und dass es auch Tendenzen gibt, wo man sehr genau hinschauen muss. Aber man hat ja den Eindruck, als würden hier ausschließlich Menschen leben, die ganz etwas anderes mit Österreich im Sinn haben. Viele sind gekommen, weil sie vor dem Terror geflüchtet sind, weil sie vor dem „IS“ geflüchtet sind, weil sie mit dem Tod bedroht waren.

noe.ORF.at: Zum Thema Klima: Die Grünen schreiben in ihr Wahlprogramm, dass es ab 2030 keine Neuzulassung von Diesel- oder Benzinautos mehr geben soll. Wie kann man sich das vorstellen? In Niederösterreich fahren täglich Hunderttausende mit dem Auto in die Arbeit. Wie soll diese Umstellung aus Ihrer Sicht funktionieren?

Brosz: Ich habe mittlerweile seit dreieinhalb Jahren ein E-Auto. Man sieht, wie enorm schnell die Entwicklung vor sich geht, die Reichweiten steigern sich von Jahr zu Jahr, die Batteriekapazität wird mehr und der Preis sinkt. Innerhalb von 13 Jahren - 2017 haben wir jetzt - wird eine Revolution stattfinden. Das ist eine ganze Generation.

Dieter Brosz im Gespräch mit Robert Ziegler

ORF / Gernot Rohrhofer

Chefredakteur Robert Ziegler im Gespräch mit dem Spitzenkandidaten der Grünen

noe.ORF.at: Die Grünen haben bei der Nationalratswahl 2013 bundesweit mehr als 12 Prozent der Stimmen erreicht, landesweit waren es 9,6 Prozent, also deutlich weniger. Warum tun Sie sich mit dem größten Bundesland so schwer?

Brosz: Sagen wir es anders: Wenn wir einander vor 15 Jahren getroffen hätten und wir hätten gesagt, die Grünen haben in Niederösterreich annähernd zehn Prozent, hätten Sie wahrscheinlich gesagt, das sei nicht vorstellbar.

Man sieht, dass die Entwicklung weitergegangen ist, dass wir im Wiener Umland, aber immer mehr auch in den ländlichen Regionen gewachsen sind. Es gibt 110 Gemeinden, wo die Grünen vertreten sind, wir haben eine flächendeckende Struktur und die Menschen kennen die Grünen und wissen, dass dort Leute unterwegs sind, die sehr viel Engagement haben und dass dort Wachstum stattgefunden hat.

Jetzt ist es etwas schwieriger, das gestehe ich auch ein. Es hat Entwicklungen gegeben, die nicht so erfreulich waren. Aber sehr viele sagen jetzt: Wir brauchen die Grünen, denn das ist die Kraft, die auch für die Zukunftsfragen steht, und das gilt auch für Niederösterreich.

noe.ORF.at: 9,6 Prozent 2013 und damit auch drei Mandate aus Niederösterreich. Wie realistisch ist das dieses Mal und womit wären Sie angesichts der Kandidatur von Peter Pilz zufrieden?

Brosz: Ein Wort zu Peter Pilz: Er hat sich nach 31 Jahren von seiner Partei und auch von vielen seiner Grundsätze verabschiedet. Es gibt deutliche inhaltliche Differenzen. Dieser Ausstieg war - das wissen wir mittlerweile - lange geplant. Sei es bei der Frage der Menschenrechte, wo er die Position vertritt, dass anerkannte Flüchtlinge in Lagern in Krisenregionen interniert werden müssen, das ist weit weg von grünen Vorstellungen. Und die Frage der Zielsetzung: Ja, wir wollen das dritte Mandat halten, wir wissen, dass das schwierig wird.

noe.ORF.at: Schließen Sie aus, dass es nach mehr als 30 Jahren einen Nationalrat ohne Grüne geben könnte?

Brosz: Für mich ist das nicht vorstellbar.

Das Gespräch mit Dieter Brosz führte Robert Ziegler, noe.ORF.at

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