Neustart nach Pleite: „Erst Not macht wendig“

923 Betriebe waren 2017 in Niederösterreich zahlungsunfähig. Jede Insolvenz bietet aber auch eine neue Chance. Der Bäckerei Blei und den Käsemachern gelang etwa nach der Pleite und einer Einigung mit den Gläubigern der Turnaround.

Im Handumdrehen belegt Bäcker Gerold Blei aus Retz (Bezirk Hollabrunn) frühmorgens das Blech mit Dinkelmascherl. Die Arbeit beherrscht er im Schlaf. Doch so einfach wie das Brot backen läuft es für seinen Betrieb derzeit nicht. Vor drei Jahren geriet die Firma unerwartet in finanzielle Schieflage.

Insolvenzen Chance Blei Käsemacher

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Mit neuem Sortiment, das komplett auf Bioprodukte umgestellt wurde, will Bäcker Blei jetzt wieder durchstarten

Einerseits habe es gewisse Altlasten gegeben, erinnert sich Blei. „Es wurden aber auch ein paar Kundschaften insolvent, bei denen wir in einem Gegengeschäft ums Geld umgefallen sind“, zählt Blei auf. Zudem habe sich auch die Bäcker-Branche stark verändert: „Die Diskonter setzen uns schon sauber zu.“

„Wann ist der richtige Zeitpunkt?“

Der Gewinn reduzierte sich stetig, die Schulden stiegen. Im Vorjahr musste Blei Insolvenz anmelden. Für alle Beteiligten sei das ein schmerzhafter Schritt gewesen, wie er sagt. Warum die Insolvenz nicht schon früher angemeldet wurde? „Wann ist der richtige Zeitpunkt? Man schiebt notwendige Aufgaben, bei denen man doch glaubt, sie irgendwie zu schaffen, immer wieder hinaus, obwohl man das Gegenteil weiß“, erklärt Blei.

Insolvenzen Chance Blei Käsemacher

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Die tägliche Verkaufstour im Bezirk Hollabrunn wurde u.a. verkürzt

Für die Bäckerei sei die Insolvenz aber eine neue Chance gewesen. Mit Hilfe von Fachleuten gelang es, den Betrieb neu aufzustellen: Eine Filiale wurde geschlossen, die Verkaufstour verkürzt und acht Mitarbeiter mussten gekündigt werden. Das Wort „notwendig“ hat seither eine neue Bedeutung: „Erst wenn die Not wirklich da ist, wird man wendig genug, diese Maßnahmen umsetzen.“

Schnelles Wachstum als Hemmschuh

Insolvenzen Chance Blei Käsemacher

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Nur zwei Wochen nach Ende ihres Studiums musste Doris Ploner den Betrieb ihres Vaters übernehmen

In einer ähnlichen Situation waren die Käsemacher aus Vitis (Bezirk Waidhofen an der Thaya). Nach einem schweren Unfall des Geschäftsführers 2011 trieb der Betrieb mehrere Monate vor sich hin, erzählt die Nachfolgerin und Tochter des Firmengründers, Doris Ploner: „Wegen des schnellen Wachstums kam es u.a. auch zu Fehlentscheidungen, Preiserhöhungen wurden nicht durchgeführt und unrentable Produkte wurden über zu lange Zeit produziert.“

Nachdem einige Milchlieferanten nicht mehr bezahlt werden konnten, folgte 2013 die Insolvenz. Der Käseproduzent habe sich dadurch aber erst „gesundschrumpfen“ können, stellt Ploner fest: „Die Insolvenz trug sicher dazu bei, dass jeder einmal darüber nachdenkt, was man verändern kann und muss.“

Für die Zukunft gewarnt

Manche Preise wurden daraufhin erhöht, das Sortiment wurde verkleinert und die Verantwortung auf mehrere Schultern aufgeteilt. Für den Betrieb habe die Insolvenz deshalb - im Nachhinein betrachtet - auch etwas Lehrreiches gebracht, „weil man jetzt anders, vorsichtiger agiert. Wenn etwas Riskantes entsteht, ist man sofort hellhörig“, gibt Ploner zu, hält aber fest, dass eine Insolvenz jeden treffen kann.

Insolvenzen Chance Blei Käsemacher

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Bei den Käsemachern muss jeder Paprika mit der Hand gefüllt werden, die Produktion läuft fünf Jahre nach der Insolvenz wieder auf Hochtouren

Fünf Jahre nach der Insolvenz läuft die Produktion wieder auf Hochbetrieb. Der Umsatz steigt, auch der finanzielle Gewinn ist wieder zurück. Dieses Ziel hat auch Bäcker Gerold Blei vor Augen - bisher mit Erfolg. Seit den Umstrukturierungen schreibt er wieder durchwegs schwarze Zahlen, auch die erste Quote der Gläubiger ist schon zurückgezahlt: „Wir haben jetzt noch eineinhalb Jahre vor uns, aber wir schaffen das.“

Stefan Sailer, noe.ORF.at

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