Hanekes „Happy End“ als Drohung

Das Familienporträt „Happy End“ des in Niederösterreich lebenden Filmemachers und Oscarpreisträgers Michael Haneke läuft ab Freitag in den Kinos. Der Film zeigt einen Familienverfall und ist als Drohung zu verstehen.

Mit einem breit angelegten Familienporträt meldet sich Michael Haneke fünf Jahre nach seinem Erfolgskammerspiel „Amour“ wieder auf der Kinoleinwand zurück. Nach der verhalten aufgenommenen Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Cannes kommt das Werk über eine Industriellenfamilie nun am Freitag in die Kinos und geht auch ins Rennen um den Auslandsoscar - mehr dazu in „Happy End“ im Rennen um Auslandsoscar (noe.ORF.at; 6.9.2017).

Filmszene Happy End

schoemitz_gavriel/Wega Film

Isabelle Huppert bleibt Haneke treu

Die Personnage von „Happy End“ bildet die Industriellenfamilie Laurent, bestehend aus den Haneke-typischen bildungsbürgerlichen Charakteren. Tochter Anne (Isabelle Huppert) führt das Familienunternehmen mit pragmatischer Kühle, während der alte Patriarch Georges mittlerweile lebensmüde ist - eine Paraderolle für Frankreichs Altmeister Jean-Louis Trintignant, der damit gleichsam seinen Part aus „Amour“ paraphrasiert. Sohnemann Thomas (Mathieu Kassovitz) ist zwischen seiner Frau und dem gemeinsamen Baby, einer Sexaffäre und der Tochter Eve (Fantine Harduin) aus früherer Ehe hin und hergerissen. Alle haben Probleme, sich einander verständlich zu machen, ihre Gefühle, ihr Innerstes wirklich zu kommunizieren, sich einander über die vorgegebene Rolle hinaus anzunähern.

Mit seinem Kameramann Christian Berger und Cutterin Monika Willi setzt Haneke stilistisch auch in „Happy End“ auf die für ihn typischen langen Einstellungen in der Totalen, die ohne Schnitt auskommen. Das eigentliche Geschehen findet oft im Bildhintergrund statt, Gespräche bleiben im Umgebungslärm unverständlich.

Neuer Haneke-Film „Happy End“

Michael Haneke präsentiert seinen neuesten Film, diese Woche startet er in unseren Kinos. „Happy End“ nennt er sich.

Die Lage der Flüchtlinge, die Haneke mit der Positionierung der Geschichte in der Hafenstadt Calais nahelegt, etabliert sich etwa erst primär im Finale, wenn sich Pierre, der rebellische Sohn von Firmenchefin Anne, gegen die Ignoranz der Familie auflehnt und zum eleganten Hochzeitsdinner seiner Mutter Flüchtlinge mitnimmt. Ansonsten bleibt dieser Aspekt jedoch thematisches Versatzstück, das herangezogen, aber nicht in der Tiefe aufgegriffen wird.

Cannes als Stammparket für Autorenfilmer

1942 wurde Michael Haneke als Sohn der österreichischen Schauspielerin Beatrix von Degenschild und des Düsseldorfer Regisseurs und Schauspielers Fritz Haneke in München geboren. Er wuchs in Wiener Neustadt auf. Das Stammparkett des Autorenfilmers wurde und ist jenes in Cannes. Gleich sein Kinoerstling „Der siebente Kontinent“ war dort 1989 in einer Nebenschiene gelaufen. Der Gewaltschocker „Funny Games“ wurde schließlich 1997 nach 35 Jahren der erste österreichische Wettbewerbsbeitrag in Cannes, die Filme „Code Inconnu“ (2000) und „Wolfzeit“ (2003) wurden beim Festival kontrovers besprochen.

Für die Jelinek-Verfilmung „Die Klavierspielerin“ mit Isabelle Huppert gab es an der Cote d’Azur 2001 den Großen Preis der Jury, für „Cache“ 2005 den Regiepreis, für die schwarz-weiße Faschismusparabel „Das weiße Band“ (2009) und „Amour“ (2012) zwei Goldene Palmen hintereinander. Für „Amour“ gewann Haneke auch den Auslandsoscar - mehr dazu in Haneke gewinnt Oscar (noe.ORF.at; 25.2.2013).

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